Menschenrechtler geschlagen

Kuwait City

Kuwait City

Die einjährige Haftstrafe gegen 'Abdulhakim al-Fadhli, Angehöriger der Gemeinschaft der Bidun ("Staatenlose") und Menschenrechtsverteidiger, ist am 14. Juni ausgesetzt worden. Das Gericht wird den Fall am 22. September überprüfen und dann das Urteil bekanntgeben. 'Abdulhakim al-Fadhli befindet sich nach wie vor im Gefängnis, weil er wegen eines anderen Schuldspruchs eine dreimonatige Haftstrafe verbüßen muss. Während des Transports vom Gericht ins Zentralgefängnis von Kuwait wurde 'Abdulhakim al-Fadhli von Angehörigen der Polizei geschlagen.

Appell an

EMIR DES STAATES KUWAIT
His Highness
Sheikh Sabah al-Ahmad al-Jaber Al Sabah
Al Diwan Al Amiri, P.O. Box 1, al-Safat 13001, KUWAIT
(Anrede: Your Highness / Eure Hoheit)
Fax: (00 965) 2243 0559
E-Mail: amirsoffice@da.gov.kw

ERSTER STELLVERTRETENDER PREMIERMINISTER
His Excellency
Sheikh Mohammed Khaled Al-Hamad Al-Sabah
Ministry of the Interior, P.O. Box 12500
Shamiya 71655, KUWAIT
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 965) 2249 6570
E-Mail: info@moi.gov.kw

Sende eine Kopie an

VORSITZENDER DER PARLAMENTARISCHEN
MENSCHENRECHTSKOMMISSION
Parliamentary Human Rights Committee
National Assembly
P.O. Box 716, al-Safat 13008, KUWAIT
Fax: (00 965) 2243 6331
E-Mail: ipu-grp@kna.kw (Betreff: FAO Chairperson of the Parliamentary Human Rights Committee)

BOTSCHAFT DES STAATES KUWAIT
S. E. Herrn Monther Bader Sulaiman Aleissa
Griegstraße 5-7
14193 Berlin
Fax: 030-8973 0010
E-Mail: info@kuwait-botschaft.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 12. August 2016 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

LUFTPOSTBRIEFE, FAXE UND E-MAILS MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Lassen Sie bitte 'Abdulhakim al-Fadhli sofort und bedingungslos frei und stellen Sie sicher, dass seine Urteile aufgehoben werden, da 'Abdulhakim al-Fadhli ein gewaltloser politischer Gefangener ist, der sich allein wegen der friedlichen Wahrnehmung seiner Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit in Haft befindet.

  • Bitte leiten Sie sofort eine unparteiische und unabhängige Untersuchung zu den Vorwürfen ein, 'Abdulhakim al-Fadhli sei gefoltert und auf andere Weise misshandelt worden. Bitte stellen Sie sicher, dass im Falle hinreichender Beweise, strafrechtliche Ermittlungen und faire Verfahren gegen Personen eingeleitet werden, denen Folter und andere Misshandlungen zur Last gelegt werden.

  • Bitte sorgen Sie dafür, dass 'Abdulhakim al-Fadhli vor Folter und anderweitiger Misshandlung geschützt ist und sofort Zugang zu einem Rechtsbeistand seiner Wahl und zu seiner Familie sowie jegliche erforderliche medizinische Behandlung erhält.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Calling on Kuwaiti authorities to release immediately and unconditionally 'Abdulhakim al-Fadhli and quash his convictions and sentences as he is a prisoner of conscience, detained solely for peacefully exercising his right to freedom of expression and assembly.

  • Urging them to open a prompt, impartial and independent investigation into his allegations of torture and other ill-treatment, and, if there is sufficient admissible evidence, prosecute those suspected of responsibility in fair proceedings; and

  • Urging them to ensure that he is protected from torture and other ill-treatment and given prompt and regular access to his family and any medical attention he may require.

Sachlage

Am 14. Juni setzte das Kassationsgericht für Ordnungswidrigkeiten die gegen 'Abdulhakim al-Fadhli verhängte einjährige Gefängnisstrafe aus, die am 16. Mai vom Kassationsgericht bestätigt worden war. Im Rechtsmittelverfahren hatte der technische Ausschuss des Obersten Justizrats die strafrechtlichen Anklagen in Anklagen wegen Ordnungswidrigkeiten umgewandelt. Die Anklagen bezogen sich auf eine "illegale Versammlung" am 10. Dezember 2012 in Taima westlich von Kuwait-Stadt. Während er auf den Transport vom Gericht zurück ins Gefängnis wartete, wurde 'Abdulhakim al-Fadhli von drei Polizisten geschlagen und an der linken Stirnseite verletzt. Er reichte Beschwerde bei der Gefängnisverwaltung ein und wurde am darauffolgenden Tag von einem Arzt untersucht. Das Gericht wird den Fall von 'Abdulhakim al-Fadhli überprüfen und am 22. September ein Urteil bekannt geben.

