Urteil gegen Menschenrechtler bestätigt

Kuwait City

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Das Urteil gegen 'Abdulhakim al-Fadhli, Angehöriger der Gemeinschaft der Bidun ("Staatenlose") und Menschenrechtsverteidiger, ist am 16. Mai vom Kassationsgericht bestätigt worden. Er war im Januar 2015 zu einem Jahr Haft und einem anschließenden Landesverweis verurteilt worden. Seit seiner Festnahme am 18. April befindet er sich im Hungerstreik.

Appell an

EMIR DES STAATES KUWAIT
His Highness
Sheikh Sabah al-Ahmad al-Jaber Al Sabah
Al Diwan Al Amiri, P.O. Box 1, al-Safat 13001, KUWAIT
(Anrede: Your Highness / Eure Hoheit)
Fax: (00 965) 2243 0559
E-Mail: amirsoffice@da.gov.kw

ERSTER STELLVERTRETENDER PREMIERMINISTER
His Excellency
Sheikh Mohammed Khaled Al-Hamad Al-Sabah
Ministry of the Interior, P.O. Box 12500
Shamiya 71655, KUWAIT
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 965) 2249 6570
E-Mail: info@moi.gov.kw

Sende eine Kopie an

VORSITZENDER DER PARLAMENTARISCHEN
MENSCHENRECHTSKOMMISSION
Parliamentary Human Rights Committee
National Assembly
P.O. Box 716, al-Safat 13008, KUWAIT
Fax: (00 965) 2243 6331
E-Mail: ipu-grp@kna.kw (Betreff: FAO Chairperson of the Parliamentary Human Rights Committee)

BOTSCHAFT DES STAATES KUWAIT
S. E. Herrn Monther Bader Sulaiman Aleissa
Griegstraße 5-7
14193 Berlin
Fax: 030-8973 0010
E-Mail: info@kuwait-botschaft.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 30. Juni 2016 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

LUFTPOSTBRIEFE, FAXE UND E-MAILS MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Lassen Sie bitte 'Abdulhakim al-Fadhli sofort und bedingungslos frei und stellen Sie sicher, dass das Urteil aufgehoben wird, da 'Abdulhakim al-Fadhli ein gewaltloser politischer Gefangener ist, der sich allein wegen der friedlichen Wahrnehmung seiner Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit in Haft befindet.

  • Bitte sorgen Sie dafür, dass 'Abdulhakim al-Fadhli vor Folter und anderweitiger Misshandlung geschützt ist und sofort Zugang zu einem Rechtsbeistand seiner Wahl und zu seiner Familie sowie jegliche erforderliche medizinische Behandlung erhält.

  • Bitte leiten Sie sofort eine unparteiische und unabhängige Untersuchung zu den Vorwürfen ein, 'Abdulhakim al-Fadhli sei gefoltert worden. Ziel der Untersuchungen sollte es sein, Personen, denen in diesem Zusammenhang als Straftat anerkannte Handlungen vorgeworfen werden, in Verfahren vor Gericht zu stellen, die internationalen Standards für faire Verfahren entsprechen.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Calling on Kuwaiti authorities to release immediately and unconditionally 'Abdulhakim al-Fadhli and quash his conviction and sentence as he is a prisoner of conscience, detained solely for peacefully exercising his right to freedom of expression and assembly;

  • Ensure that he is protected from torture and other ill-treatment and given prompt and regular access to his family and any medical attention he may require;

  • Urging the authorities to open a prompt, impartial and independent investigation into his allegations of torture and other ill-treatment, and, if there is sufficient admissible evidence, prosecute those responsible in fair proceedings.

Sachlage

Am 16. Mai bestätigte das Kassationsgericht von Kuwait die Verurteilung von 'Abdulhakim al-Fadhli zu einem Jahr Haft und einem anschließenden Landesverweis. Ein erstinstanzliches Gericht hatte ihn am 29. Januar 2015 wegen Straftaten, die die öffentliche Sicherheit gefährden, verurteilt. Grund dafür war seine Teilnahme an einer "illegalen Versammlung" am 10. Dezember 2012 in Taima im Westen von Kuwait-Stadt. Mit dieser Zusammenkunft war der Menschenrechtstag begangen worden, bei dem die kuwaitische Regierung aufgefordert wurde, Angehörigen der Bidun-Gemeinschaft die kuwaitische Staatsangehörigkeit zuzusprechen. Das Gericht ging nicht auf die Vorwürfe von 'Abdulhakim al-Fadhli ein, er sei während seines Verhörs gefoltert worden. Am 20. Februar 2016 bestätigte ein Berufungsgericht das gegen Abdulhakim al-Fadhli verhängte Urteil.

Kuwaitische Sicherheitskräfte nahmen 'Abdulhakim al-Fadhli am Abend des 18. April fest, als er an einer friedlichen privaten Versammlung vor dem Wohnhaus des ehemaligen Parlamentsmitglieds und gewaltlosen politischen Gefangenen Musallam Al Barrak teilnahm. 'Abdulhakim al-Fadhli befindet sich im Zentralgefängnis von Kuwait, einem Hochsicherheitsgefängnis. Der Menschenrechtsverteidiger ist direkt nach seiner Festnahme in den Hungerstreik getreten, um gegen seine Inhaftierung zu protestieren. Er wird drei Mal täglich von einem Arzt untersucht und darf regelmäßig Telefongespräche führen. Seine Familie kann jedoch keinen Besuchsantrag stellen, weil ihre Ausweispapiere von einer Regierungsbehörde konfisziert wurden.

