Zivilgesellschaft unter Druck

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Die zivilgesellschaftliche Organisation Zentrum für Dokumentation und Information in Bolivien (Centro de Documentación e Información Bolivia – CEDIB) hat berichtet, aufgrund ihrer Menschenrechtsarbeit erneut bedroht worden zu sein. Durch das Einfrieren der Konten ist zudem die finanzielle Sicherheit der Mitarbeiter_innen bedroht. Dieses Vorgehen gegen die rechtmäßige Arbeit der CEDIB ist ein besorgniserregendes Zeichen dafür, dass der Handlungsspielraum für zivilgesellschaftliches Engagement in Bolivien immer mehr eingeschränkt wird.

Appell an

Vizeminister der Autonomien

Hugo Siles

Av. 20 de octubre N° 2230

esq. Fernando Guachalla, edificio Ex Conavi

La Paz, BOLIVIEN

Sende eine Kopie an

Botschaft des Plurinationalen Staates Bolivien

S.E. Herrn Jorge Cardenas Robles

Wichmannstr. 6

10787 Berlin

Fax: 030-2639 1515


E-Mail: berlin@embajada-bolivia.de

Amnesty fordert:

  • An den Ombudsmann:

    Bitte stellen Sie sicher, dass die Unversehrtheit der Mitarbeiter_innen und der Finanzen von CEDIB gewährleistet wird und sorgen Sie dafür, dass zivilgesellschaftliche Organisationen ihre Arbeit in einem sicheren Arbeitsumfeld ausüben können.
  • An den Vizeminister der Autonomien:

    Bitte erkennen Sie die rechtmäßige Menschenrechtsarbeit von CEDIB öffentlich an und stellen Sie sicher, dass der UMSS-Dekan nichts unternimmt, was die Mitarbeiter_innen der Organisation weiter gefährden könnte.
  • An den Präsidenten des Magistraturrates

    Leiten Sie bitte unverzüglich umfassende Untersuchungen ein, um die Unregelmäßigkeiten und die Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren im Vorgehen gegen CEDIB zu untersuchen.

Sachlage

Am 3. November leitete Juan Rios, der Dekan der Universität Universidad Mayor de San Simon (UMSS), einer öffentlichen Hochschule in Cochabamba, ein Verwaltungsverfahren gegen die CEDIB ein, wodurch die Organisation in ihrer Arbeit weiter eingeschränkt wird. Laut Angaben der CEDIB hatte das Gericht des Departamento Cochabamba bereits am 6. November verfügt, das Eigentum der CEDIB registrieren und die Konten einzufrieren zu lassen. Am 28. November wurden die Konten per gerichtlicher Anordnung eingefroren, ohne die Organisation vorher zu benachrichtigen. Das betrifft unter anderem die Gehälter der Mitarbeiter_innen, weshalb nicht nur die Arbeit der Organisation, sondern auch die finanzielle Sicherheit der Mitarbeiter_innen und ihrer Familien in Gefahr ist.

Auf Umwegen erfuhr die Organisation, dass die Finanzaufsichtsbehörde (ASFI) diese Maßnahmen am 21. November angeordnet hatte. Grundlage war der Antrag auf ein Verwaltungsverfahren, den Dekan Juan Rios gestellt hatte. CEDIB wurde nicht über die Begründung und die Folgen des Antrags sowie der gerichtlichen Anordnung informiert. Das Recht der Organisation auf ein faires Verfahren wurde somit verletzt.

Im März hatte der UMSS-Dekan der CEDIB gedroht, ihre innerhalb des UMSS-Gebäudes liegenden Büros zu räumen, in denen sie seit 1993 arbeitet. Nach Drohungen, die Büros würden umgehend und mit "Unterstützung der Sicherheitskräfte" geräumt, wenn sie nicht innerhalb von 48 Stunden freiwillig verlassen worden seien, und weil Sorge um die Sicherheit der Mitarbeiter_innen und des Archivs bestand, begann die CEDIB ihr Archiv an einen sicheren Ort außerhalb der UMSS zu verlegen.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Die CEDIB ist eine zivilgesellschaftliche Organisation, die sich in Bolivien gegen die Menschenrechtsverletzungen an indigenen Völkern einsetzt, die häufig durch Vorhaben der Rohstoffindustrie im bolivianischen Amazonasgebiet verursacht werden. 2016 hatte die CEDIB zusammen mit dem Zentrum für juristische Studien und investigative Sozialforschung (Centro de Estudios Jurídicos e Investigación Social – CEJIS) bei der Interamerikanischen Menschenrechtskommission einen Antrag gestellt. Im Namen der indigenen Bevölkerung, die in freiwilliger Isolation lebt, beantragten sie Schutzmaßnahmen, da deren Leben durch die Erdölgewinnung in ihrem Gebiet gefährdet wird. Die Beschlussfassung steht noch aus.

Am 6. Februar nahmen CEDIB, CEJIS und Sprecher_innen der indigenen Gemeinschaft des Community Territory of Origin Tacana II Indigenous Territory an einer Pressekonferenz bei der Ständigen Vertretung für Menschenrechte in La Paz teil. Sie wollten darüber informieren, dass die Interamerikanische Menschenrechtskommission von der bolivianischen Regierung Informationen bezüglich der beantragten Schutzmaßnahmen verlangte. Die Veranstaltung wurde von führenden Parteimitgliedern des Movimiento al Socialismo (MAS) unterbrochen, die drohten, den Sitz der Ständigen Vertretung für Menschenrechte unter ihre Kontrolle zu bringen.

2015 hatte der bolivianische Vizepräsident Álvaro García der CEDIB (und drei weiteren Organisationen) gedroht, sie des Landes zu verweisen. Dies geschah, nachdem die CEDIB einige Verordnungen infrage gestellt hatte, in denen es um die Ölindustrie ging und welche die Schutzgebiete und die indigene Bevölkerung Gefahren aussetzten.

2016 berichteten CEDIB-Mitarbeiter_innen immer wieder von Schikanierungen aufgrund ihrer Untersuchungen zu den Abbaurechten, die für die bolivianischen Gletscherfelder vergeben wurden. Unter anderem wurden persönliche Daten und Bilder von Mitarbeiter_innen veröffentlicht, die diese Untersuchungen durchführten.