Das Gericht hat zwar die einjährige Haftstrafe ausgesetzt, aber nicht die sofortige Freilassung von 'Abdulhakim al-Fadhli veranlasst, weil er derzeit eine dreimonatige Gefängnisstrafe verbüßt, die ein Gericht der ersten Instanz in einem anderen Verfahren gegen ihn verhängt hatte. 'Abdulhakim al-Fadhli war am 15. März in Abwesenheit wegen missbräuchlicher Nutzung seines Smartphones im Zusammenhang mit Social-Media-Apps zu drei Monaten Haft verurteilt worden. Das Gericht wies jedoch andere Anklagen zurück, darunter die Teilnahme an einer illegalen Demonstration, Anstiftung zur Teilnahme an einer Demonstration und tätlicher Angriff von Sicherheitsleuten während einer Demonstration. Es ist bislang nicht bekannt, ob er die gesamte Strafe verbüßen muss oder ob bereits in Haft verbrachte Zeit angerechnet wird. Im letzteren Fall könnte er am 2. August aus der Haft entlassen werden.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Es leben derzeit mehr als 100.000 Bidun in Kuwait. Viele von ihnen sind in Kuwait geboren und gehören Familien an, die dort bereits seit vielen Generationen leben. Trotz 2015 angekündigter Reformen sind Angehörige der Gemeinschaft der Bidun gegenüber kuwaitischen Staatsbürger_innen weiterhin schwerwiegenden Einschränkungen hinsichtlich des Zugangs zu Arbeitsplätzen, Gesundheitsleistungen, Bildung und staatlicher Unterstützung ausgesetzt. Gegen Demonstrationen der Bidun, bei denen sie ihre Rechte einfordern, wird häufig mit Gewalt und Unterdrückung vorgegangen. Weitere Informationen hierzu finden Sie in dem englischen Bericht: "The 'Withouts’ of Kuwait: Nationality for stateless Bidun" unter http://amnesty.org/en/library/info/MDE17/001/2013/en/.

Bis 1986 waren die Bidun in ihrem Status kuwaitischen Staatsangehörigen gleichgestellt. Seitdem ist es Tausenden Bidun jedoch nicht möglich, staatliche Dienstleistungen wahrzunehmen, für die man kuwaitische Ausweisdokumente benötigt, weil sie nur über vorläufige Papiere verfügen, deren Erneuerung im Ermessen der kuwaitischen Behörden liegt. Tausende weitere Bidun verfügen über gar keine Ausweispapiere und sind oftmals auf Almosen angewiesen, um überleben zu können. Der Einbürgerungsprozess, für den eine Regierungsbehörde zuständig ist, die den Status "illegaler" Einwohner_innen klären soll, ist undurchsichtig und basiert auf sich ändernden Kriterien. Die Behörde bewertet Fälle und spricht Empfehlungen an einen Ausschuss aus, der letztendlich darüber entscheidet, ob den Betroffenen die Staatsbürgerschaft zugesprochen wird.

Aufgrund der Diskriminierung, die sie erfahren, akzeptieren Angehörige der Gemeinschaft der Bidun, die im öffentlichen Sektor arbeiten dürfen, häufig niedrigere Löhne und schlechtere Arbeitsbedingungen als kuwaitische Staatsbürger_innen. Bidun zahlen zudem oftmals mehr für grundlegende medizinische Behandlungen, da sie diese nicht in staatlichen Einrichtungen wahrnehmen können. Obwohl es einen staatlichen Bildungsfonds gibt, der auch Bidun-Familien zugänglich ist, müssen Angehörige der Gemeinschaft der Bidun ihre Kinder zum Teil auf kostenpflichtige Schulen schicken, da sie größtenteils von kostenfreien staatlichen Schulen ausgeschlossen werden. Im April 2011 sagte die Regierung zu, die Rechte der Bidun stärken zu wollen. Bisher ist es jedoch bei Versprechungen geblieben. In der Folge wird Zehntausenden Bidun noch immer das Recht auf eine Staatsangehörigkeit verwehrt, das in internationalen Menschenrechtsnormen festgeschrieben ist.

Von den Protesten inspiriert, die 2011 im Nahen und Mittleren Osten sowie in Nordafrika ausbrachen, begann die Bidun-Gemeinschaft im Februar 2011 mit friedlichen Demonstrationen, um die kuwaitische Staatsangehörigkeit zu fordern. Die Sicherheitskräfte lösten die Kundgebungen gewaltsam auf und nahmen zahlreiche Protestierende fest. Einige von ihnen wurden wegen ihrer Teilnahme an den Demonstrationen angeklagt.

Der Premierminister von Kuwait sicherte Amnesty International am 18. Oktober 2012 zu, dass die Regierung 34.000 Bidun als kuwaitische Staatsangehörige anerkennen und die übrigen Fälle innerhalb von fünf Jahren bearbeiten werde.

Im November 2014 hat Kuwait bekannt gegeben, dass Zehntausende Bidun die Möglichkeit haben könnten, eine "wirtschaftliche Staatsbürgerschaft" der Komoren zu erhalten. Auf der Grundlage dieser Regelung könnten die Bidun dann als ausländischen Staatsangehörige in Kuwait verbleiben (s. www.amnesty.org/en/latest/news/2014/11/kuwait-playing-games-lives-more-…). Am 16. Mai 2016 haben die Behörden der Komoren ihre Bereitschaft erklärt, Tausende Bidun aus Kuwait aufzunehmen, wenn dieses Thema von amtlicher Seite behandelt werde.