Flüchtlinge zum Umzug gezwungen

Proteste in Sydney gegen die Inhaftierung von Asylsuchenden außerhalb der Landesgrenzen

Zahlreiche Flüchtlinge und Asylsuchende wurden am 23. November auf der papua-neuguineischen Insel Manus zum Umzug in ein anderes Flüchtlingszentrum gezwungen, nachdem am 31. Oktober die Grundversorgung für eine Flüchtlingseinrichtung auf dem Marinestützpunkt Lombrum eingestellt wurde. Es besteht Sorge um die Sicherheit Hunderter Flüchtlinge und Asylsuchender, da ihnen weiterhin gewalttätige Übergriffe seitens der Lokalbevölkerung und der örtlichen Sicherheitskräfte drohen.

Appell an

Minister of Immigration

Mr Peter Dutton

PO Box 6022, Parliament House

Canberra ACT 2600

AUSTRALIEN

Sende eine Kopie an

Stellvertretender Minister Für Einwanderung und Grenzschutz in Australien

Alex Hawke

E-Mail: minister@border.gov.au oder 

            alex.hawke.mp@aph.gov.au


Fax:     (00 61) 2 6277 8522

Twitter: @AlexHawkeMP

Botschaft von Australien

I. E. Frau Lynette Margaret Wood

Wallstraße 76 – 79


10179 Berlin

Fax: 030 880 088 210

E-Mail: info.berlin@dfat.gov.au

Amnesty fordert:

  • Sorgen Sie für die Sicherheit aller Flüchtlinge und Asylsuchenden und schützen Sie sie vor gewalttätigen Übergriffen durch die Lokalbevölkerung, Sicherheitskräfte und private Sicherheitsleute. Stellen Sie zudem sicher, dass die Polizei keine friedlichen Aktivist_innen festnimmt.
  • Sorgen Sie bitte dafür, dass alle Flüchtlinge und Asylsuchenden unter angemessenen Bedingungen untergebracht werden. Hierzu zählt auch das Bereitstellen von angemessener medizinischer Versorgung sowie Sanitäreinrichtungen, Wasser und Nahrung, Strom und anderen wichtigen Versorgungsleistungen.
  • Bringen Sie bitte alle Flüchtlinge nach Australien und stellen Sie sicher, dass alle, denen der Flüchtlingsstatus zusteht, das Recht haben, sich in Australien oder sicheren Drittstaaten niederzulassen.

Sachlage

Am 23. November um etwa 8:00 Uhr morgens schickten die papua-neuguineischen Behörden zahlreiche mit Stöcken und Messern bewaffnete Angehörige der Polizei und der Einwanderungsbehörde in die Flüchtlingseinrichtung auf dem Marinestützpunkt Lombrum auf der Insel Manus. Diese sagten den etwa 420 dort verbliebenen Flüchtlingen und Asylsuchenden, dass sie eine Stunde Zeit hätten, um sich für den Umzug in andere Flüchtlingszentren nahe der Stadt Lorengau fertig zu machen. Die Flüchtlinge und Asylsuchenden widersetzten sich jedoch mehrere Stunden lang friedlich dieser Anweisung. Daraufhin vernichteten die Beamt_innen die Lebensmittel- und Wasservorräte und zwangen einige Flüchtlinge in Busse, um sie in die anderen Einrichtungen zu bringen.

Unter den Flüchtlingen befand sich auch der Menschenrechtsverteidiger und Journalist Behrouz Boochani, der von den Beamt_innen festgenommen und mehr als zwei Stunden lang festgehalten wurde.  Bei dem Einsatz am 23. November wurden etwa 40 Männer gewaltsam aus der Einrichtung Lombrum geholt. Einige Flüchtlinge geben an, gesehen zu haben, wie Personen geschlagen und verletzt wurden. Die Polizei hat damit gedroht, die restlichen Flüchtlinge und Asylsuchenden, die sich noch in der Einrichtung befinden, ebenfalls zum Umzug zu zwingen.

Am 31. Oktober stoppte die australische Regierung für eine Flüchtlingseinrichtung auf dem Marinestützpunkt Lombrum auf der papua-neuguineischen Insel Manus alle grundlegenden Versorgungsleistungen und zog auch ihr Personal von dort ab. Die Einrichtung ist Teil des australischen Verfahrens zur Abfertigung von Asylsuchenden außerhalb der Landesgrenzen, welches von Amnesty International als grausam und rechtswidrig betrachtet wird. Betroffen sind insgesamt mehr als 600 Personen. Ihnen wurde mitgeteilt, dass sie in sogenannte Transitlager umziehen sollen, die jedoch näher an der Stadt Lorengau liegen und daher eine erhöhte Gefahr für die Sicherheit der Flüchtlinge darstellen. Die beiden neuen Einrichtungen im Bezirk Ward One, etwa 10 km von Lorengau entfernt, bekannt als "Hillside Haus" und "West Lorengau", sind noch nicht fertig gebaut und verfügen weder über Sicherheitszäune noch eine angemessene Stromversorgung.

