Urteile bestätigt

Ein Berufungsgericht in Kuwait verkündete am 21. Juli sein Urteil im Fall "Abdali-Zelle". Das Gericht bestätigte eine lebenslange Haftstrafe, eine fünfjährige Gefängnisstrafe sowie ein Todesurteil. Die Angeklagten waren unter anderem wegen "Spionagetätigkeiten für den Iran und die Hisbollah" angeklagt worden. Neun Angeklagte wurden freigesprochen, andere Urteile wurden in kürzere Gefängnisstrafen und Geldstrafen umgewandelt.

Appell an

EMIR VON KUWAIT
His Highness Sheikh Sabah al-Ahmad al-Jaber Al Sabah
Al Diwan Al Amiri,
P.O. Box 1, al-Safat 13001
KUWAIT
(Anrede: Your Highness / Eure Hoheit)
Fax: (00 965) 224 305 59
E-Mail: amirsoffice@da.gov.kw

ERSTER STELLVERTRETENDER MINISTERPRÄSIDENT
His Excellency
Sheikh Mohammed Khaled Al-Hamad Al-Sabah
Ministry of the Interior
P.O. Box 12500, Shamiya 71655
KUWAIT
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 965) 224 965 70
E-Mail: info@moi.gov.kw

Sende eine Kopie an

VORSITZENDER DER PARLAMENTARISCHEN MENSCHENRECHTSKOMMISSION
Parliamentary Human Rights Committee
National Assembly
P.O. Box 716, al-Safat 13008
KUWAIT
Fax: (00 965) 224 363 31
E-Mail: ipu-grp@kna.kw
(Betreff: FAO Chairperson of the Parliamentary Human Rights Committee)

BOTSCHAFT DES STAATES KUWAIT
S. E. Herrn Monther Bader Sulaiman Aleissa
Griegstraße 5-7
14193 Berlin
Fax: 030-8973 0010
E-Mail: info@kuwait-botschaft.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 9. September 2016 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

FAXE, E-MAILS ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Bitte wandeln Sie die Todesurteile gegen Hassan Abdulhadi Ali al-Hajiya und Abdulredha Haydar Dahqani unverzüglich um.

  • Es besorgt mich sehr, dass der Prozess gegen die 26 Männer möglicherweise nicht den internationalen Standards für faire Verfahren entsprach, da durch Folter und anderweitige Misshandlungen erzwungene "Geständnisse" und Aussagen als Beweise genutzt wurden. Ich bitte Sie daher, den verurteilten und inhaftierten Männern ein faires Wiederaufnahmeverfahren zu gewähren, in dem unter Folter erzwungene "Beweise" nicht zugelassen sind und nicht auf die Todesstrafe zurückgegriffen wird.

  • Leiten Sie bitte eine unparteiische und unabhängige Untersuchung aller in diesem Fall erhobenen Foltervorwürfe ein und lassen Sie dabei auch gerichtsmedizinische Untersuchungen durchführen, die internationalen Standards entsprechen. Stellen Sie die Verantwortlichen anschließend vor Gericht.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Calling on the Kuwaiti authorities to commute the death sentences imposed on Hassan Abdulhadi Ali al-Hajiya and Abdulredha Haydar Dahqani immediately.

  • Expressing concern that the trial was unfair as "confessions" or other statements obtained by torture and other ill-treatment or coercion were used as evidence in court and calling for those convicted and imprisoned to be retried in line with internationally recognized standards for fair trials, in proceedings that exclude torture-tainted evidence and without recourse to the death penalty.

  • Calling on the authorities to order an impartial and independent investigation, including forensic medical examinations that are in line with international standards, into all the allegations of torture in this case, and bring those responsible to justice.

