Gewerkschaftsmitglieder weiter unter Anklage

Diese Urgent Action ist beendet.

Am 2. Oktober wurde das Verfahren gegen fünf Aktivist_innen, die wegen "nicht genehmigter Versammlung" angeklagt waren, von einem Gericht in Ipoh eingestellt. Sie wurden entlastet, aber nicht freigesprochen. Die fünf waren angeklagt, weil sie im Juni 2020 an der friedlichen Protestveranstaltung einer Gewerkschaft von Krankenhausreinigungskräften gegen ein Reinigungsunternehmen teilgenommen hatten. Der Protest richtete sich gegen die unfaire Behandlung von Gewerkschaftsmitgliedern und die unzureichende Versorgung mit Schutzausrüstung für Reinigungskräfte im Krankenhaus.

Poster mit Aufschrift "Workers Rights=Human Rights"

Fünf Aktivist_innen stehen weiterhin unter Anklage, nachdem sie im Juni 2020 an einer friedlichen Protestveranstaltung gegen ein Subunternehmen, das Reinigungskräfte für Krankenhäuser bereitstellt, teilgenommen hatten. Auf der Veranstaltung wurden die mutmaßlich unfaire Behandlung von Gewerkschaftsmitgliedern und die unzureichende Versorgung mit Schutzausrüstung für Krankenhausreinigungskräfte angeprangert. Die malaysische Polizei inhaftierte fünf Aktivist_innen und legte ihnen die Teilnahme an einer "nicht genehmigten Versammlung" zur Last. Niemand darf allein wegen einer friedlichen Versammlung strafrechtlich verfolgt werden; dies ist ein zentraler Bestandteil der Rechte auf Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit.

Appell an

Generalstaatsanwalt

Tan Sri Dato’ Sri Idrus Harun

Attorney General of Malaysia

Attorney General’s Chambers

No. 45, Persiaran Perdana, Presint 4

62100 Putrajaya

MALAYSIA

Sende eine Kopie an

Botschaft von Malaysia

I. E. Frau Sarah Nava Rani

Klingelhöferstr. 6

10785 Berlin


Fax: 030-88 57 749 50


E-Mail: mwberlin@malemb.de oder info@malemb.de oder
                                             consular@malemb.de

Amnesty fordert:

  • Lassen Sie alle Anklagen gegen M. Sarasvathy, L. Danaletchumy V. Santhiran, P. Jothi und C Subramaniam Raja fallen, da die Anklagen entweder dem Völkerrecht widersprechen oder Strafen nach sich ziehen, die für die Betroffenen unverhältnismäßig sind.
  • Untersuchen Sie bitte die Vorwürfe gegen das Subunternehmen, darunter die Einschüchterung von Gewerkschaftsmitgliedern, und sorgen Sie dafür, dass die Arbeitsrechte geschützt und umgesetzt werden, insbesondere die angemessene Versorgung aller Krankenhausarbeiter_innen mit der nötigen persönlichen Schutzausrüstung.

 

Sachlage

Am 2. Juni beteiligten sich M. Sarasvathy, L. Danaletchumy, V. Santhiran, P. Jothi und C Subramaniam Raja an einer friedlichen Protestveranstaltung gegen die schlechte Behandlung von Krankenhausreinigungskräften durch ein Subunternehmen. Bei den angeprangerten Missständen handelt es sich um: unzureichende Versorgung mit der für COVID-19 benötigten Schutzausrüstung, Einschüchterung von Gewerkschaftsmitgliedern, Aufhebung eines mit einem früheren Subunternehmer ausgehandelten Tarifvertrags, Verweigerung einer jährlichen Lohnerhöhung, die Reduzierung der bezahlten Urlaubstage sowie keine erhöhte Anzahl an Krankheits-und Urlaubstagen entsprechend der Dienstjahre. Das Unternehmen streitet die Vorwürfe ab.

