59 Aktivist_innen offiziell angeklagt

Zeichnung eines Buchs mit Paragraph-Symbol auf dem Cover

Im Januar und Februar 2019 nahmen angolanische Sicherheitskräfte in Verbindung mit einer friedlichen Protestveranstaltung insgesamt 63 Aktivist_innen fest. Am 5. Februar 2020 wurde bekannt, dass 59 von ihnen offiziell angeklagt sind: wegen "Bildung einer kriminellen Vereinigung", "Rebellion", "Verunglimpfung des Staates" und "Störung der öffentlichen Ordnung und Widerstand gegen die Staatsgewalt". Sechs von ihnen sind nach wie vor in Haft. Das Provinzgericht in Cabinda wird nun entscheiden, ob es die Anklagen annehmen oder abweisen wird.

Appell an

Francisco Manuel Monteiro de Queiroz

Ministério da Justiça e dos Direitos Humanos

Rua 17 de Setembro 

Luanda, ANGOLA

Sende eine Kopie an

Botschaft der Republik Angola

I.E. Frau Balbina Malheiros Dias Da Silva

Wallstraße 58, 10179 Berlin

Fax: 030-2408 9712

E-Mail: botschaft@botschaftangola.de

Amnesty fordert:

  • Sorgen Sie für die unverzügliche und bedingungslose Freilassung von Filipe Macaia Luemba, Alberto Puna "Sapiente", Pedro Macaia Conde, Joaquim Júnior Bety, Ruben Mavungo Domingos und Francisco Barros Muanda, die sich lediglich aufgrund der friedlichen Wahrnehmung ihrer Rechte auf freie Meinungsäußerung und friedliche Versammlung in Haft befinden.
  • Sorgen Sie bitte außerdem dafür, dass sämtliche Anklagen gegen die 59 Protestierenden fallengelassen werden, da diese lediglich ihre Rechte auf freie Meinungsäußerung und friedliche Versammlung wahrgenommen haben.
  • Stellen Sie bitte sicher, dass die Rechte auf freie Meinungsäußerung und friedliche Versammlung umfassend respektiert, geschützt, gefördert und eingehalten werden und Aktivist_innen in Cabinda ihr Recht auf freie Meinungsäußerung ohne Angst vor Repressalien und rechtswidrigen Einschränkungen wahrnehmen können.

Sachlage

Gegen vier der 63 festgenommenen Aktivist_innen stellte die Staatsanwaltschaft mangels ausreichender Beweise die Verfahren ein, wie ihren Rechtsbeiständen am 3. Juli 2019 mitgeteilt wurde. Am gleichen Tag wurde gegen die verbleibenden 59 Aktivist_innen offiziell Anklage erhoben – doch die Benachrichtigung ihrer Rechtsbeistände erfolgte erst am 5. Februar 2020. Den betroffenen Aktivist_innen wird Folgendes vorgeworfen: "Bildung einer kriminellen Vereinigung" nach Paragraf 8 des Gesetzes 3/14, "Rebellion" nach Paragraf 21 des Gesetzes 23/10, "Verunglimpfung (ultraje) des Staates" nach Paragraf 25 des Gesetzes 23/10 und "Störung der öffentlichen Ordnung und Widerstand gegen die Staatsgewalt" nach den Paragrafen 185 und 186 des Strafgesetzbuchs. Das Provinzgericht in Cabinda wird nun entscheiden, ob die Anklage gegen die restlichen 59 Protestierenden angenommen oder zurückgewiesen wird.

Während der Großteil der Angeklagten in der Zwischenzeit wieder freigelassen wurde, werden sechs von ihnen –  Filipe Macaia Luemba, Alberto Puna "Sapiente", Pedro Macaia Conde, Joaquim Júnior Bety, Ruben Mavungo Domingos und Francisco Barros Muanda – seit 29. Januar, beziehungsweise 1. Februar 2019 willkürlich im Zivilgefängnis der Provinz Cabinda festgehalten.