Sachlage

Am 21. Juli verkündete ein Berufungsgericht in Kuwait sein Urteil im Prozess gegen die "Abdali-Zelle". Den Angeklagten wurden unter anderem "Spionagetätigkeiten für den Iran und die Hisbollah mit dem Ziel, Angriffe gegen den Staat Kuwait durchzuführen" vorgeworfen. Sie sollen Sprengstoff sowie Schusswaffen und Munition nach Kuwait geschmuggelt und dort zusammengebaut haben. Das Gericht bestätigte das Todesurteil des kuwaitischen Staatsbürgers Hassan Abdulhadi Ali al-Hajiya, ebenso wie die lebenslange und die fünfjährige Haftstrafe zweier anderer Angeklagten. Neun Männer, die ursprünglich zu 15 Jahren Haft verurteilt worden waren, wurden freigesprochen. Drei weitere Haftstrafen wurden von 15 Jahren auf zwischen zwei und fünf Jahre verkürzt, eine zehnjährige Haftstrafe wurde in eine Strafe von fünf Jahren umgewandelt. Des Weiteren erhielten zwei Männer, die zu 15 Jahren Haft verurteilt worden waren, und zwei weitere Angeklagte, die je eine fünfjährige Haftstrafe erhalten hatten, im Rechtsmittelverfahren stattdessen eine Geldstrafe in Höhe von 5.000 Kuwait-Dinar (etwa 15.000 Euro). Das Gericht überprüfte weder den Fall des zum Tode verurteilten iranischen Staatsangehörigen Abdulredha Haydar Dahqani noch den eines kuwaitischen Staatsbürgers, der zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Grund dafür ist, dass die Urteile gegen die beiden Männer in Abwesenheit verkündet worden waren und beide kein Rechtsmittel eingelegt hatten. Die Freisprüche von drei Angeklagten und die Geldstrafe eines weiteren Angeklagten wurden ebenfalls im Rechtsmittelverfahren bestätigt. Das Gericht lies Vorwürfe vieler Angeklagter über Folter und anderweitige Misshandlung unberücksichtigt. Die Fälle werden nun zur Bestätigung der Urteile an das Kassationsgericht weitergeleitet. Alle Angeklagten, die freigesprochen oder zu Geldstrafen verurteilt wurden, sind bereits freigelassen worden.

Das Berufungsgericht verwies die Fälle von 17 Angeklagten zurück an das Gericht erster Instanz zur Neuverhandlung. Den Männern wird vorgeworfen, von Hisbollah-Mitgliedern im Gebrauch von Sprengstoff, Schusswaffen und Munition geschult worden zu sein. Das Datum der Verhandlung wurde noch nicht festgelegt.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Am 13. August 2015 beschlagnahmten die kuwaitischen Behörden auf einem landwirtschaftlichen Betrieb in Abdali nahe der Grenze zum Irak Schusswaffen, Munition und Sprengstoff. In Verbindung mit dem Waffenfund erhob die Staatsanwaltschaft am 1. °September 2015 Anklage gegen insgesamt 26 Personen, darunter ein iranischer Staatsangehöriger. Am 15. September wurde das Verfahren gegen die 26 als "Abdali-Zelle" bekannten Männer vor einem Strafgericht eröffnet. Zwei der Angeklagten waren während des Verfahrens nicht anwesend. Den Angeklagten wurden unter anderem "Spionagetätigkeiten für den Iran und die Hisbollah mit dem Ziel, Angriffe gegen den Staat Kuwait durchzuführen" vorgeworfen. Sie sollen Sprengstoff sowie Schusswaffen und Munition nach Kuwait geschmuggelt und dort zusammengebaut haben. Die anwesenden Angeklagten wiesen vor Gericht sämtliche Vorwürfe zurück. Das Gericht ordnete an, dass die Männer von einem unabhängigen medizinischen Ausschuss auf Spuren von Folterungen untersucht werden. Außerdem wies das Gericht die Gefängnisbehörden an, ihnen zu erlauben, sich telefonisch mit ihren Rechtsbeiständen in Verbindung zu setzen. Bereits zu Beginn des Prozesses gaben die Angeklagten an, mit Folter zu "Geständnissen" gezwungen worden zu sein, und erklärten dass die durch die dadurch verursachten Verletzungen noch sichtbar seien. Ein Angeklagter sagte, er sei während des Verhörs gezwungen worden, seine Kleidung auszuziehen, ein anderer gab an, mit einem Schlagstock vergewaltigt worden zu sein.

Die medizinische Untersuchung der 23 Angeklagten wurde gegen Ende September 2015 vorgenommen. Berichten zufolge wurden den Männern die Augen verbunden und Handschellen angelegt und ihnen nicht mitgeteilt, wohin sie gebracht werden. Die Untersuchung wurde von einem einzigen Arzt in Anwesenheit eines Angehörigen der Sicherheitskräfte durchgeführt. In dem Raum gab es weder klinische noch medizinische Geräte. Die oberflächlich vorgenommenen Untersuchungen dauerten pro Person etwa fünf Minuten. Innerhalb von zwei Stunden waren alle Männer wieder zurück in ihren Zellen. Als der gerichtsmedizinische Bericht in der zweiten Anhörung am 29. September vorgelegt wurde, hieß es darin, dass die Männer nicht gefoltert worden seien.

