Rechtswidrige Zwangsräumung

Am 21. Juni wurden etwa 75 Roma-Familien, die im Lager Masseria del Pozzo in der Gemeinde Giugliano in Neapel lebten, Opfer einer rechtswidrigen Zwangsräumung. Man brachte sie auf ein ehemaliges Fabrikgelände, auf dem es keine angemessenen Unterkünfte oder Sanitäreinrichtungen gibt. Sie haben zudem keinen angemessenen Zugang zu Gesundheitsdiensten.

Appell an

BÜRGERMEISTER VON GIUGLIANO IN CAMPANIA
Antonio Poziello
Comune di Giugliano in Campania
Corso Campano, 200
80014 Giugliano in Campania (NA)
ITALIEN
(Anrede: Dear Mayor / Sehr geehrter Herr Bürgermeister)
Fax: (00 39) 813 301 542
E-Mail: segreteria.sindaco@comune.giugliano.na.it

MINISTERPRÄSIDENT
Matteo Renzi
Presidenza del Consiglio dei Ministri
Palazzo Chigi, Piazza Colonna 370
Roma
ITALIEN
(Anrede: Dear Prime Minister / Sehr geehrter Herr Ministerpräsident)
Fax: (00 39) 667 797 743
E-Mail: matteo@governo.it

KOPIEN AN
INNENMINISTER
Angelino Alfano
Ministero degli Interni
Via Quattro Novembre 119/A
00187 Roma
ITALIEN
Fax: (00 39) 647 417 17 oder (00 39) 646 549 467
E-Mail: segreteriatecnica.ministro@interno.it

BOTSCHAFT DER ITALIENISCHEN REPUBLIK
S. E. Herrn Pietro Benassi
Hiroshimastr. 1-7
10785 Berlin
Fax: 030-2544 0116 oder 030 25 44 01 30
E-Mail: segreteria.berlino@esteri.it

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Italienisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 9. August 2016 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

E-MAILS, FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Sorgen Sie bitte dringend dafür, dass die Rechte der 75 Roma-Familien auf angemessenes Wohnen, Sanitäreinrichtungen und Gesundheitsleistungen entsprechend den internationalen menschenrechtlichen Verpflichtungen Italiens gewährleistet werden. Dies bedeutet, dass ihnen umgehend angemessene Alternativunterkünfte angeboten werden müssen.

  • Führen Sie umgehend eine wirkliche Konsultation mit den betroffenen Roma durch, um Möglichkeiten für langfristige alternative Unterkünfte auszuloten, wie es internationale und regionale Menschenrechtsnormen und -standards vorsehen und wie es in der Nationalen Strategie zur Integration der Roma vorgeschrieben ist.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Urging the authorities to urgently guarantee the right to adequate housing, sanitation, and health-care for the 75 Romani families forcibly evicted, in accordance with international human rights obligations by immediately offering them adequate alternative shelter.

  • Calling on the authorities to engage immediately in genuine consultation with the Romani families to identify long term adequate alternative housing as outlined in international and regional human rights law and standards and Italy’s National Strategy for Roma Inclusion.

Sachlage

Etwa 300 Roma wurden am 21. Juni aus dem Lager Masseria del Pozzo in der Gemeinde Giugliano in Campania vertrieben, wo sie fast drei Jahre lang gelebt hatten. Unter den Betroffenen befinden sich auch zahlreiche Kleinkinder. Die Justizbehörden hatten das Grundstück für unbewohnbar erklärt, die Beschlagnahmung durch die Behörden angeordnet und daraufhin die Roma-Gemeinschaft über die anstehende Räumung informiert. Den betroffenen Familien wurde jedoch lediglich mündlich mitgeteilt, dass sie auf das ehemalige Fabrikgelände umziehen sollen. Weitere Informationen wurden nicht bereitgestellt. Die lokalen Behörden kündigten die Räumung weder schriftlich an, noch führten sie eine wirkliche Konsultation mit der Gemeinschaft durch, um vor der Zwangsräumung alternative Möglichkeiten auszuloten.

