Lage für Flüchtlinge immer aussichtsloser

Karte Jordanien

Karte Jordanien

Seit Jordanien am 21. Juni die Grenze zu Syrien abgeriegelt hat, sitzen etwa 80.000 Flüchtlinge in dem Wüstengebiet an der syrisch-jordanischen Grenze – dem sogenannten "Berm" – fest. Dort sind sie Sandstürmen und sengender Hitze ausgesetzt. Die Versorgung mit grundlegenden und lebensnotwendigen Hilfsleistungen ist nach wie vor nicht gewährleistet.

Appell an

INNENMINISTER
Salameh Hammad
Ministry of Interior
PO Box 100, Amman
JORDANIEN
(Anrede: Dear Minister / Sehr geehrter Herr Minister)
Fax: (00 962) 6560 6908
E-Mail: info@moi.gov.jo

BUNDESMINISTER DES AUSWÄRTIGEN
Dr. Frank-Walter Steinmeier
Auswärtiges Amt
11013 Berlin
(Anrede: Dear Minister / Sehr geehrter Herr Minister)
Fax: 030 1817 3402

E-Mail: über das Kontaktformular:
https://www.auswaertiges-amt.de/DE/Service/Kontakt/kontakt_node.html?https=1

Sende eine Kopie an

BOTSCHAFT DES HASCHEMITISCHEN KÖNIGREICHES JORDANIEN
S. E. Herrn Mazen Izzeddin Abdalla Tal
Heerstr. 201
13595 Berlin
Fax: 030-3699 6011
E-Mail: jordan@jordanembassy.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem unverzüglich 28. September 2016 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

FAXE, E-MAILS ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

An die jordanischen Behörden:

  • Bitte lassen Sie alle Flüchtlinge aus Syrien, die in Jordanien Schutz suchen möchten, umgehend ins Land einreisen.

An die deutschen Behörden:

  • Bitte sorgen Sie dafür, dass Jordanien die nötige technische Hilfe sowie anderweitige Unterstützung erhält, um zu ermöglichen, dass die in dem Wüstengebiet an der syrisch-jordanischen Grenze gestrandeten Flüchtlinge Asyl beantragen und sicher nach Jordanien oder in ein Drittland überstellt werden können. Die Bundesregierung sollte zudem eine bedeutende Anzahl an Resettlement-Plätzen für die Flüchtlinge in Jordanien zur Verfügung stellen, um zu zeigen, dass sie wirklich zu einer gemeinsamen Verantwortungsübernahme bereit ist.

Sachlage

Am 21. Juni wurde an der syrisch-jordanischen Grenze ein Selbstmordanschlag auf einen Militärposten verübt, bei dem sieben jordanische Sicherheitskräfte getötet und 13 verletzt wurden. Daraufhin schloss Jordanien seine Grenze zu Syrien. Seither sitzen über 80.000 Flüchtlinge aus Syrien in dem Wüstengebiet an der Grenze, das auch als "Berm" bekannt ist, fest. Selbst vor der Grenzschließung konnten humanitäre Hilfsorganisationen die Menschen in dem Wüstengebiet lediglich mit grundlegenden Hilfsleistungen versorgen. Seit die Grenze jedoch geschlossen wurde, haben sie gar keinen Zugang mehr zu den Flüchtlingen, von denen nach Einschätzung der Hilfsorganisationen mehr als die Hälfte Kinder sind. Amnesty International fordert, dass alle Flüchtlinge umgehend an einen sicheren Ort gebracht werden, entweder in Jordanien oder in einem Drittland, wo sie angemessen versorgt und geschützt werden.

Seit der Grenzschließung werden die Flüchtlinge in dem Grenzgebiet zudem nur eingeschränkt mit Wasser versorgt. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) liegt die tägliche grundlegende Wasserversorgung in Notfallsituationen bei 15 Litern pro Person. Die Menschen, die in der Wüste am Grenzübergang in Rukban festsitzen, erhalten jedoch nur etwa fünf bis sechs Liter pro Tag. Am 4. August wurde erstmals seit der Grenzschließung ein Nothilfeeinsatz durchgeführt, bei dem Nahrungsmittelrationen und Hygieneartikel mit in Jordanien positionierten Kränen zu den Flüchtlingen auf der anderen Seite der Grenze gehoben wurden. Der Einsatz wurde von einigen Hilfsorganisationen mit Hilfe der jordanischen Regierung vorgenommen. Laut Angaben des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen habe die jordanische Regierung jedoch deutlich gemacht, dass es sich dabei um eine "einmalige" Intervention gehandelt habe. Da die Verteilung der Hilfsgüter nicht angemessen kontrolliert werden kann, lässt sich schwer sagen, ob die Hilfe auch tatsächlich bei all denen angekommen ist, die sie benötigen.