Mohammad al-Hussaini ist Religionslehrer und Imam in der al-Hussain-Moschee. Er ist verheiratet und hat drei Kinder. Sein Bruder Abdullah al-Hussaini, Vater von zwei Kindern, zog 2011 Jahren nach Jordanien, um dort Sport zu studieren mit dem Ziel, Sportlehrer zu werden. Nachdem er sich bei einem Unfall an der Hand verletzt hatte, musste er sein Studium abbrechen und kehrte nach Kuwait zurück. Mohammad al-Hussaini gab gegenüber seiner Familie an, in Haft gefoltert worden zu sein. Zudem habe man seine Familie und Religion beleidigt und seinen schwarzen Turban (ein Zeichen dafür, dass er ein Nachkomme des Propheten ist) weggenommen und darauf uriniert. Danach wurde Mohammad al-Hussaini gezwungen, den Turban wieder aufzusetzen. Er erzählte Familienmitgliedern, dass sein Bruder Abdullah al-Hussaini während seines Verhörs vor seinen Augen gefoltert wurde. Dabei traten ihm Verhörbeamt_innen im Stehen und Liegen in den Rücken. Seitdem leidet Abdullah an starken Rücken- und Blasenbeschwerden. Der Zugang zum Gefängnisarzt wurde ihm jedoch verwehrt. Als Angehörige die Brüder besuchten, stellten sie fest, dass Abdullah al-Hussaini nicht aufstehen konnte. Am 12. Januar 2016 wurde Mohammad al-Hussaini wegen "Beschaffung und Besitz von Sprengstoffen vor Erhalt einer Lizenz" und "Beschaffung und Besitz von drahtlosen Kommunikationsapparaten vor Erhalt einer Lizenz" zu fünf Jahren Haft verurteilt. Sein Bruder Abdullah al-Hussaini wurde zu einer Geldstrafe von 5.000 Kuwait-Dinar (etwa 15.000 Euro) verurteilt und freigelassen. Am 21. Juli wurde die Haftstrafe von Mohammad al-Hussaini im Rechtsmittelverfahren in eine Geldstrafe in Höhe von 5.000 Kuwait-Dinar umgewandelt. Er wurde aus der Haft entlassen.

Der schiitische Imam Mohammad al-Hussaini wurde am 13. August 2015 bei einer Razzia von Angehörigen der Staatssicherheit im Haus seiner Familie in West-Mishref im Gouvernement Hawalli festgenommen. Sein Bruder Abdullah al-Hussaini wurde dort am 16. August festgenommen. Die Festnahmen der anderen Männer erfolgten unter ähnlichen Umständen. Die Sicherheitskräfte legten weder Haftbefehle vor noch begründeten sie die Festnahmen. Sie beschlagnahmten Computer, Handys und weitere elektronische Geräte. Während der Verhöre der Männer durften keine Rechtsbeistände anwesend sein. Erst nachdem die Staatsanwaltschaft den Fall am 1. September an ein Strafgericht verwiesen hatte, durften Angehörige und Rechtsbeistände die Männer im Gefängnis besuchen. Während dieser Besuche gaben die Männer an, gefoltert worden zu sein. Zu den Foltermethoden zählten laut Angaben der Inhaftierten unter anderem Schläge, das Aufhängen an einem oder beiden Armen oder Beinen sowie Elektroschocks. Viele von ihnen berichteten, die Verhörbeamt_innen hätten ihnen zudem damit gedroht, weibliche Familienangehörige ins Gefängnis zu bringen und diesen Schaden zuzufügen, sollten sie kein "Geständnis" ablegen. Manche erklärten auch, sie seien gezwungen worden, vorformulierte "Geständnisse" vor laufender Kamera vorzulesen.

Weitere Informationen finden Sie in dem englischsprachigen Bericht: Kuwait: Submission to the UN Committee Against Torture, 59th session, unter https://www.amnesty.org/en/documents/mde17/4395/2016/en/).