Am 22. und 23. Juni sprach Amnesty International mit zahlreichen Betroffenen, die angaben, dass ihnen von Beamt_innen und Polizist_innen das ehemalige Fabrikgelände als einzige Umsiedlungsoption präsentiert wurde. Amnesty International traf sich am 23. Juni mit dem Bürgermeister von Giugliano in Campania. Er stritt ab, dass die Roma alternativlos auf das Fabrikgelände verwiesen worden seien, räumte aber gleichzeitig ein, dass die Gemeinde keine unmittelbaren Maßnahmen ergreifen werde, um das Recht der Roma auf angemessenen Wohnraum, angemessene Sanitäreinrichtungen und grundlegende Dienstleistungen zu gewährleisten, da das Gelände sich im Privatbesitz befinde.

Das ehemalige Fabrikgelände befindet sich im Industriegebiet von Giugliano in Campania und ist ein brachliegendes Grundstück, das zur Bewohnung gänzlich ungeeignet ist. Es gibt dort weder Unterkünfte noch einen Stromanschluss. Es steht nur eine Dusche und ein angeschlossenes WC zur Verfügung. Zwei weitere Mobiltoiletten sind mehr oder weniger unbenutzbar. Dies bedeutet, dass die Menschen dort gezwungen sind, ihr Geschäft im Freien zu verrichten. Es gibt nur vier gemeinschaftliche Wasseranschlüsse mit kaltem Wasser. Diejenigen, die einen Wohnwagen besaßen, durften diesen mitnehmen. Allerdings gibt es mindestens drei Familien, die nicht über einen Wohnwagen verfügen und nun obdachlos sind. Erwachsene und Kinder schlafen in Autos, im Freien oder in improvisierten Verschlägen. Einige der Betroffenen haben Hautkrankheiten und mindestens ein Mann benötigt dringend medizinische Versorgung.

Laut Angaben des Bürgermeisters hat die Gemeinde keine unmittelbaren Pläne, in Absprache mit der Roma-Gemeinschaft geeignete und angemessene Alternativunterkünfte zu finden. Vielmehr sollten die Familien auf dem Fabrikgelände bleiben, bis ein neues Lager für sie errichtet wird. Diese von den Behörden vorgelegten Pläne für ein neues abgeschiedenes Lager werden von Amnesty International und anderen NGOs heftig kritisiert, da sie Segregation statt Inklusion vorsehen.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Das Lager Masseria del Pozzo wurde 2013 von den lokalen Behörden zur vorübergehenden Unterbringung der Roma gebaut. Es liegt nahe einer Mülldeponie, die für die Verklappung giftiger Industrieabfälle genutzt wird. Die Justizbehörden ordneten im Oktober 2015 die Beschlagnahmung des Landes und die Umsiedlung der Bewohner_innen an, da das Grundstück aus hygienischen und strukturellen Gründen als unbewohnbar eingestuft wurde. Als im Februar 2016 die Schließung des Lagers beschlossen wurde, führten die Behörden keine wirkliche Konsultation mit den Bewohner_innen durch, um angemessene Alternativunterkünfte für die Gemeinschaft zu finden. Stattdessen wurde der Bau eines neuen abgeschiedenen Lagers mit 44 vorgefertigten Einheiten beschlossen, in das die Roma aus Masseria del Pozzo einziehen sollten. Amnesty International und andere NGOs verurteilten das Vorhaben in einer gemeinsamen Erklärung, da es eine weitere Segregation der Roma vorsieht: https://www.amnesty.org/download/Documents/EUR3035202016ENGLISH.pdf.

Am 14. Juni 2016 wurde den Roma-Familien von den Behörden und der Polizei mitgeteilt, dass die Zwangsräumung am 16. Juni stattfinden würde. Später wurde als Datum der 23. Juni angegeben. Letztlich wurde sie am 21. Juni vorgenommen. Die Bewohner_innen hatten keine schriftliche Benachrichtigung erhalten, sondern waren vielmehr lediglich unvollständig und mündlich von den Behörden informiert worden. Zudem fand keine wirkliche Konsultation mit den Familien statt, um alternative Möglichkeiten auszuloten.