An der Protestveranstaltung nahmen weniger als 20 Personen teil. Alle Beteiligten hielten die angemessene Distanz zueinander ein, trugen Schutzmasken und ließen ihre Körpertemperatur messen. Trotzdem wurde die Veranstaltung von der Polizei aufgelöst, die Aktivist_innen wurden abgeführt und über Nacht in Gewahrsam gehalten. Vor Gericht erschienen sie mit Ketten gefesselt, was eine Form der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung darstellt, die Folter gleichkommen könnte. M. Sarasvathy, L. Danaletchumy V. Santhiran, P. Jothi und C Subramaniam Raja bekundeten zudem, dass die Polizei sie während der Festnahme und in Haft misshandelt habe. Sie seien verbal schikaniert worden, hätten sich bei offener Türe umziehen müssen und hätten kein Wasser für ihre persönlichen Medikamente erhalten.

Den fünf Protestierenden droht eine Haftstrafe von bis zu sechs Monaten bzw. eine Geldstrafe von jeweils bis zu 1.000 Malaysischen Ringgit (gut 200 Euro) – oder beides. Ihnen wird vorgeworfen, wegen der Teilnahme an einer Massenveranstaltung gegen das neue Gesetz zur Verhinderung und Kontrolle von Infektionskrankheiten (Prevention and Control of Infectious Diseases [Measures within the Infected Local Areas] Regulations 2020) verstoßen zu haben. Diese Geldstrafe ist besonders unverhältnismäßig, weil die Betroffenen eben erst gegen schlechte Lohnzahlungen protestiert hatten.

Friedliche Protestveranstaltungen stellen einen zentralen Bestandteil der Rechte auf Vereinigungs- und Versammlungsrechte dar. Beschäftigte im Gesundheitswesen sind insbesondere während der COVID-19-Pandemie das Rückgrat der Gesellschaft und dürfen nicht bestraft werden, weil sie sich für bessere Arbeitsbedingungen einsetzen.

Während des letzten Gerichttermins am 28. August 2020 teilte das Gericht mit, dass am 18. September darüber entschieden wird, ob die Anklagen fallengelassen oder strafrechtlich weiterverfolgt werden.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Die Reinigungskräfte in malaysischen Krankenhäusern sind bei privaten Subunternehmen angestellt, die wiederum von einer mit staatlichen Geldern ausgestatteten Agentur mit der Bereitstellung von Arbeitskräften betraut werden. Als Vertragsarbeiter_innen erhalten Reinigungskräfte oft nur den Mindestlohn von 1.200 Malaysischen Ringgit (rund 243 Euro) und haben keinen Anspruch auf jährliche Gehaltserhöhungen und andere Leistungen wie z. B. mehr als elf bezahlte Feiertage, Jahresurlaub, Zuschüsse oder Abfindungen bei Personalkürzungen. Außerdem sind sie wegen ständig wechselnder Vertragspartner dauernder Unsicherheit ausgesetzt. Neue Subunternehmen können Leistungen revidieren und kürzen. Die Anzahl Dienstjahre des Personals wird dabei nicht immer berücksichtigt.

Im Jahr 2016 brachte eine Gruppe Krankenhausreinigungskräfte im Norden des Landes die Gewerkschaft für Krankenhausarbeiter_innen NUWHSAS zurück an den Verhandlungstisch, um einen Tarifvertrag auszuhandeln, der 43 Forderungen enthielt, darunter auch höhere Einstiegsgehälter und eine jährliche Gehaltserhöhung. NUWHSAS berichtet, im Oktober 2019 einen neuen Tarifvertrag mit 38 Forderungen abgeschlossen zu haben, in dem die Arbeitsbedingungen für vertragliche Reinigungskräfte festgelegt waren. Doch bevor der Vertrag im Januar 2020 in Kraft treten konnte, wurde ein anderes Subunternehmen mit der Bereitstellung von Reinigungskräften betraut. Das Unternehmen ist börsennotiert, steht der Regierung nahe und befindet sich im Besitz des malaysischen Staatsfonds. Medienberichten zufolge weigert sich dieses Unternehmen, die Gewerkschaft anzuerkennen, was den Tarifvertrag ungültig macht. Das Unternehmen hat sich bisher lediglich dahingehend geäußert, dass derzeit ein Arbeitskonflikt unter dem Gesetz über Arbeitsbeziehungen (Paragraf 18) geführt wird. Die entsprechenden Gerichtsverfahren sind jedoch aufgrund der COVID-19-Pandemie vertagt worden.

