Chile: Richtungsweisende Anklage gegen Polizei-Führungskräfte

Diese Urgent Action ist beendet.

Am 3. Januar erhob die Regionale Staatsanwaltschaft in Santiago de Chile Anklage gegen drei derzeitige bzw. ehemalige hochrangige Kommandanten der Polizei. Sie will die drei Polizeikräfte wegen ihrer mutmaßlichen Rolle bei der Unterdrückung der Massenproteste Ende 2019 zur Rechenschaft ziehen. Nach der Anhörung durch die Anklage wird ein Prozess gegen diejenigen erwartet, die für das Leid Tausender Menschen verantwortlich sind. Dabei müssen sämtliche Garantien für ein ordnungsgemäßes Verfahren und einen fairen Prozess eingehalten werden, um das Recht der Opfer auf Wahrheit, Gerechtigkeit, Wiedergutmachung und Nichtwiederholung in vollem Umfang zu gewährleisten. 

Eine Frau steht vor einer Gruppe von Polizisten mit Helmen und hält ein Tuch in die Höhe, um sich vor spritzendem Wasser zu schützen.

Polizeieinsatz mit Wasserwerfern bei einer Demonstration in Santiago de Chile (Archivaufnahme)

Sachlage

Amnesty International begrüßt die Anklageerhebung gegen drei derzeitige bzw. ehemalige hochrangige Kommandanten der Polizei (Carabineros de Chile), die sich wegen ihrer mutmaßlichen Rolle bei der Unterdrückung der Massenproteste Ende 2019 verantworten müssen.

Am 18. Oktober 2019 brachen in Chile soziale Unruhen aus. Seitens der Sicherheitskräfte kam es zu zahllosen Menschenrechtsverletzungen, Hunderte verloren ihr Augenlicht durch Schüsse der Carabineros. Im Jahr 2020 veröffentlichte Amnesty International nach einem Jahr Recherche den englischsprachigen Bericht Eyes on Chile: Command responsibility and police violence during the period of social unrest. Darin kam die Organisation zu dem Schluss, dass sowohl Fallstudien als auch Augenzeugenberichte darauf hindeuten, dass die wiederholte unnötige und unverhältnismäßige Anwendung von Gewalt eine gezielte polizeiliche Maßnahme war und keine isolierte Verfehlung einzelner Beamt*innen, die Befehle ihrer Vorgesetzten missachteten. Deshalb hat die Menschenrechtsorganisation die chilenische Generalstaatsanwaltschaft immer wieder aufgefordert, die Verantwortung der operativen und strategischen Führungskräfte zu klären, die in ihrer Rolle die wiederholte Begehung von Menschenrechtsverletzungen angeordnet oder stillschweigend zugelassen haben. Amnesty International wies wiederholt darauf hin, dass zu diesen auch der Generaldirektor der Carabineros und der Direktor der Nationalen Direktion für Ordnung und Sicherheit (Dirección Nacional de Orden y Seguridad, DIOSCAR) gehören könnten, die zum Zeitpunkt der Ereignisse im Amt waren. Amnesty International trug Hintergrundinformationen zu den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft bezüglich massiver Verletzungen des Rechts auf körperliche Unversehrtheit bei, die Gegenstand der aktuellen Anklage sind.

Die im Januar 2024 eingereichte Anklageschrift richtet sich gegen den derzeitigen Generaldirektor der Carabineros, Ricardo Yáñez, der während der Proteste im Jahr 2019 als kommandierender Chef der DIOSCAR fungierte. Damit war er verantwortlich für deren Einsätze gegen die Demonstrierenden. Mit ihm werden sein Vorgänger Mario Rozas Córdova und dessen damaliger Stellvertreter Diego Olate Pinares vorgeladen. Verhandelt werden soll ihre mutmaßliche Verantwortung als Führungskräfte für die begangenen Menschenrechtsverletzungen. 

Amnesty International betrachtet diese Entwicklung als einen Schritt in Richtung Gerechtigkeit für die schwerwiegenden und weit verbreiteten Menschenrechtsverletzungen, die 2019 gegen Protestierende begangen wurden. Die Menschenrechtsorganisation wird die weiteren Entwicklungen der Ermittlungen genau verfolgen, einschließlich der für den 7. Mai angesetzten Anhörung durch die Anklage.

Vielen Dank allen, die mit Appellen zu diesem Erfolg beigetragen haben. Wir freuen uns sehr darüber!