Menschenrechtsanwalt inhaftiert

Porträt von Yu Wensheng

Der chinesische Menschenrechtsanwalt Yu Wensheng (undatiertes Foto)

Der Menschenrechtsanwalt Yu Wensheng wurde "an einem dafür vorgesehenen Ort unter Überwachung" gestellt und steht unter Verdacht, "zum Umsturz der Staatsmacht angestiftet zu haben". Ohne Kontakt zur Außenwelt und ohne Zugang zu Rechtsbeiständen drohen ihm Folter und andere Misshandlungen.

Appell an

Meng Bin         

Shijingshan District Detention Centre

Jia No. 1, Guchengnanli

Shijingshanqu, Beijing Shi 10043

VOLKSREPUBLIK CHINA

Sende eine Kopie an

Präsident der Volksrepublik China

Xi Jinping        

Zhongnanhai

Xichang’anjie   


Xichengqu Beijing Shi 10017

VOLKSREPUBLIK CHINA

Fax: +86 10 63070900

Email: english@mail.gov.cn

Botschaft der Volksrepublik China

S.E. Herrn Mingde Shi

Märkisches Ufer 54

10179 Berlin

Fax: 030-27 58 82 21

E-Mail: presse.botschaftchina@gmail.com oder de@mofcom.gov.cn

Amnesty fordert:

  • Lassen Sie Yu Wensheng bitte umgehend und bedingungslos frei, da er lediglich aufgrund der friedlichen Ausübung seines Rechts auf freie Meinungsäußerung inhaftiert wurde.
  • Stellen Sie bitte sicher, dass Yu Wensheng Zugang zu seiner Familie und einem Rechtsbeistand seiner Wahl hat.
  • Sorgen Sie bitte dafür, dass er bis zu seiner Freilassung nicht gefoltert oder anderweitig misshandelt wird.

Sachlage

Yu Wensheng, ein bekannter Menschenrechtsanwalt aus Beijing, wurde am 19. Januar nahe seinem Wohnort von der Polizei mitgenommen, als er seinen 13-jährigen Sohn zur Schule bringen wollte. Er sollte wegen des Vorwurfs "Streit angefangen und Ärger provoziert zu haben" von der Polizei befragt werden.

Nachdem er über Nacht festgehalten worden war, wurde Yu Wensheng wegen des Vorwurfs "die öffentliche Ordnung gestört zu haben" im Bezirksgefängnis Shijingshan in Beijing offiziell in Haft genommen. Mindestens fünf Rechtsbeistände haben seitdem versucht, mit Yu Wensheng Kontakt aufzunehmen, was die Polizei jedoch ohne Angabe von Gründen verweigerte. Xu Yan, Yu Wensheng’s Frau, hat bereits mehrfach versucht ihm Geld zukommen zu lassen, damit er zusätzliche Lebensmittel und andere Konsumgüter des täglichen Bedarfs kaufen kann. Auch dies verweigerte die Polizei ohne Angabe jeglicher Gründe.

Am 27. Januar durchsuchten gegen 21 Uhr etwa 20 Polizist_innen der Polizeidienststellen Shijingshan in Beijing und Xuzhou in der Provinz Jiangsu das Zuhause von Yu Wensheng. Gegen Mitternacht wurde Xu Yan unter dem Vorwurf "Anstiftung zur Untergrabung der Staatsmacht" mitgenommen, befragt und erst gegen 16 Uhr wieder freigelassen. Ihr Zuhause und das Büro von Yu Wensheng wurden am 28. Januar erneut durchsucht, einige Dokumente und Xu Yan’s Mobiltelefon dabei beschlagnahmt.

Die Behörde für öffentliche Sicherheit des Bezirks Tongshan in Xuzhou in der Provinz Jiangsu teilte der Familie von Yu Wensheng am 27. Januar schriftlich mit, dass er "an einem dafür vorgesehenen Ort unter Überwachung" gestellt worden sei. Wo sich dieser Ort befindet, wurde jedoch nicht mitgeteilt.

