Angemessene Unterkünfte fordern!

In Neapel im Süden Italiens droht etwa 300 Roma, die im Lager Masseria del Pozzo leben, die Zwangsräumung. Es steht zu befürchten, dass ihnen unangemessene Unterkünfte zugewiesen werden. Ihr Lager wurde von den Justizbehörden für unbewohnbar erklärt und wird daher geschlossen. Bisher haben die Kommunalbehörden den betreffenden Roma-Familien keine angemessenen Alternativunterkünfte angeboten.

Appell an

BÜRGERMEISTER VON GIUGLIANO IN CAMPANIA
Antonio Poziello
Comune di Giugliano in Campania
Corso Campano, 200
80014 Giugliano in Campania (NA)
ITALIEN
(Anrede: Dear Mayor / Sehr geehrter Herr Bürgermeister)
Fax: (00 39) 813 301 542
E-Mail: segreteria.sindaco@comune.giugliano.na.it

MINISTERPRÄSIDENT
Matteo Renzi
Presidenza del Consiglio dei Ministri
Palazzo Chigi
Piazza Colonna 370
Roma, ITALIEN
(Anrede: Dear Prime Minister / Sehr geehrter Herr Ministerpräsident)
Fax: (00 39) 667 797 743
E-Mail: matteo@governo.it

Sende eine Kopie an

INNENMINISTER
Angelino Alfano
Ministero degli Interni
Via Quattro Novembre 119/A
00187 Roma, ITALIEN
Fax: (00 39) 647 417 17 oder (00 39) 646 549 467
E-Mail: segreteriatecnica.ministro@interno.it

BOTSCHAFT DER ITALIENISCHEN REPUBLIK
S. E. Herrn Pietro Benassi
Hiroshimastr. 1-7
10785 Berlin
Fax: 030-2544 0116 oder 030 25 44 01 30
E-Mail: segreteria.berlino@esteri.it oder consolato.berlino@esteri.it

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Italienisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 29. Juli 2016 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

E-MAILS, FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Stellen Sie bitte unbedingt sicher, dass niemand im Zuge der Schließung des Lagers Masseria del Pozzo obdachlos wird, und dass die betroffenen Roma-Familien umgehend angemessene alternative Unterkünfte erhalten, die internationalen Menschenrechtsstandards entsprechen. Dies ist derzeit nicht der Fall.

  • Sorgen Sie bitte dafür, dass weder die kurz- noch die langfristigen Pläne für die Umsiedlung der Roma-Gemeinschaft in der Errichtung neuer abgeschiedener Lager resultieren. Alle neu bereitgestellten Unterkünfte müssen den Standards für angemessenen Wohnraum entsprechen, wie in der Nationalen Strategie zur Integration der Roma und in internationalen und regionalen Menschenrechtsnormen und -standards festgelegt.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Urging authorities to ensure that nobody will be rendered homeless as a result of the closure of Masseria del Pozzo camp, and that the Romani families are provided immediately with adequate alternative housing in accordance with international human rights standards which the current proposal falls short of.

  • Ensure that both short and long terms plans for rehousing the Romani families do not result in the creation of new segregated camps and that any new housing arrangement for the people affected complies with the standards of adequate housing as outlined in international and regional human rights law and standards and Italy’s National Integration Strategy for Roma Inclusion.

Sachlage

Im Süden Italiens droht etwa 300 Roma am 23. Juni die Zwangsräumung und Unterbringung in unangemessenen Alternativunterkünften. Die betroffenen Familien leben derzeit im Lager Masseria del Pozzo in der Gemeinde Giuliano in Neapel. Das Lager, welches 2013 von der Gemeinde Giugliano errichtet wurde, wird infolge einer gerichtlichen Entscheidung geschlossen. Die Justizbehörden ordneten im Oktober 2015 die Beschlagnahmung des Landes an, da sich nebenan eine Mülldeponie befindet, auf der giftige Industrieabfälle abgeladen werden. Das Grundstück wird daher als unbewohnbar und potenziell gesundheitsgefährdend eingestuft.

In der Folge muss die Gemeinde Giugliano die Bewohner_innen des Lagers nun dringend umsiedeln. Die Kommunalbehörden haben angekündigt, die Roma-Familien in ein neues Lager umziehen zu lassen, welches in den kommenden Monaten mithilfe von Geldern der nationalen und regionalen Behörden errichtet werden soll.

