Weiterer Toter auf Manus

Proteste in Sydney gegen die Inhaftierung von Asylsuchenden außerhalb der Landesgrenzen

In einem Krankenhaus in Lorengau auf der Insel Manus ist die Leiche eines sri-lankischen Flüchtlings gefunden worden. Dies zeigt deutlich, welchen Gefahren Flüchtlinge in Papua-Neuguinea durch Gewalt und unangemessene medizinische Versorgung ausgesetzt sind. Die australische Praxis der Unterbringung von Flüchtlingen und Asylsuchenden außerhalb der Landesgrenzen auf der Insel Manus in Papua-Neuguinea kommt der systematischen Misshandlung Hunderter Menschen gleich.

Appell an

Minister für Einwanderung und Staatsbürgerschaft

Mr Peter Dutton

PO Box 6022

Parliament House

Canberra ACT 2600, AUSTRALIEN

Sende eine Kopie an

Minister für Einwanderung und Grenzschutz

Mr Petrus Thomas


National Parliament

Parliament House

Waigani, Port Moresby, NCD

PAPUA-NEUGUINEA

Botschaft von Australien

I.E. Frau Lynette Margaret Wood

Wallstraße 76 – 79

10179 Berlin

Fax: 030 880 088 210

Amnesty fordert:

  • Stellen Sie eine angemessene medizinische Versorgung für alle Flüchtlinge und Asylsuchenden mit Verletzungen oder Traumata sicher. Bei Fällen, in denen die nötige medizinische Versorgung nicht auf Papua-Neuguinea angeboten werden kann, sollte die australische Regierung die Flüchtlinge und Asylsuchenden umgehend für die Behandlung nach Australien bringen.
  • Kooperieren Sie bitte umfassend mit unabhängigen Untersuchungen zu den Todesfällen der sechs Flüchtlinge und Asylsuchenden seit 2014 und informieren Sie die Familienangehörigen über den Fortschritt und die Ergebnisse der Untersuchungen.
  • Bringen Sie bitte alle Flüchtlinge nach Australien und stellen Sie sicher, dass alle, denen der Flüchtlingsstatus zuerkannt wurde, das Recht haben, sich in Australien oder Drittstaaten niederzulassen.

Sachlage

Der Leichnam eines 33-jährigen sri-lankischen Flüchtlings wurde in den frühen Morgenstunden des 2. Oktober in der Wäscherei des Krankenhauses in Lorengau gefunden. Er war am 29. September in das Krankenhaus auf der Insel Manus gebracht worden, um wegen psychischer Probleme und Verletzungen behandelt zu werden, die er sich selbst zugefügt hatte. Die Polizei untersucht die Todesumstände, vermutet jedoch, dass es Selbstmord war. Berichten zufolge verlangt die australische Regierung von seiner Familie eine Zahlung in Höhe von 6.000 US-Dollar (etwa 5.000 Euro) für die Rückführung seines Leichnams nach Sri Lanka. Er ist bereits die sechste Person, die seit 2014 in Verbindung mit Australiens Offshore-Verfahren für Asylsuchende ums Leben gekommen ist.

Weniger als zwei Monate vor dem Tod des sri-lankischen Flüchtlings wurde der Leichnam des iranischen Asylsuchenden Hamed Shamshiripour in einem Wald nahe dem Transitzentrum Lorengau gefunden. Trotz Forderungen einer unabhängigen Untersuchung seines Todes gibt es bisher keine Fortschritte in dem Fall. Die Ergebnisse der Autopsie wurden seiner Familie nicht zugänglich gemacht.

Der australische Einwanderungsminister kündigte an, die Einrichtung für Asylsuchende auf dem Marinestützpunkt Lombrum, wo haftähnliche Bedingungen herrschen, zu schließen und bis zum 31. Oktober alle Flüchtlinge in eine Einrichtung in Lorengau verlegen zu wollen. Nun wird erwartet, dass bald Hilfsleistungen wie beispielsweise die dringend notwendige medizinische Versorgung für mehr als 700 Flüchtlinge wegfallen. Unsicherheit und Sorge bezüglich dieser Pläne wurden von der papua-neuguineischen Regierung noch weiter verstärkt, da diese am 25. August erklärte, dass sie mit dieser Entscheidung der australischen Regierung nicht einverstanden sei.