Yu Wensheng ist ein gewaltloser politischer Gefangener, der lediglich aufgrund der Ausübung seines Rechtes auf freie Meinungsäußerung festgehalten wird. Das Strafprozessrecht der Volksrepublik China erlaubt es der Polizei jedoch, den Zugang zu Rechtsbeiständen für bis zu sechs Monate zu unterbinden, falls der Fall als "die nationale Sicherheit gefährdend" eingestuft wird, was die Gefahr von Folter und anderweitiger Misshandlung weiter vergrößert.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Am 15. Januar, vier Tage vor seiner Festnahme, hatte Yu Wensheng einen Brief des Städtischen Justizbüros erhalten, in dem es hieß, seine Anwaltslizenz sei vorläufig gesperrt, da er seit mehr als sechs Monaten bei keiner registrierten Anwaltskanzlei angestellt war. Ihn erreichte ein weiterer Brief des Büros, der auf den 12. Januar datiert war, in dem stand, dass sein Antrag auf die Eröffnung einer Anwaltskanzlei abgelehnt worden sei, weil er sich wiederholt gegen die Herrschaft der Kommunistischen Partei ausgesprochen und den "sozialistischen Rechtsstaat" angegriffen hatte.

Yu Wensheng ist ein bekannter Menschenrechtsanwalt in Beijing. Er war Rechtsbeistand bei vielen öffentlichkeitswirksamen Menschenrechtsfällen. So vertrat er unter anderem Falun-Gong-Anhänger_innen und den Menschenrechtsanwalt Wang Quanzhang, der während des harten staatlichen Vorgehens gegen Anwält_innen und Aktivist_innen im Juli 2015 wegen "Untergrabung der Staatsmacht" angeklagt worden war und dessen Aufenthaltsort weiterhin unbekannt ist.

Yu Wensheng wurde während seiner von Oktober 2014 bis Januar 2015 dauernden Haft im Untersuchungsgefängnis Daxing in Beijing gefoltert. Am 13. Oktober 2014 wurde er vom Büro für öffentliche Sicherheit Daxing in Beijing festgenommen, nachdem er seine Unterstützung für die pro-demokratischen Proteste in Hong Kong ausgedrückt hatte. Er wurde 61 Tage lang zusammen mit Häftlingen, die zum Tode verurteilt worden waren, festgehalten und etwa 200 Mal verhört.

Ihm wurde während seiner Haft kein Kontakt zu Rechtsbeiständen gewährt. Yu Wensheng wurde täglich von zehn Sicherheitsbeamt_innen in drei Schichten befragt. Zunächst misshandelten diese ihn nur verbal. Später wurden ihm die Hände mit Handschellen an der Rückseite seines Eisenstuhls befestigt, wodurch seine Muskeln und Gelenke stark überdehnt wurden. Yu Wensheng sagt, dass zwei Beamt_innen immer wieder ruckartig an seinen Handschellen zogen und er jedes Mal aufschrie.

Im Oktober 2017 wurde Yu Wensheng erneut für eine kurze Zeit inhaftiert, nachdem er einen Offenen Brief geschrieben hatte, in dem er den Präsidenten Xi Jinping kritisierte und sagte, dieser sei wegen seiner immer stärker werdenden "totalitären" Herrschaft ungeeignet um China zu regieren. Angehörige und Freund_innen von Yu Wensheng glauben, dass er sich momentan aufgrund dieses Briefes in Haft befindet.

Fortsetzung (auf Englisch)

On 23 January 2018, Shanghai-based news website The Paper released a news report with a heavily and abruptly edited video claiming that a lawyer surnamed Yu assaulted two police officers while resisting arrest on 19 January. The report was widely circulated on news search portals and social media platforms in China as Yu Wensheng’s name was mentioned in tweets and posts from unidentified social media accounts. It seems to be an attempt to discredit the lawyer using similar tactics that have been seen in other cases of detained lawyers and activists.

The detention of lawyer Wang Yu and her family on 9 July 2015 marked the beginning of an unprecedented government crackdown on human rights lawyers and other activists. Over the following weeks, almost 250 lawyers and activists were questioned or detained by state security agents, and many of their offices and homes were raided. As of December 2017, nine individuals had been convicted for "subverting state power", "inciting subversion of state power" or "picking quarrels and provoking trouble". Five of them remain imprisoned, three were given suspended prison sentences and one "exempted from criminal punishment" while remaining under surveillance. Lawyer Wang Quanzhang who has been indicted but awaits a trial, is being held incommunicado without access to a lawyer, and is at risk of torture or other ill-treatment.