Schülerin droht Abschiebung

Portätfoto von Taibeh Abbasi und ihrem Bruder Ehsan an einem Brückgeländer vor einem Gewässer

Taibeh Abbasi mit ihrem Bruder Ehsan

Die 18-jährige Schülerin Taibeh Abbasi befindet sich in unmittelbarer Gefahr, nach Afghanistan abgeschoben zu werden – in ein Land, in dem sie noch nie war. Trotz des Anstiegs der zivilen Opfer in Afghanistan erklärte Norwegen, dass Rückführungen nach Kabul sicher seien. Sollte Taibeh Abbasi in das kriegszerrüttete Afghanistan abgeschoben werden, drohen ihr dort Menschenrechtsverletzungen.

Appell an

Immigration Appeals Board

Utlendingsnemnda, Postboks 8165 dep.

0034 Oslo

NORWEGEN

Sende eine Kopie an

Botschaft des Königreichs Norwegen

S. E. Herr Petter Ølberg

Rauchstr. 1

10787 Berlin


Fax: 030-50 50 58 601

Amnesty fordert:

  • Bitte stoppen Sie unverzüglich die Abschiebung von Taibeh Abbasi und ihren Familienangehörigen nach Afghanistan.
  • Setzen Sie außerdem sämtliche Abschiebungen nach Afghanistan aus, bis die Sicherheitslage im Land solche zulassen würde.

Sachlage

Die 18-jährige Schülerin Taibeh Abbasi, ihre Mutter und ihre zwei Brüder befinden sich in unmittelbarer Gefahr, aus Norwegen nach Afghanistan abgeschoben zu werden. Der Oberste Gerichtshof hatte am 30. November 2017 die von der Familie eingelegten Rechtsmittel gegen die zuvor erfolgte Aberkennung ihres Flüchtlingsstatus abgewiesen. Daraufhin reichte der Rechtbeistand der Familie bei der Beschwerdestelle für Einwanderungsfragen eine Petition für eine Rücknahme dieser Entscheidung ein. Falls auch die Petition abgewiesen wird – was jeden Moment passieren kann –, sollen Taibeh Abbasi und ihre Angehörigen sofort nach Afghanistan abgeschoben werden, wo sie sich in unmittelbarer Gefahr befänden.

Taibeh Abbasi wurde im Iran geboren. Ihre Eltern kommen aus Afghanistan und gehören der Hazara-Minderheit an. Von dort waren sie 1998 während des Taliban-Regimes geflohen. Aufgrund von Diskriminierungserfahrungen, die die Familie auch im Iran machen musste, floh sie im Sommer 2012 weiter nach Norwegen. Seitdem lebt sie im zentralnorwegischen Trondheim, wo Taibeh Abbasi und ihre Brüder auch zur Schule gehen und sich zuhause fühlen. Taibeh Abbasi und ihrer Familie wurde im September 2012 der Flüchtlingsstatus zuerkannt. Doch am 25. März 2014 entzog ihnen der Direktor der Zuwanderungsbehörde diesen Status wieder. Die Nachweise, die eine Furcht vor Verfolgung in Afghanistan begründeten, seien unzureichend und Rückführungen nach Kabul seien sicher. Die von der Familie bei der Beschwerdestelle für Einwanderungsfragen eingelegten Rechtsmittel wurden am 14. Oktober 2017 abgewiesen, dasselbe gilt für die Rechtsmittel, die sie daraufhin bei verschiedenen norwegischen Gerichten einreichte – wie zuletzt vom eingangs bereits erwähnten Obersten Gerichtshof. Die norwegischen Einwanderungsbehörden halten daran fest, dass Kabul eine sichere inländische Fluchtalternative für Taibeh Abbasi und ihre Familie sei. Doch mit Blick auf die zivilen Opfer ist Kabul derzeit die gefährlichste Provinz in ganz Afghanistan. Die Sicherheitslage im Land verschlechtert sich zusehends und keine der afghanischen Provinzen kann als sicher gelten. Eine ganze Reihe bewaffneter Gruppen kämpft dort um die Kontrolle verschiedener Gebiete. Im Falle einer Abschiebung wären Taibeh Abbasi und ihre Familie in Gefahr, Menschenrechtsverletzungen zu erleiden.

"In Kabul gibt es für mich und meine Brüder keine Zukunft", erklärte Taibeh Abbasi. Und weiter: "Wir werden Diskriminierungen ausgesetzt sein und am eigenen Leib spüren, was es bedeutet, zu einer gefährdeten Minderheit zu gehören. Ich als Mädchen bin besonders gefährdet. Meine Träume von einem Studium und einer beruflichen Laufbahn werden sich in Luft auflösen."

In Norwegen leben viele Menschen aus Afghanistan in der Gefahr, in das kriegszerrüttete Land abgeschoben zu werden, obwohl diese Abschiebungen nach dem Völkerrecht rechtswidrig sind. Der bindende internationale Rechtsgrundsatz der Nicht-Zurückweisung (Non-Refoulement) untersagt die Überstellung von Personen in Staaten oder Territorien, in denen ihnen schwere Menschenrechtsverletzungen drohen. Die Abschiebungen nach Afghanistan, wo mit zunehmender Eskalation der Gewalt Verfolgung und andere Gefahren drohen, ist ein Verstoß gegen das Völkerrecht.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Afghanistan is currently gripped by a non-international armed conflict between what are known as "Anti-Government Elements" and pro-government forces. Among the Anti-Government Elements are the Taliban and the group calling itself the Islamic State, but more than 20 armed groups are operating inside the country. The United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) reported that 2016 was the deadliest year on record for civilians in Afghanistan, with 11,418 people killed or injured. According to the UN, conflict-related insecurity and violence inflicted severe harm on civilians, especially women and children.

The deterioration of the security situation has persisted into 2017. Between 1 January and 30 June 2017, UNAMA documented 5,243 civilian casualties. Most were injured by the Anti-Government Elements, using improvised explosive devices such as suicide bombs. In terms of civilian casualties, Kabul is the most dangerous province in Afghanistan, although people are at risk across the country. The conflict is volatile and involves multiple groups that are constantly seeking to gain or regain territory, and whose actions can be unpredictable.

Many people in the country are also at particular risk of persecution across the country, regardless of whether the area is under the effective control of Pro-Government Forces or Anti-Government Elements. In areas under the control of the government, state agents routinely perpetrate human rights violations. Pro-government armed groups are responsible for abuses such as deliberate killings, assault, extortion and intimidation. In regions in which Anti-Government Elements are in control, human rights violations are widespread. These include extrajudicial executions, torture and ill-treatment, as well as denials of the rights to free movement, freedom of expression, political participation, and access to education and the right to health care. Moreover, both sides of the conflict perpetrate human rights violations in areas outside their respective control.

But even though violence is on the rise, European countries are forcing increasing numbers of people to go to Afghanistan – including almost 10,000 people in 2016. Norway is one of the European countries that returns the most Afghans. According to Eurostat, 760 people were returned in 2016 and 172 in the first half of 2017. Amnesty International has documented harrowing cases of Afghans who have been returned from European countries only to be killed, injured in bomb attacks, or left to live in constant fear of persecution.

To effect these returns, Norway, together with other European governments, have arbitrarily called some areas of "Afghanistan" safe, relying on the idea of an "Internal Flight Alternative". In other words, the authorities recognize that the person’s province of origin is dangerous but expect them to live elsewhere in the country. Norway considers that Kabul can constitute an internal flight alternative, but Kabul province continues to be the site of the highest number of civilian casualties and as such there is no credible internal flight alternative in Afghanistan.