Laut Angaben der Gewerkschaft NUWHSAS hatten Reinigungskräfte zu Anfang des Ausbruchs der COVID-19-Pandemie für die Reinigung von einschlägigen Krankenhaustrakten und -einrichtungen keine angemessene persönliche Schutzausrüstung erhalten. Edgenta UEMS hat lediglich eine unzureichende Menge an Masken und Handschuhen bereitgestellt. Die Gewerkschaft wirft Edgenta UEMS zudem vor, gewerkschaftlich aktive Arbeitskräfte durch die folgenden Maßnahmen besonders ins Visier zu nehmen:

  • Änderung der Arbeitszeiten und Schichten von gewerkschaftlich organisierten Arbeitskräften
  • Willkürliche Verlegung von Gewerkschaftsmitgliedern in weit entfernte Krankenhäuser
  • Verbot von gewerkschaftsbezogenen Diskussionen zwischen Betriebsräten und Arbeiter_innen, selbst in den Pausen
  • Verweigerung von Überstunden für Gewerkschaftsmitglieder zur Aufbesserung der Gehälter
  • Einschüchterung und Androhung von Disziplinarmaßnahmen gegen Gewerkschaftsmitglieder.

Am 3. Juni veröffentlichte das Unternehmen eine Stellungnahme, in dem die Vorwürfe der Gewerkschaft zurückgewiesen wurden, darunter die Änderung von Arbeitszeiten und Schichten, die willkürliche Verlegung in weit entfernte Krankenhäuser, das Verbot von Gewerkschaftsaktivitäten, die verbale Schikane sowie die Verweigerung von persönlicher Schutzausrüstung, Gehaltserhöhungen und bezahltem Jahresurlaub. Die Rechtsbeistände der Gewerkschaft halten jedoch an den Vorwürfen fest.

Am 19. Juni stritt Edgenta UEMS gegenüber Amnesty International Malaysia diese Vorwürfe erneut schriftlich ab. Das Unternehmen gibt an, seit dem Vorfall mehrere Maßnahmen ergriffen zu haben. Hierzu zählen laut Angaben der Firma: Schaffung einer internen Taskforce zur Prüfung der Vorwürfe der Gewerkschaft; Besuche in einigen Krankenhäusern im Norden der Malaiischen Halbinsel, bei denen Kontrollen der persönlichen Schutzausrüstung vorgenommen und Gespräche mit Arbeiter_innen geführt wurden; sowie die Einrichtung von PrihatinLine, einem Online-Kanal für Arbeiter_innen zur Kommunikation von Feedback und Kritik an die Führungsebene und die neue Taskforce. Laut der Gewerkschaft hätten sich Angehörige des Unternehmens seit der Einführung der Maßnahmen zwar einzeln mit Reinigungskräften getroffen, verweigern aber weiterhin eine Unterredung mit der Gewerkschaft.

Zuvor war laut Gewerkschaftsangaben den Arbeiter_innen desselben Unternehmens am 26. März im Teluk-Intan-Krankenhaus ein COVID-19-Test vorenthalten worden, obwohl 39 Krankenhausangestellte positiv getestet worden waren. Aussagen der Gewerkschaft zufolge argumentierte das Unternehmen, dass die Reinigungskräfte nicht ersetzt werden könnten, wenn sie im Fall eines positiven Testergebnisses ausfallen würden. Am 27. März ordnete das Gesundheitsministerium COVID-19-Tests für alle Arbeiter_innen des Krankenhauses an.