Über hundert Personen weiter in Haft

Diese Urgent Action ist beendet!

16 Aktivist_innen, die festgenommen worden waren, als sie einer Gruppe von Hungerstreikenden Wasser brachten, sind zwar am 30. Dezember 2019 freigelassen worden, doch die Anklagen gegen sie bestehen weiter. Die Gerichtsverhandlung gegen die sogenannten "Aguadores" (Wasserträger_innen) sollte am 30. Januar 2020 stattfinden, wurde jedoch bis auf Weiteres verschoben. Nach wie vor befinden sich mindestens 61 Personen in Haft, die wegen ihrer Teilnahme an den Protesten im April 2018 festgenommen worden waren.

Schwarzgekleidete Polizisten mit Schildern, davor ein Protestierender, in eine nicaraguanische Flagge gehüllt

Mehr als ein Jahr nach den Protesten befinden sich in Nicaragua immer weit über hundert Menschen in Haft. Wir fordern die nicaraguanischen Behörden auf, all diejenigen umgehend freizulassen, die sich nur aufgrund der friedlichen Wahrnehmung ihrer Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit in Haft befinden, und die Anklagen gegen sie fallenzulassen.

Appell an

Präsident

Daniel Ortega Saavedra, Presidencia de la República

c/o Minister for Foreign Affairs

Del cine González 1 c. al Sur, sobre Av. Bolivar

Managua

NICARAGUA

Sende eine Kopie an

Botschaft der Republik Nicaragua

I.E. Frau Tatiana Daniela Garcia Silva

Werftstraße 2

10775 Berlin


Fax: 030 – 206 438 16

E-Mail: embajada.berlin@embanic.de

Amnesty fordert:

  • Ich fordere Sie auf, alle Inhaftierten umgehend freizulassen und alle Anklagen gegen sie fallenzulassen, sofern sie sich nur aufgrund der Ausübung ihrer Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit schon seit dem 18. April 2018 in Haft befinden.

Sachlage

Amnesty International ist besorgt über die seit April 2018 anhaltende Strategie der Verfolgung und Kriminalisierung in Nicaragua. Über ein Jahr nach Beginn der Menschenrechtskrise befinden sich noch mindestens 120 Menschen in Haft, obwohl der Menschenrechtsrat und der Ständige Rat der Organisation Amerikanischer Staaten ihre Freilassung fordert und sich die nicaraguanische Regierung am 18. Juni 2019 verpflichtet hat, sie freizulassen.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Am 18. April 2018 brachen in Nicaragua nach Jahren des institutionellen Verfalls Proteste aus. Sie waren eine Reaktion auf den Versuch der Regierung, unbeliebte und nicht im Vorhinein konsultierte Reformen im Bereich der sozialen Sicherheit einzuführen. Die Proteste wurden gewaltsam niedergeschlagen. Nach Angaben der Interamerikanischen Menschenrechtskommission kamen wurden im Zuge der Krise bereits 328 Menschen getötet, darunter 21 Polizist_innen und 24 Kinder und Jugendliche, und mehr als 2000 Personen wurden verletzt. Personen der Zivilgesellschaft haben errechnet, dass mehr als 700 Menschen inhaftiert wurden. Mehr als 400 Angestellte in Heilberufen wurden entlassen, 144 Studierende wurden aus der öffentlichen Universität ausgeschlossen und über 90 Journalist_innen und Medienbeschäftigte sahen sich gezwungen, das Land verlassen. Etwa 70.000 Nicaraguaner_innen sind in benachbarte Länder geflohen, 68.000 suchen nach Angaben des UNHCR Schutz in Costa Rica.

Am 16. Mai 2019 wurde der 57-jährige Eddy Montes, der über die nicaraguanische und die US-amerikanische Staatsbürgerschaft verfügte, im Gefängnis La Modelo in Managua erschossen. Gemeinsam mit vielen weiteren Personen war er wegen seiner Beteiligung an den Demonstrationen im April 2018 festgenommen worden. Am 8. Juni 2019 verabschiedete die nicaraguanische Nationalversammlung ein Amnestiegesetz.

Im Oktober 2018 veröffentlichte Amnesty International den englischsprachigen Bericht Instilling terror: from lethal force to persecution in Nicaragua (https://www.amnesty.org/en/documents/amr43/9213/2018/en/). Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass die nicaraguanische Regierung eine repressive Strategie verfolgte, die darauf beruhte, vermeintliche Gegner_innen zu kriminalisieren. Personen, die gegen die Regierung protestierten, wurden als "Terroristen" und "Putschisten" abgestempelt, um ein entsprechend gewaltsames Vorgehen zu rechtfertigen.

Nach wie vor kommt es in Nicaragua zu Protesten, in denen die Menschen grundlegende Veränderungen fordern. Es ist über ein Jahr her, dass die Regierung scharf gegen die Teilnehmer_innen der damaligen Proteste vorging. Doch Amnesty International erhält nach wie vor Berichte über willkürliche Inhaftierungen und die Folterung von inhaftierten Personen. Einigen zivilgesellschaftlichen Organisationen wie z. B. der Menschenrechtsorganisation Centro Nicaragüense de los Derechos Humanos (CENIDH) wurde die Registrierung als juristische Person entzogen. Sie können nach wie vor nicht ungehindert ihrer Arbeit nachgehen, und auch Journalist_innen und Menschenrechtsverteidiger_innen werden weiterhin schikaniert. Die Regierung scheint nach wie vor die Strategie zu verfolgen, kritische Stimmen anhand von Einschränkungen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit zum Schweigen bringen zu wollen.