'Abdulhakim al-Fadhli ist seit Beginn der Proteste der Bidun-Gemeinschaft im Februar 2011 bereits mehrfach festgenommen worden. Am 24. Februar 2014 wurde er festgenommen und drei Monate lang im Zentralgefängnis von Kuwait inhaftiert. Er gab Amnesty International gegenüber an, dass man ihn direkt nach seiner Festnahme vier Stunden lang geschlagen und mit Vergewaltigung bedroht habe. Man verhörte ihn, ohne dass ein Rechtsbeistand anwesend war. Er meldete bei einem Ermittlungsbeamten zudem, dass er von der Polizei mit Folter dazu gezwungen worden war, ein "Geständnis" zu unterschreiben

Hintergrundinformation

Hintergrund

Es leben derzeit mehr als 100.000 Bidun in Kuwait. Viele von ihnen sind in Kuwait geboren und gehören Familien an, die dort bereits seit vielen Generationen leben. Trotz 2015 angekündigter Reformen sind Angehörige der Gemeinschaft der Bidun gegenüber kuwaitischen Staatsbürger_innen weiterhin schwerwiegenden Einschränkungen hinsichtlich des Zugangs zu Arbeitsplätzen, Gesundheitsleistungen, Bildung und staatlicher Unterstützung ausgesetzt. Gegen Demonstrationen der Bidun, bei denen sie ihre Rechte einfordern, wird häufig mit Gewalt und Unterdrückung vorgegangen. Weitere Informationen hierzu finden Sie auf Englisch unter http://amnesty.org/en/library/info/MDE17/001/2013/en/.

Bis 1986 waren die Bidun in ihrem Status kuwaitischen Staatsangehörigen gleichgestellt. Seitdem ist es Tausenden Bidun jedoch nicht möglich, staatliche Dienstleistungen wahrzunehmen, für die man kuwaitische Ausweisdokumente benötigt, weil sie nur über vorläufige Papiere verfügen, deren Erneuerung im Ermessen der kuwaitischen Behörden liegt. Tausende weitere Bidun verfügen über gar keine Ausweispapiere und sind oftmals auf Almosen angewiesen, um überleben zu können. Der Einbürgerungsprozess, für den eine Regierungsbehörde zuständig ist, die den Status "illegaler" Einwohner_innen klären soll, ist undurchsichtig und basiert auf sich ändernden Kriterien. Die Behörde bewertet Fälle und spricht Empfehlungen an einen Ausschuss aus, der letztendlich darüber entscheidet, ob den Betroffenen die Staatsbürgerschaft zugesprochen wird.

Aufgrund der Diskriminierung, die sie erfahren, akzeptieren Angehörige der Gemeinschaft der Bidun, die im öffentlichen Sektor arbeiten dürfen, häufig niedrigere Löhne und schlechtere Arbeitsbedingungen als kuwaitische Staatsbürger_innen. Bidun zahlen zudem oftmals mehr für grundlegende medizinische Behandlungen, da sie diese nicht in staatlichen Einrichtungen wahrnehmen können. Obwohl es einen staatlichen Bildungsfonds gibt, der auch Bidun-Familien zugänglich ist, müssen Angehörige der Gemeinschaft der Bidun ihre Kinder zum Teil auf kostenpflichtige Schulen schicken, da sie größtenteils von kostenfreien staatlichen Schulen ausgeschlossen werden. Im April 2011 sagte die Regierung zu, die Rechte der Bidun stärken zu wollen. Bisher ist es jedoch bei Versprechungen geblieben. In der Folge wird Zehntausenden Bidun noch immer das Recht auf eine Staatsangehörigkeit verwehrt, das in internationalen Menschenrechtsnormen festgeschrieben ist.

Von den Protesten inspiriert, die 2011 im Nahen und Mittleren Osten sowie in Nordafrika ausbrachen, begann die Bidun-Gemeinschaft im Februar 2011 mit friedlichen Demonstrationen, um die kuwaitische Staatsangehörigkeit zu fordern. Die Sicherheitskräfte lösten die Kundgebungen gewaltsam auf und nahmen zahlreiche Protestierende fest. Einige von ihnen wurden wegen ihrer Teilnahme an den Demonstrationen angeklagt.

Der Premierminister von Kuwait sicherte Amnesty International am 18. Oktober 2012 zu, dass die Regierung 34.000 Bidun als kuwaitische Staatsangehörige anerkennen und die übrigen Fälle innerhalb von fünf Jahren bearbeiten werde.

Im November 2014 hat Kuwait bekannt gegeben, dass Zehntausende Bidun die Möglichkeit haben könnten, eine "wirtschaftliche Staatsbürgerschaft" der Komoren zu erhalten. Auf der Grundlage dieser Regelung könnten die Bidun dann als ausländischen Staatsangehörige in Kuwait verbleiben (s. www.amnesty.org/en/latest/news/2014/11/kuwait-playing-games-lives-more-…). Am 16. Mai haben die Behörden der Komoren ihre Bereitschaft erklärt, Tausende Bidun aus Kuwait aufzunehmen, wenn dieses Thema von amtlicher Seite behandelt werde.