Die Verbringung der Menschen aus der Einrichtung Lombrum nach Lorengau würde dort zu einer gefährlichen Überbelegung führen. Darüber hinaus wären die Asylsuchenden in der Einrichtung in Lorengau näher an der lokalen Bevölkerung, von der in der Vergangenheit bereits Angriffe auf Flüchtlinge verübt wurden. Über 100 Menschen müssen derzeit bereits in einem Gästehaus in Port Moresby auf medizinische Versorgung warten. Wegen begrenzter Mittel kann die nötige ärztliche Behandlung in einigen Fällen jedoch nicht in Papua-Neuguinea angeboten werden.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Im August 2012 führte Australien die Praxis der Inhaftierung außerhalb der Landesgrenzen ein. Seitdem werden alle Menschen, die über den Seeweg Außengebiete des australischen Hoheitsgebiets erreichen, in Einrichtungen für Asylverfahren in dem kleinen Inselstaat Nauru oder in Papua-Neuguinea inhaftiert. Mitte des Jahres 2013 erließ Australien weitere Gesetze, die zur Folge haben, dass jeder Mensch, der über den Seeweg australisches Hoheitsgebiet erreicht, dort kein Asyl beantragen kann. Die australische Regierung machte geltend, dass diese Regelung Schlepper_innen abschrecken und Menschen schützen würde, die sonst vielleicht die gefährliche Seereise nach Australien auf sich genommen hätten. Die Regierung gesteht bisher nicht öffentlich ein, dass diese Regelung die Betroffenen bestraft und bereits Tausende Männer, Frauen und Kinder systematischen Menschenrechtsverletzungen auf Manus in Papua-Neuguinea und auf Nauru aussetzt.

Asylsuchende und Flüchtlinge werden aufgrund eines bilateralen Abkommens zwischen Australien und Papua-Neuguinea auf die Insel Manus geschickt. Fast 800 Flüchtlinge und Asylsuchende befinden sich zurzeit in Papua-Neuguinea. Auf der Insel Manus gibt es zwei Einrichtungen: Eine, die sich in der Stadt Lorengau befindet und eine  auf dem Marinestützpunkt Lombrum.

Am 26. April 2016 entschied der Oberste Gerichtshof von Papua-Neuguinea, dass die Verbringung und Inhaftierung von Asylsuchenden auf die Insel Manus rechtswidrig ist und gegen das Recht auf persönliche Freiheit verstößt, welches in der Verfassung von Papua-Neuguinea verbrieft ist. Dies führte dazu, dass der australische Minister für Einwanderung ankündigte, die Einrichtung auf Manus zu schließen. Die dort festgehaltenen Menschen wolle er jedoch nicht nach Australien bringen.

Die Einrichtung in Lorengau soll ursprünglich gebaut worden sein, um 300-400 Menschen dort unterzubringen. Zurzeit befinden sich jedoch fast 800 Menschen in der Flüchtlingseinrichtung Lombrum, die nun geschlossen werden soll. Die Verbringung der Menschen aus der Einrichtung Lombrum nach Lorengau würde zu einer gefährlichen Überbelegung führen. Darüber hinaus wären die Asylsuchenden in der Einrichtung in Lorengau näher an der lokalen Bevölkerung, von der in der Vergangenheit bereits Angriffe auf Flüchtlinge verübt wurden. Die Gewalt in jüngster Zeit hat die Befürchtungen der Flüchtlinge über die Verbringung nach Lorengau weiter verstärkt. Sie haben bereits Protestveranstaltungen dagegen abgehalten und in den Sozialen Medien um Hilfe gebeten. Amnesty International geht davon aus, dass die Behörden die Lebensumstände in der Einrichtung Lombrum noch erschwert haben, um die Flüchtlinge zu einem Umzug nach Lorengau zu nötigen. Ihnen wurde zudem mit Festnahme gedroht, falls sie sich weigerten. Von den Behörden wurde dies nicht bestätigt.

Sowohl die australische als auch die papua-neuguineische Regierung sind für die Sicherheit und die Einhaltung der Rechte der Flüchtlinge und Asylsuchenden verantwortlich. Die Einrichtung auf dem Marinestützpunkt Lombrum wird von der australischen Regierung unterhalten.

Ende September wurden ca. 25 Flüchtlinge in die USA überstellt, wo sie Asyl erhielten. Obwohl dies positive Neuigkeiten sind, dürfen sie nicht von der Verantwortung der australischen Regierung ablenken, Flüchtlinge aufzunehmen und gerecht mit den Asylansprüchen von Menschen umzugehen, die auf ihrem Gebiet ankommen. Hunderte Menschen befinden sich immer noch auf Nauru und in Papua-Neuguinea. Die meisten von ihnen haben Flüchtlingsstatus und warten darauf, in Drittstaaten neu angesiedelt zu werden.

Amnesty International hat bereits in der Vergangenheit die Schließung der Einrichtung auf der Insel Manus und die sichere Verbringung aller Flüchtlinge und Asylsuchenden nach Australien gefordert. Die Schließung der Einrichtung, um die Flüchtlinge dann in das Transitcamp nach Lorengau zu bringen, stellt eine noch größere Bedrohung ihrer Menschenrechte dar. Der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge (UNHCR) hat sich öffentlich zur Situation auf Manus geäußert und seine Sorge über die Verschlechterung der Situation zum Ausdruck gebracht. Er sagte, dass die geplante Schließung der Einrichtung auf Manus nur dann stattfinden dürfe, wenn die australische Regierung weiterhin alle notwendigen Grundleistungen für die Flüchtlinge und Asylsuchenden, die sie nach Papua-Neuguinea und Nauru gebracht hat, bereitstellt.