Kriegsdienstverweigerer in Haft

Der Kriegsdienstverweigerer Haluk Selam Tufanlı ist am 4. Dezember für 10 Tage in Haft genommen worden. Das Militärgericht in Lefkoşa / Nikosia in Nordzypern befand ihn der "Nichtbefolgung der Einberufung" für schuldig, da er sich im Jahr 2011 geweigert hatte, an einer eintägigen Militärübung teilzunehmen.

Appell an

PRÄSIDENT VON NORDZYPERN
Derviş Eroğlu
Kuzey Kıbrıs Türk Cumhuriyeti
Cumhurbaşkanlığı
Şehit Selahattin Sonat Sok.
Lefkoşa
NORDZYPERN
(Anrede: Dear President / Sehr geehrter Herr Präsident)
Fax: (00 90) 392 227 22 52
E-Mail: info@kktcb.org

GENERALSTAATSANWALT
Aşkan İlgen
Başsavcı
(Anrede: Dear Aşkan İlgen / Sehr geehrter Herr İlgen)
Fax: (00 90) 392 736 46

Sende eine Kopie an

STAATSPRÄSIDENT DER TÜRKEI
Recep Tayyip Erdoğan
T.C. Cumhurbaşkanlığı Genel
Sekreterliği
06689 Çankaya
Ankara, TÜRKEI
Fax: (00 90) 312 470 13 24 (Sekretariat)
E-Mail: cumhurbaskanligi@tccb.gov.tr

BOTSCHAFT DER REPUBLIK TÜRKEI
S. E. Herrn Hüseyin Avni Karslioğlu
Tiergartenstr. 19-21, 10785 Berlin
Fax: 030-275 90 915
E-Mail: botschaft.berlin@mfa.gov.tr

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Türkisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 15. Januar 2015 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

E-MAILS, FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Bitte lassen Sie Haluk Selam Tufanlı umgehend und bedingungslos frei, da er ein gewaltloser politischer Gefangener ist, der ausschließlich aufgrund der Wahrnehmung seines Rechts auf Verweigerung des Militärdienstes aus Gewissensgründen inhaftiert ist.

  • Ich fordere Sie höflich auf, von der strafrechtlichen Verfolgung Haluk Selam Tufanlıs aufgrund künftiger Weigerungen, an Militärübungen teilzunehmen, abzusehen.

  • Bitte verabschieden Sie gesetzliche Bestimmungen, in denen das Recht auf Verweigerung des Militärdienstes aus Gewissensgründen anerkannt wird.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Calling on the authorities to immediately and unconditionally release Haluk Selam Tufanlı as he is considered to be a prisoner of conscience, imprisoned for exercising his right to conscientious objection.

  • Urging the authorities to refrain from prosecuting him for refusing to take part in future calls for mobilization.

  • Calling on them for the introduction of legislation recognizing the right to conscientious objection to compulsory military service.

Sachlage

Haluk Selam Tufanlı erklärte am 8. Dezember 2011, einen Monat nach seiner Weigerung, an der jährlichen Militärübung am 2. November teilzunehmen, dass er den Kriegsdienst aus Gewissensgründen verweigere. Er hatte bereits 2009 und 2010 seinen militärischen Pflichtdienst "unter Zwang" abgeleistet. Seitdem er erklärte, den Kriegsdienst aus Gewissensgründen zu verweigern, hat er es jedes Jahr abgelehnt, an der Militärübung teilzunehmen. Die Gerichtsverfahren vor dem Militärgericht wegen seiner Weigerung, in den Jahren 2012, 2013 und 2014 an der Übung teilzunehmen, haben noch nicht begonnen.

Als Haluk Selam Tufanlı erklärte, den Kriegsdienst aus Gewissensgründen zu verweigern, sagte er: "Ich wurde von 2009 bis 2010 gezwungen, Militärdienst abzuleisten. Fünfzehn Monate lang wurde mein Leben von Personen bestimmt, deren Wort mehr Gewicht hat als meins. Während meines Militärdienstes, den ich im Alter von 27 Jahren antrat, wurden meine Freunde, mit denen ich zuvor gegessen und getrunken hatte, zu meinen Feinden erklärt. Ein Jahr, nachdem ich den militärischen Pflichtdienst abgeleistet hatte, wurde ich als Teil einer Mobilmachung zu einer Militärübung einberufen. Mir wurde gesagt, dass ich so lange ein Soldat sei, bis sie mir das Gegenteil mitteilten. Als Antimilitarist und Kriegsgegner verbietet es mir mein Gewissen, an Mobilmachungen im Zuge der Kriegsvorbereitung teilzunehmen."

