Freigelassene weiter unter Anklage

Diese Urgent Action ist beendet!

16 Aktivist_innen, die festgenommen worden waren, als sie einer Gruppe von Hungerstreikenden Wasser brachten, sind zwar am 30. Dezember 2019 freigelassen worden, doch die Anklagen gegen sie bestehen weiter. Die Gerichtsverhandlung gegen die sogenannten "Aguadores" (Wasserträger_innen) sollte am 30. Januar 2020 stattfinden, wurde jedoch bis auf Weiteres verschoben. Nach wie vor befinden sich mindestens 61 Personen in Haft, die wegen ihrer Teilnahme an den Protesten im April 2018 festgenommen worden waren.

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Die Anklagen gegen 16 Aktivist_innen, die festgenommen worden waren, als sie einer Gruppe von Hungerstreikenden Wasser gaben, bestehen auch nach ihrer Freilassung am 30. Dezember 2019 weiter. Die Gerichtsverhandlung gegen die sogenannten "Aguadores" (Wasserträger_innen) sollte am 30. Januar 2020 stattfinden, sie wurde jedoch verschoben. Laut Angaben von Organisationen vor Ort befinden sich nach wie vor 65 Personen in Haft, die wegen ihrer Teilnahme an den Protesten im April 2018 festgenommen worden waren.

Appell an

Präsident

Daniel Ortega Saavedra

Presidencia de la República


c/o Ministro de Asuntos Exteriores

Del cine González 1 c. al Sur, sobre Avenida Bolivar

Managua


NICARAGUA

Sende eine Kopie an

Botschaft der Republik Nicaragua

I. E. Frau Tatiana Daniela Garcia Silva

Werftstraße 2

10775 Berlin


Fax: 030 – 206 438 16

E-Mail: embajada.berlin@embanic.de

Amnesty fordert:

  • Bitte stellen Sie sicher, dass die Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit der 91 kürzlich Freigelassenen und der 65 noch Inhaftierten gewahrt werden und die Anklagen gegen sie fallengelassen werden.
  • Bitte veranlassen Sie außerdem die umgehende Freilassung derjenigen, die allein wegen der Ausübung ihrer Grundrechte inhaftiert wurden.
  • Bitte setzen Sie sich auch für das Einstellen des Verfahrens gegen die 16 freigelassenen Aktivist_innen ein, die am 14. November 2019 festgenommen worden waren, weil sie Menschen im Hungerstreik Wasser gegeben hatten.

Sachlage

Am 14. November 2019 nahm die nicaraguanische Polizei 16 Aktivist_innen beim Verlassen einer Kirche in Masaya fest und inhaftierte sie. Die Aktivist_innen hatten einer Gruppen von Menschen im Hungerstreik Wasser gebracht. Diese forderten die Freilassung ihrer bei den Protesten am 18. April 2018 inhaftierten Angehörigen.

Am 30. Dezember 2019 wurden 91 Personen freigelassen, die während oder im Nachgang der Proteste von 2018 festgenommen worden waren – darunter auch die am 14. November festgenommenen 16 Aktivist_innen. Laut der Regierung handelte es sich dabei um eine Geste der "nationalen Versöhnung". Örtliche Organisationen berichten jedoch, dass trotz der erfolgten Freilassung der 91 Personen immer noch 65 Menschen im Gefängnis sind. Auch die 16 Aktivist_innen müssen sich noch vor Gericht verantworten, da ihre Anklagen nicht fallengelassen wurden. Am 30. Januar sollte das Verfahren gegen sie eröffnet werden. Es wurde jedoch verschoben, d.h. die Anklagen gegen sie bestehen weiter. Organisationen vor Ort berichteten, dass die 16 Aktivist_innen nicht formell über die Aussetzung der Anhörung am 30. Januar 2020 informiert worden waren.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Nach einem Gesetzentwurf zu Reformen des Sozialversicherungssystems brachen in Nicaragua am 18. April 2018 landesweite Proteste aus. Die Reformpläne waren nicht mit der Bevölkerung diskutiert worden und fanden keine Zustimmung. Die Proteste wurden von den Behörden gewaltsam niedergeschlagen. Seither verfolgt die nicaraguanische Regierung eine Strategie der Strafverfolgung und Kriminalisierung der Protestteilnehmer_innen. Laut Angaben der Interamerikanischen Menschenrechtskommission wurden dabei 328 Personen getötet. Mehr als 2.000 Menschen erlitten Verletzungen. Nach Angaben zivilgesellschaftlicher Organisationen wurden darüber hinaus mehr als 700 Personen festgenommen. Etwa 300 im Gesundheitswesen Beschäftigte wurden entlassen und 144 Studierenden der öffentlichen Universität Universidad Nacional Autónoma de Nicaragua (UNAN) wurde der Studienplatz entzogen. Laut Angaben des UN-Hochkommissars für Flüchtlinge sind bis August 2019 etwa 80.000 nicaraguanische Staatsangehörige ins benachbarte Ausland geflohen, 68.000 davon haben in Costa Rica Asyl beantragt. Mehr als 100 Journalist_innen und Medienschaffende sahen sich gezwungen, ins Exil zu gehen.

Die Regierung Nicaraguas ist ihrer im März 2019 gemachten Zusage bislang nicht nachgekommen, alle Gefangenen freizulassen, die sich seit dem 18. April 2018 lediglich aufgrund der friedlichen Wahrnehmung ihrer Rechte auf freie Meinungsäußerung und friedliche Versammlung in Haft befinden. Am 8. Juni 2019 verabschiedete die nicaraguanische Nationalversammlung ein neues Amnestiegesetz. Drei Tage später wurden 56 Personen aus der Haft entlassen. Es gibt jedoch seitdem immer wieder Berichte über neue Repressalien. Am 16. Mai 2019 wurde der 57-jährige Eddy Montes, der über die nicaraguanische und US-amerikanische Staatsbürgerschaft verfügte, im Gefängnis La Modelo in Managua erschossen. Gemeinsam mit vielen weiteren Personen war er wegen seiner Beteiligung an den Demonstrationen im April 2018 festgenommen worden.

In dem im Oktober 2018 veröffentlichten Bericht Instilling Terror kommt Amnesty International zu dem Schluss, dass die nicaraguanische Regierung eine repressive Strategie verfolgte, die darauf beruhte, vermeintliche Gegner_innen zu kriminalisieren. Personen, die gegen die Regierung protestierten, wurden als "Terroristen" und "Putschisten" abgestempelt, um ein entsprechend gewaltsames Vorgehen zu rechtfertigen. Immer wieder kommt es in Nicaragua zu Protesten, in denen die Menschen grundlegende Veränderungen fordern. Es ist über anderthalb Jahre her, seit die Regierung anfing, scharf gegen die Teilnehmer_innen der damaligen Proteste vorzugehen. Doch Amnesty International erhält nach wie vor Berichte über willkürliche Inhaftierungen und die Folterung von inhaftierten Personen. Einigen zivilgesellschaftlichen Organisationen, wie z. B. der Menschenrechtsorganisation Centro Nicaragüense de los Derechos Humanos (CENIDH), wurde die Registrierung als juristische Person entzogen – wodurch sie an der freien Ausübung ihrer Tätigkeit im Land gehindert werden.