Das repressive Vorgehen der Behörden gegen die friedlich Protestierenden in Cabinda untergräbt die Rechte auf freie Meinungsäußerung und friedliche Versammlung in Angola. Amnesty International betrachtet mit Sorge, dass die Polizei nach wie vor unverhältnismäßige Gewalt gegen Protestierende anwendet und Personen willkürlich festnimmt.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Der Vertrag von Simulambuco wurde am 1. Februar 1885 unterzeichnet. Er gab Cabinda den Status eines Protektorats der Portugiesischen Krone. Cabinda liegt auf einem schmalen Stück Land zwischen der Demokratischen Republik Kongo und der Republik Kongo. Die Exklave ist international als Teil von Angola anerkannt und fördert den größten Teil der Ölexporte des Landes. Seit mehr als 20 Jahren fordern separatistische Gruppen die Unabhängigkeit oder Autonomie von Cabinda. Versuche der angolanischen Regierung, mit Vertreter_innen der cabindischen Separatist_innen zu verhandeln, waren bislang erfolglos. 

Am 7. Januar 2019 hatte der Sekretär der Unabhängigkeitsbewegung Cabinda (Movimento Independista de Cabinda – MIC) ein Schreiben an den Präsidenten der Republik Angola, João Manuel Gonçalves Lourenço, und Kopien davon an die Provinzregierung von Cabinda, das Polizeipräsidium der Provinz, die Generalstaatsanwaltschaft der Republik Angola sowie an angolanische Parteien und weitere Behörden gesandt, um sie über die für den 1. Februar 2019 geplante friedliche Protestveranstaltung zu informieren. Die MIC bat die angolanische Polizei, die Protestveranstaltung zu begleiten, um die Sicherheit der Demonstrierenden zu gewährleisten.

Angolanische Sicherheitskräfte nahmen am 28. Januar 2019 acht MIC-Jugendaktivist_innen in ihren Wohnungen in der Provinz Cabinda fest. Dort bereiteten sie gerade Flugblätter für die friedliche Protestveranstaltung am 1. Februar vor.

Am folgenden Tag wurden 18 Personen, darunter Familienangehörige und Kolleg_innen der inhaftierten Jugendaktivist_innen, von der Polizei festgenommen, als sie vor dem Gebäude der Kriminalpolizei in Cabinda friedlich die Freilassung der acht Jugendaktivist_innen forderten. Am 1. Februar versammelten sich dann Protestierende auf den Straßen von Cabinda, um den 134. Jahrestag des Vertrags von Simulambuco zu feiern und die Unabhängigkeit Cabindas von Angola zu fordern. Sie forderten auch die Freilassung der zuvor Festgenommenen. Am 12. Februar 2019 nahm die Polizei eine weitere Person wegen ihrer angeblichen Beteiligung an den gleichen friedlichen Protesten fest.

Am 27. Februar 2019 ordnete das Gericht in Cabinda die Freilassung von 13 inhaftierten Aktivist_innen an, da ihre Festnahme ohne Haftbefehl rechtswidrig gewesen sei. Am 19. April ordnete das Gericht die vorläufige Freilassung weiterer 40 Aktivist_innen unter der Bedingung an, dass sie sich alle 14 Tage bei Gericht melden. 

Amnesty International betrachtet darüber hinaus mit Sorge, dass die Polizei nach wie vor unverhältnismäßige Gewalt gegen Protestierende anwendet und Personen willkürlich festnimmt. Am 1. März 2019 bereiteten sich MIC-Aktivist_innen und Familienangehörige der 50 inhaftierten Protestierenden auf eine Demonstration auf dem Platz des 1. Mai in Cabinda vor, um die Freilassung der noch Inhaftierten zu fordern. Vor Beginn der Protestveranstaltung traf die Polizei am Veranstaltungsort ein und begann, die Anwesenden zu treten und zu schlagen. Elf Personen wurden festgenommen und einige Stunden später ohne Anklage wieder freigelassen. Sieben der Aktivist_innen mussten aufgrund der Misshandlungen durch die Polizei ins Krankenhaus und konnten erst tags darauf nach Hause zurückkehren. Mehrere von ihnen gaben an, bei ihrer Festnahme und im Gefängnis von der Polizei misshandelt worden zu sein. Ihren Aussagen zufolge wurden sie von Polizeiangehörigen geschlagen.