Die Behörden haben den Angehörigen der Roma-Gemeinschaft am 13. Juni mitgeteilt, dass sie bis zur Errichtung des neuen Lagers zunächst provisorisch untergebracht werden sollen. Am 23. Juni sollen die Betroffenen auf ein Stück Land umgesiedelt werden, das von Feldern umgeben ist und weit vom nächsten Dorf entfernt liegt. Auf diesem Grundstück befinden sich derzeit weder Wohnunterkünfte noch Wasser- und Sanitäranschlüsse. Zudem ist es verkehrstechnisch schlecht angebunden. Die Behörden haben der Gemeinschaft mitgeteilt, dass sie ihre Wohnwagen mitnehmen können und dass demnächst ein Wassertank und chemische Toiletten bereitgestellt werden. Diese Vorkehrungen entsprechen bei Weitem nicht den Normen für angemessenes Wohnen, die in internationalen Menschenrechtsstandards festgelegt sind. Amnesty International befürchtet darüber hinaus, dass Personen, die keinen eigenen Wohnwagen besitzen, obdachlos werden könnten.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Im Dezember 2012, zehn Monate nach der Verabschiedung der Nationalen Strategie zur Integration der Roma in Italien, entschloss sich die Gemeinde Giugliano zur Errichtung des neuen Lagers Masseria del Pozzo zur vorübergehenden Unterbringung einer Roma-Gemeinschaft. Im Jahr 2013 waren die Bauarbeiten abgeschlossen und die ersten Roma kamen in das Lager nahe einer Mülldeponie im Bezirk Terra dei Fuochi. Aus mehreren polizeilichen Untersuchungen geht hervor, dass diese Mülldeponie von Unternehmen im ganzen Land für die Entsorgung giftiger Industrieabfälle genutzt wird.

Bei der ursprünglichen Errichtung des Lagers wurden keine Unterkünfte zur Verfügung gestellt; stattdessen gestatteten die Behörden es den Familien, ihre eigenen provisorischen Unterkünfte zu errichten. Es wurden ein paar Container mit Sanitäreinrichtungen wie Duschen und Toiletten bereitgestellt. Amnesty International besuchte das Lager im Februar 2016. Die Lebensbedingungen waren unangemessen und menschenunwürdig, was das Abwassersystem, die Nähe zu Giftmüll und die schlechten Wohnverhältnisse anging. Die Bewohner_innen des Lagers erklärten den Vertreter_innen von Amnesty International, dass der unerträgliche Gestank in der Gegend von Biogas- und anderen unbekannten Dämpfen käme, die von Zeit zu Zeit aus der nahegelegenen Mülldeponie freigesetzt werden.

Vor Kurzem ordnete ein Gericht die Beschlagnahmung des Grundstücks und Verlegung der dort lebenden Familien an. In der Folge bewilligten die Gemeinde Giugliano, die Region Kampanien, die Präfektur Neapel und das Innenministerium die Errichtung eines neuen abgeschiedenen Lagers. Das Vorhaben wird von verschiedenen NGOs kritisiert. Es gibt Befürchtungen hinsichtlich potenzieller Segregation sowie bezüglich des Fehlens notwendiger Integrationsmaßnahmen und eines absoluten Mindestmaßes an Rechtssicherheit. In der Projektbeschreibung ist von "angemessenem Wohnraum und der Integration von Roma-Familien" die Rede; in der Praxis stehen jedoch lediglich 44 vorgefertigte Einheiten für 236 Personen zur Verfügung. Mit dem Projekt sollen Maßnahmen einhergehen, die "einen Prozess sozialer Inklusion und Legalität" für die Bewohner_innen garantieren, wie z. B. Vorschule/Kinderbetreuung, Unterstützung bei der Einschulung, Sensibilisierungsmaßnahmen für den Umgang mit den Nachbarn des Lagers, Angebote zur beruflichen Ausbildung für junge Leute, usw. Allerdings stehen bislang keine entsprechenden Finanzmittel für diese Maßnahmen zur Verfügung.

Die Recherchen von Amnesty International bestätigen, dass die Roma-Familien dringend aus dem Lager Masseria del Pozzo umgesiedelt werden müssen. Die Kommunalbehörden müssen jedoch sicherstellen, dass hierbei keine Menschenrechte verletzt werden.

Italien ist Vertragsstaat einer Reihe von internationalen und regionalen Menschenrechtsverträgen, die rechtswidrige Zwangsräumungen verbieten. Hierbei handelt es sich um Räumungen, die ohne angemessene Benachrichtigung und wirkliche Konsultation mit den Betroffenen erfolgen, bei denen die nötigen rechtlichen Schutzmaßnahmen nicht gewährleistet werden und im Zuge derer keine angemessenen Alternativunterkünfte bereitgestellt werden. Italien ist verpflichtet, dafür zu sorgen, dass den betroffenen Personen angemessene Alternativunterkünfte zur Verfügung gestellt werden, und dass niemand obdachlos wird oder infolge der Räumung anderen Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt wird. Werden diese Rechte verletzt, so sind den Betroffenen wirksame Rechtsbehelfe zur Verfügung zu stellen, so z. B. Entschädigung für alle Verluste sowie bei Bedarf die Bereitstellung alternativer Unterkünfte. Diese Verpflichtungen gelten auf allen Regierungsebenen, auch auf kommunaler Ebene.