Amnesty International betrachtet Haluk Selam Tufanlı als gewaltlosen politischen Gefangenen, der ausschließlich aufgrund der Wahrnehmung seines Rechts auf Verweigerung des Militärdienstes aus Gewissensgründen inhaftiert ist, und fordert seine sofortige und bedingungslose Freilassung.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Die Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen ist in Nordzypern rechtlich nicht anerkannt und es gibt keine Möglichkeit, einen alternativen Zivildienst abzuleisten. Diejenigen, die öffentlich erklären, dass sie den Kriegsdienst aus Gewissensgründen verweigern, werden immer wieder strafrechtlich verfolgt und müssen mit einer Haftstrafe von bis zu einem Jahr rechnen (Paragraf 40 des Gesetzes zum Militärdienst). Befehlsverweigerung wird je nach Schwere der Zuwiderhandlung mit einer Freiheitsstrafe zwischen zwei und zehn Jahren bestraft (Paragraf 56 des Gesetzes zum Militärdienst). Nach Ableisten des Wehrdienstes werden alle Männer unter 40 Jahren jedes Jahr zu einer eintägigen Militärübung einberufen. Die Weigerung, an dieser Übung teilzunehmen, wird mit einer Haftstrafe geahndet.

Für Amnesty International sind Kriegsdienstverweigerer und -verweigerinnen Personen, die aus Gründen des Gewissens oder aus tiefer Überzeugung den Dienst in den Streitkräften oder eine andere direkte oder indirekte Beteiligung an Kriegen oder bewaffneten Konflikten ablehnen. Dazu können auch Personen gehören, welche die Teilnahme an einem bestimmten Krieg ablehnen, weil sie dessen Ziele oder die Art und Weise, wie er geführt wird, verurteilen, auch wenn sie sich nicht allgemein gegen die Beteiligung an Kriegen aussprechen. Wenn solch eine Person allein aus dem Grund festgenommen oder inhaftiert wird, weil man ihr das Recht auf Stellung eines Antrags auf Militärdienstverweigerung aus Gewissensgründen oder auf Ableisten eines wirklich alternativen Zivildienstes verwehrt oder vorenthalten hat, so ist diese Person als gewaltloser politischer Gefangener zu betrachten. Ebenfalls als gewaltlose politische Gefangene betrachtet Amnesty International Personen, die aus Gewissensgründen die Streitkräfte ohne Erlaubnis verlassen haben und deswegen inhaftiert wurden, obwohl sie angemessene Maßnahmen ergriffen hatten, ihre Entlassung aus dem Militärdienst zu erwirken.

Das Recht, die Ableistung des Militärdienstes aus Gewissensgründen zu verweigern, leitet sich aus dem Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit ab, welches in einer Reihe von internationalen Menschenrechtsabkommen verankert ist, unter anderem in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPbpR) und in der Europäischen Menschenrechtskonvention, deren Vertragsstaat die Türkei ist und die daher auch auf Nordzypern Anwendung findet.

1998 hat die UN-Menschenrechtskommission in ihrer Resolution 1998/77 ausgeführt, dass das Recht auf Verweigerung des Militärdienstes aus Gewissensgründen durch Artikel 18 des IPbpR zum Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit geschützt ist. Die Menschenrechtskommission macht darin auf das Recht eines jeden Menschen aufmerksam, "im Rahmen der legitimen Ausübung des Rechts auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit, wie es in Artikel 18 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte sowie in Artikel 18 des IPbpR festgeschrieben ist, den Militärdienst aus Gewissensgründen zu verweigern". Darüber hinaus erinnert die Menschenrechtskommission die Staaten daran, "für Militärdienstverweigerer und -verweigerinnen aus Gewissensgründen verschiedene Formen des Ersatzdienstes vorzusehen, die mit den Gründen für die Militärdienstverweigerung vereinbar sind, als Dienst ohne Waffe oder als Zivildienst abgeleistet werden, im öffentlichen Interesse liegen und keinen Strafcharakter aufweisen". Sie betont zudem, dass die Staaten die notwendigen Maßnahmen ergreifen sollen, um "Militärdienstverweigerer und -verweigerinnen aus Gewissensgründen nicht auf Grund des Nichtableistens des Militärdienstes des Freiheitsentzugs und wiederholter Bestrafung zu unterwerfen", und erinnert daran, "dass niemand wegen einer strafbaren Handlung, wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht des jeweiligen Landes rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, zur Rechenschaft gezogen oder erneut bestraft werden darf."