Die Flüchtlinge und Asylsuchenden, die sich derzeit noch in der Einrichtung Lombrum befinden, haben sich dem Umzug bisher friedlich widersetzt, da sie um ihre Sicherheit fürchten. In Lorengau, wo sich eines der Transitlager befindet, sind Flüchtlinge in der Vergangenheit z. T. mit Macheten angegriffen und schwer verletzt worden. Die Behörden haben bisher keine angemessenen Maßnahmen ergriffen, um die Flüchtlinge vor derartigen Gewalttaten zu schützen.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Im August 2012 führte Australien die Praxis der Inhaftierung außerhalb der Landesgrenzen ein. Seitdem werden alle Menschen, die über den Seeweg Außengebiete des australischen Hoheitsgebiets erreichen, in Einrichtungen für Asylverfahren in dem kleinen Inselstaat Nauru oder in Papua-Neuguinea inhaftiert. Mitte des Jahres 2013 erließ Australien weitere Gesetze, die zur Folge haben, dass jeder Mensch, der über den Seeweg australisches Hoheitsgebiet erreicht, dort kein Asyl beantragen kann. Die Regierung gesteht bisher nicht öffentlich ein, dass diese Regelung die Betroffenen bestraft und bereits Tausende Männer, Frauen und Kinder systematischen Menschenrechtsverletzungen auf Manus in Papua-Neuguinea und auf Nauru aussetzt.

Asylsuchende und Flüchtlinge werden aufgrund eines bilateralen Abkommens zwischen Australien und Papua-Neuguinea auf die Insel Manus geschickt. Fast 800 Flüchtlinge und Asylsuchende befinden sich zurzeit in Papua-Neuguinea. Am 26. April 2016 entschied jedoch der Oberste Gerichtshof von Papua-Neuguinea, dass die Verbringung und Inhaftierung von Asylsuchenden auf die Insel Manus rechtswidrig ist und gegen das Recht auf persönliche Freiheit verstößt, welches in der Verfassung von Papua-Neuguinea verbrieft ist. Dies führte dazu, dass der australische Einwanderungsminister ankündigte, die Einrichtung auf dem Marinestützpunkt Lombrum zu schließen. Die dort festgehaltenen Menschen wolle er jedoch nicht nach Australien bringen.

Am 31. Oktober wurde die Versorgung der Einrichtung Lombrum mit Wasser, Nahrungsmitteln und Strom eingestellt. Seither herrscht dort Wassermangel, und die Bewohner_innen müssen nach Trinkwasser graben und Regenwasser in Mülltonnen auffangen. Die Betroffenen mussten große Risiken für ihre Gesundheit und ihr Wohlergehen in Kauf nehmen, da sich die sanitären Bedingungen zunehmend verschlechterten und keine medizinische Versorgung geleistet wurde. 

Die Einrichtung in Lorengau (East Lorengau Transit Centre) soll ursprünglich gebaut worden sein, um 300-400 Menschen dort unterzubringen. Zurzeit befinden sich jedoch insgesamt etwa 700 Menschen auf der Insel Manus, verteilt auf zwei Einrichtungen: eine in der Stadt Lorengau und eine auf dem Marinestützpunkt Lombrum. Die Verbringung der Menschen von Lombrum nach Lorengau würde zu einer gefährlichen Überbelegung führen. Darüber hinaus wären die Asylsuchenden in der Einrichtung in Lorengau auch näher an der lokalen Bevölkerung, von der in der Vergangenheit bereits Angriffe auf Flüchtlinge verübt wurden. Gewaltausbrüche in jüngster Zeit haben die Befürchtungen der Flüchtlinge über die Verbringung nach Lorengau weiter verstärkt. Auf der Insel Manus gibt es mittlerweile insgesamt vier Einrichtungen für Flüchtlinge und Asylsuchende: die ursprüngliche Hafteinrichtung, von der australischen Regierung "regionales Abfertigungszentrum" genannt, die sich auf dem Marinestützpunkt Lombrum befindet (etwa 20 km von Lorengau entfernt, der größten Stadt auf Manus); die Einrichtung in Lorengau (East Lorengau Transit Centre – etwa 5 km von Lorengau entfernt); sowie zwei neue Einrichtungen am selben Standort, nämlich dem Bezirk Ward One, etwa 10 km von Lorengau entfernt, bekannt als "Hillside Haus" und "West Lorengau". Die beiden neuen Einrichtungen werden derzeit noch gebaut und sind noch nicht bezugsfertig.

Einige Anwohner_innen sowie Angehörige der Polizei und der Streitkräfte auf Papua-Neuguinea setzen die Flüchtlinge immer wieder körperlichen Angriffen und Beschimpfungen aus. Dadurch befinden sich die Flüchtlinge in einer äußerst prekären Lage. Jedoch ist es keine Option, Papua-Neuguinea zu verlassen, es sei denn sie würden in die Länder zurückgehen, aus denen sie ursprünglich geflohen sind. Ohne die Erlaubnis der Einwanderungsbehörde dürfen Flüchtlinge weder arbeiten noch in andere Teile Papua-Neuguineas reisen. Amnesty International hat zahlreiche Fälle von gewalttätigen Übergriffen dokumentiert, darunter einen am 14. April, als papua-neuguineische Soldat_innen mehrmals auf die Flüchtlingseinrichtung Lombrum schossen.

Amnesty International hat bereits in der Vergangenheit die Schließung der Hafteinrichtung auf der Insel Manus und die sichere Verbringung aller Flüchtlinge und Asylsuchenden nach Australien gefordert. Die Schließung der Einrichtung Lombrum, um die Flüchtlinge in sogenannte Transitlager zu bringen, stellt jedoch eine noch größere Bedrohung ihrer Menschenrechte dar. Der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge (UNHCR) hat sich öffentlich zur Situation auf Manus geäußert und seine Sorge über die Verschlechterung der Situation zum Ausdruck gebracht. Er sagte, dass die geplante Schließung der Einrichtung auf Manus nur dann stattfinden dürfe, wenn die australische Regierung weiterhin alle notwendigen Grundversorgungsleistungen für die Flüchtlinge und Asylsuchenden, die sie nach Papua-Neuguinea und Nauru gebracht hat, bereitstellt.