Bei Auslieferung droht Folter

Tatiana Paraskevich, eine Asylbewerberin aus Kasachstan, befindet sich seit mehr als 18 Monaten in der Tschechischen Republik in Haft. Ihr droht nun die unmittelbare Auslieferung in die Ukraine oder die Russische Föderation. In beiden Fällen wird sie anschließend vermutlich nach Kasachstan zurückgeführt, wo ihr aufgrund ihrer Verbindungen zu dem kasachischen Oppositionellen Mukhtar Ablyazov Folter und andere Misshandlungen sowie ein unfaires Gerichtsverfahren drohen.

Appell an

INNENMINISTER
Ing. Martin Pecina, MBA
Ministry of Interior, Nad Štolou 3
170 34 Prague 7
TSCHECHISCHE REPUBLIK
(Anrede: Dear Minister / Sehr geehrter Herr Minister)
Fax: (00 420) 974 833 500
E-Mail: protokolkm@mvcr.cz

JUSTIZMINISTER
Mgr. Marie Benešová

Ministry of Justice
Vyšehradská 16
128 10 Prague 2
TSCHECHISCHE REPUBLIK
Fax: (00 420) 224 921 657

Sende eine Kopie an

BOTSCHAFT DER TSCHECHISCHEN REPUBLIK
S. E. Herrn Rudolf Jindrák
Wilhelmstraße 44
10117 Berlin
Fax: 030-22 63 81 69
E-Mail: berlin@embassy.mzv.cz

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Tschechisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 2. Dezember 2013 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

FAXE, E-MAILS ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich fordere Sie eindringlich dazu auf, alle notwendigen Maßnahmen zu treffen, um sicherzustellen, dass die Tschechische Republik ihren menschenrechtlichen Verpflichtungen nachkommt und Tatiana Paraskevich nicht in die Ukraine oder die Russische Föderation zurückgeführt wird, wo ihr die Auslieferung nach Kasachstan sowie Folter und andere Menschenrechtsverletzungen drohen.

  • Ich möchte Sie zudem bitten, keine diplomatischen Zusicherungen von der Ukraine, der Russischen Föderation oder jedwedem Land zu akzeptieren, in dem Folter- und andere Misshandlungsmethoden praktiziert werden. Solche Zusicherungen sind äußerst unzuverlässig und liefern keinen wirksamen Schutz vor derartigen Menschenrechtsverletzungen.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Urging the authorities to take all necessary measures to adhere to the Czech Republic’s human rights obligations not to return Tatiana Paraskevich to Ukraine or Russia where she would be in danger of onward transfer to Kazakhstan and at risk of serious human rights violations.

  • Calling on the authorities not to accept diplomatic assurances from Ukraine or Russia or any other country with a record of torture and other ill-treatment, because such guarantees are inherently unreliable and do not provide an effective safeguard against such human rights violations.

Sachlage

Die 49-jährige Tatiana Paraskevich besitzt die russische und die kasachische Staatsbürgerschaft und befindet sich derzeit als Asylbewerberin in der Tschechischen Republik. Sie wurde im Mai 2012 mit einem Haftbefehl von Interpol verhaftet, als sie sich in Karlovy Vary (Karlsbad) im Nordwesten Tschechiens wegen eines Herzleidens medizinisch behandeln ließ. Im Juni 2012 beantragten die ukrainischen Behörden wegen vermeintlicher Finanzdelikte die Auslieferung von Tatiana Paraskevich. Zudem haben die russischen Behörden ein Auslieferungsersuchen eingereicht. Der Gerichtshof in Pilsen hat zweimal gegen die Auslieferung von Tatiana Paraskevich in die Ukraine geurteilt: im Oktober 2012 und im Januar 2013. Im Februar 2013 entschied der Oberste Gerichtshof in Prag jedoch, dem Auslieferungsersuchen stattzugeben. Ein anschließendes Rechtsmittel vor dem Verfassungsgericht wurde im Mai 2013 zurückgewiesen. Einen Monat zuvor, im April 2013, hatte Tatiana Paraskevich Asyl beantragt, die Entscheidung über die Asylgewährung steht jedoch aus. Nach gegenwärtigem tschechischen Recht kann die Auslieferung eineR AsylbewerberIn nicht erfolgen, solange das Asylverfahren noch läuft. Tatiana Paraskevich befindet sich seit über 18 Monaten in Pilsen in Haft.

Die Auslieferungsersuchen der ukrainischen und russischen Behörden sind allem Anschein nach auf die Verbindungen von Tatiana Paraskevich zu dem kasachischen Oppositionellen Mukhtar Ablyazov zurückzuführen. Dieser war 2009 aus Kasachstan geflohen und wurde 2011 in Großbritannien als Flüchtling anerkannt. Mukhtar Ablyazov befindet sich derzeit in Frankreich in Auslieferungshaft. Auch er soll in die Ukraine oder die Russische Föderation ausgeliefert werden. Tatiana Paraskevich ist die ehemalige Geschäftsführerin einer Investmentgruppe. Ihr wird von der ukrainischen sowie der russischen Staatsanwaltschaft vorgeworfen, zusammen mit Mukhtar Ablyazov Finanzdelikte begangen zu haben. Mukhtar Ablyazov ist der ehemalige Vorstandsvorsitzende der kasachischen BTA Bank.

Auf der Grundlage des Völkerrechts hat die Tschechische Republik die uneingeschränkte Verpflichtung, niemanden in ein Land auszuliefern, in dem ihm oder ihr Verfolgung oder andere schwere Menschenrechtsverbrechen drohen. Dies bezieht sich auch auf die Abschiebung in Länder, in denen einer Person die Rückführung in ein anderes Land droht, in dem sie wiederrum solchen Verstößen ausgesetzt wäre. Die tschechischen Behörden müssen also die Auslieferung von Tatiana Paraskevich in die Ukraine oder die Russische Föderation verhindern, denn dies würde einen Verstoß gegen die internationalen Menschenrechtsverpflichtungen Tschechiens darstellen.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Es hat in Kasachstan einige Fälle gegeben, in denen strafrechtliche Verfahren gegen politisch oder zivilgesellschaftlich aktive Personen mit ihren privaten, politischen oder beruflichen Verbindungen zu Mukhtar Ablyazov in Zusammenhang gebracht worden sind. Diese Prozesse entsprachen häufig nicht den internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren, und es wird gemeinhin angenommen, dass die Entscheidungen, die zur Verurteilung der Angeklagten führten, politischer Einflussnahme unterlagen. Am 31. Mai wurden die Frau und die Tochter von Mukhtar Ablyazov rechtswidrig aus Italien ausgewiesen und gegen ihren Willen nach Kasachstan überstellt. Dieses Vorgehen verstößt gegen italienisches Recht und das Völkerrecht.

Folter und andere Misshandlungen sind in Kasachstan als Verhörmethoden und Disziplinierungsmaßnahmen für verurteilte Gefangene an der Tagesordnung. Nähere Informationen finden Sie in dem englischsprachigen Bericht Old habits: The routine use of torture and other ill-treatment in Kazakhstan, unter: http://www.amnesty.org/en/library/info/EUR57/001/2013/en. In einem weiteren Bericht wird auf die Gefahr der Folter und Misshandlung bestimmter nach Kasachstan zurückgeführter Gruppen hingewiesen, so z. B. politische Oppositionelle und Personen, die mit ihnen in Verbindung gebracht werden: Return to torture: Extradition, forcible returns and removals to Central Asia, unter: http://www.amnesty.org/en/library/info/EUR57/001/2013/en.