Man kann davon ausgehen, dass sich die fehlenden Sanitäreinrichtungen sowie die unzureichende Versorgung mit Nahrungsmitteln und Wasser negativ auf die ohnehin bereits angegriffene Gesundheit vieler dort festsitzender Flüchtlinge auswirken werden. Seit der Grenzschließung dürfen selbst Personen, die an schweren Verletzungen leiden, nicht nach Jordanien einreisen oder medizinisch versorgt werden. Mitarbeiter_innen von Hilfsorganisationen haben glaubwürdige Berichte darüber erhalten, dass in dem Wüstengebiet neugeborene Kinder gestorben und bereits mindestens neun Frauen bei der Entbindung ums Leben gekommen sind. Zudem sollen Kinder unter blutigem Durchfall, Gelbsucht, Verlust des Augenlichts und möglicherweise an Hepatitis A und E leiden.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Seit 2012 hat Jordanien die Einreise für Syrer_innen schrittweise eingeschränkt. Der offizielle Grenzübergang zwischen der jordanischen Stadt Ramtha und der syrischen Stadt Dera’a wurde 2012 geschlossen. Zudem wurde bestimmten Personengruppen die Einreise untersagt, darunter Palästinenser_innen, die aus Syrien fliehen, allein reisende Männer, die keine familiären Verbindungen in Jordanien nachweisen können, und Menschen ohne Ausweispapiere. Mitte 2013 wurden auch die westlichen und östlichen Grenzübergänge für Syrer_innen geschlossen. Ausgenommen davon waren Kriegsverletzte und Personen, die gemäß jordanischen Kriterien als besonders schutzbedürftig erachtet werden. Im Mai 2014 begannen die jordanischen Behörden damit, Syrer_innen die Einreise über den internationalen Flughafen zu verwehren, wenn diese keine Aufenthaltserlaubnis besaßen oder für sie keine der wenigen Ausnahmeregelungen galt.

Nachdem Jordanien die Grenze weitgehend abgeriegelt hatte, versammelten sich Zehntausende Flüchtlinge an den informellen Grenzübergängen in Hadalat und Rukban in einem Wüstengebiet, das als "Berm" bekannt ist. Seit Oktober 2015 kamen dort immer mehr Flüchtlinge an, sodass mittlerweile mehr als 71.000 Menschen am Grenzübergang in Rukban und etwa 7.000 Personen am Grenzübergang in Hadalat festsitzen. Aus Sicherheitsgründen durften Hilfsorganisationen bisher lediglich einen speziell dafür vorgesehenen Bereich nutzen, um Hilfslieferungen zu verteilen und Gesundheitsleistungen bereitzustellen. Im März 2016 willigte Jordanien ein, bis zu 20.000 Flüchtlinge aus dem Wüstengebiet aufzunehmen. Diese wurden daraufhin in das jordanische Flüchtlingscamp Azraq gebracht. Am 21. Juni wurde an der syrisch-jordanischen Grenze ein Selbstmordanschlag auf einen Militärposten verübt, bei dem sieben jordanische Sicherheitskräfte getötet und 13 verletzt wurden. Der Selbstmordattentäter fuhr mit einem LKW voller Sprengstoff über einen Grenzübergang, über den normalerweise humanitären Hilfslieferungen eingeführt wurden. Daraufhin verkündete König Abdullah II. bin al-Hussein, dass Jordanien "mit eiserner Hand gegen Terroristen" vorgehen werde, und ließ die Grenze schließen. Somit ist es Hilfsorganisationen faktisch nicht mehr möglich, die in dem Wüstengebiet festsitzenden Flüchtlinge zu versorgen.

In Jordanien befinden sich mehr als 657.000 syrische Flüchtlinge – das sind 87 Flüchtlinge pro 1.000 Einwohner_innen. Das Land ist eines der fünf wichtigsten Aufnahmeländer in der Region, die zusammen bereits über viereinhalb Millionen syrische Flüchtlinge aufgenommen haben. Die Bewältigung dieser großen Anzahl an Flüchtlingen aus Syrien bedeutet eine große Belastung für Jordanien. Reichere Länder haben sich jedoch bisher davor gedrückt, ihren Anteil der Verantwortung zu übernehmen. Ende Juni 2016 hatte die internationale Gemeinschaft gerade einmal 45 % der für das Jahr 2016 benötigten humanitären Hilfe aufgebracht. Ende 2015 waren für das Jahr 2015 lediglich 62 % aufgebracht worden. In den ersten drei Monaten des Jahres 2016 wurden 12.889 syrischen Flüchtlingen, die sich in Jordanien befanden, Resettlement-Plätze in anderen Ländern angeboten. Allerdings reisten nur 5.448 von ihnen in ihr jeweiliges Resettlement-Land weiter.

Amnesty International ist sich der hohen Belastung, unter der Jordanien und andere Länder in der Region stehen, und der dringenden Notwendigkeit bewusst, die Verantwortung innerhalb der internationalen Gemeinschaft besser aufzuteilen. Die Organisation erkennt an, dass die jordanische Regierung Bemühungen unternommen hat, um einige Hilfslieferungen in das Wüstengebiet an der syrisch-jordanischen Grenze, das als "Berm" bekannt ist, zuzulassen. Jordanien hat jedoch die Verpflichtung, Menschen aus Syrien, die vor Konflikten und Verfolgung fliehen, Schutz zu gewähren und ihnen die Einreise nach Jordanien zu ermöglichen. Die Schließung der Grenzen für schutzbedürftige Menschen bzw. das direkte oder indirekte Erzwingen ihrer Rückkehr nach Syrien durch unerträgliche Lebensbedingungen stellt ein Verstoß gegen Jordaniens Verpflichtung dar, Personen nicht an einen Ort zurückzuführen, wo ihnen Verfolgung oder schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen drohen. Dies ist als Grundsatz der Nichtzurückweisung (Non-Refoulement) bekannt.

Es sollte davon ausgegangen werden, dass alle Asylsuchenden aus Syrien internationalen Schutz benötigen, da es im Syrienkonflikt zu weit verbreiteten Menschenrechtsverletzungen, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit kommt. Ledige Männer, die nach Syrien zurückgeschickt werden, riskieren ihre Festnahme oder die Zwangsrekrutierung.