Demonstrierenden mit Haft gedroht

Die moldauischen Behörden haben mit der Festnahme einer Gruppe zivilgesellschaftlich engagierter BürgerInnen gedroht, die eine friedliche Demonstration organisiert hatten. Ihnen wird die Schuld an den Unruhen gegeben, die tags darauf ausbrachen. Amnesty International befürchtet, dass die Behörden sie für die gewaltsamen Unruhen vom 7. April 2009 in der moldauischen Hauptstadt Chişinău (Kischinau) verantwortlich machen wollen.

Appell an

GENERALSTAATSANWALT VON MOLDAU
Valeriu Gurbulea
26, Mitropolit Banulescu-Bodoni Str., MD-2005
Chişinău, MOLDAU
(korrekte Anrede: Dear Procurator General)
Fax: (00373) 22 21 20 32
E-Mail: prokuror@gov.md

Sende eine Kopie an

INNENMINISTER VON MOLDAU
Gheorghe Papuc
Stefan cel Mare Bld., 75, MD-2012
Chişinău, MOLDAU

PARLAMENTARISCHER MENSCHENRECHTSANWALT
Anatolie Munteanu
Centre for Human Rights in the Republic of Moldova
16 Sfatul Tarii Str., MD-2012
Chişinău, MOLDAU
Fax: (00373) 22 22 54 42

BOTSCHAFT DER REPUBLIK MOLDAU
S.E. Herrn Dr. Igor Corman
Gotlandstraße 16, 10439 Berlin
Fax: 030-4465 2972
E-Mail: office@botschaft-moldau.de
E-Mail: mai@mai.md
Fax: (00373) 22 22 2723

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Moldauisch, Russisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 21. Mai 2009 keine Appelle mehr zu verschicken.

Please send appeals to arrive as quickly as possible, in Russian, Romanian or your own language:

  • reminding the Moldovan authorities that they have a responsibility to safeguard the rights to freedom of assembly, association and expression in accordance with various international human rights standards to which Moldova is a state party, including the International Covenant on Civil and Political Rights and the European Convention for the Protection of Human Rights and Fundamental Freedoms;

  • informing the authorities that Ghenadie Brega, Oleg Brega, Natalia Morari and other members of the initiative group were reportedly exercising their right to freedom of expression and peaceful assembly in accordance with the Law on Assemblies of the Republic of Moldova;

  • if they are arrested for organizing a peaceful assembly for which they had notified the authorities Amnesty International will consider them prisoners of conscience and ask for their immediate release;

  • urging the authorities to distinguish carefully between those who are suspected of having committed criminal acts and those who have exercised their right to freedom of expression and peaceful assembly;

  • asking the authorities to independently and thoroughly investigate the allegations that Oleg Brega was beaten by plain-clothes police officers on the night of 8 April 2009.

Amnesty fordert:

SCHREIBEN SIE BITTE E-MAILS, FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE, IN DENEN SIE

  • die moldauischen Behörden an ihre Verpflichtung erinnern, die Rechte auf Versammlungs-, Vereinigungs- und Meinungsfreiheit zu schützen gemäß mehrerer internationaler Menschenrechtsnormen, denen Moldau als Vertragsstaat angehört, darunter der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte und die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten;

  • die Behörden darüber in Kenntnis setzen, dass Ghenadie Brega, Oleg Brega, Natalia Morari und weitere Mitglieder der Gruppe Berichten zufolge von ihren Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit Gebrauch gemacht haben, gemäß des Versammlungsgesetzes der Republik Moldau;

  • den Behörden mitteilen, dass falls sie lediglich wegen Organisierens einer friedlichen Versammlung festgenom-men werden, über die sie die Behörden informiert hatten, sie von Amnesty International als gewaltlose politische Gefangene angesehen würden, die unverzüglich freizulassen wären;

  • bei den Behörden auf eine sorgfältige Unterscheidung zwischen Personen, die einer Straftat verdächtigt werden, und solchen, die ihre Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit ausgeübt haben, dringen;

  • von den Behörden eine unparteiische und umfassende Untersuchung der Vorwürfe fordern, Oleg Brega sei am Abend des 8. April von Beamten in Zivil geschlagen worden.

Sachlage

Natalia Morari, Oleg Brega und Ghenadie Brega droht die Festnahme und eventuell eine Anklage wegen Organisierens von Aufständen sowie Beteiligung an einem Staatsstreich – eine Straftat, die mit bis zu 20 Jahren Haft geahndet werden kann.

Alle drei Personen gehören zu einer Gruppe zivilgesellschaftlich engagierter BürgerInnen, die am 6. April einen friedlichen "Trauertag" organisiert hat, um gegen das Ergebnis der Parlamentswahlen vom Vortag zu protestieren. Sie hatten entsprechend der gesetzlichen Regelungen die Behörden über ihr Vorhaben informiert.

Die Mahnwache wurde von der Gruppe auf Plattformen im Internet, per SMS und durch Mundpropaganda angekündigt. Natalia Morar sagte gegenüber Amnesty International, dass sie höchstens 300 Menschen erwartet hätten und sehr überrascht waren, als 10.000 Personen teilnahmen, darunter auch die führenden Politiker aller wichtigen Oppositionsparteien. Die Organisatoren der Mahnwache forderten um 20:00 Uhr alle zum Gehen auf, doch die anwesenden Politiker hielten bis 20:30 Uhr Ansprachen vor der Menge. Bevor sich die Versammlung friedlich auflöste, wurde von diesen ein weiteres Treffen für 10:00 Uhr des Folgetages angekündigt.

Amnesty International ist der Überzeugung, dass die Organisatoren ihr Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit ausgeübt haben. Sollten sie aufgrund einer friedlichen Versammlung, über die sie die Behörden informiert hatten, festgenommen werden, so würden sie als gewaltlose politische Gefangene angesehen.

Aus dem von den Oppositionspolitikern vorgeschlagenen und organisierten Treffen am 7. April wurden gewaltsame Unruhen. Natalia Morar sagte gegenüber Amnesty International, dass sie an diesem Tag anwesend war und versuchte, Lautsprecher aufzutreiben, um den Demonstranten einzuschärfen, auf dem Protestgelände zu bleiben und sich dem Regierungsgebäude nicht zu nähern. An diesem Tag gab die Generalstaatsanwaltschaft jedoch eine Pressemitteilung heraus, in der die Organisatoren und Teilnehmer des "Trauertages" vom 6. April beschuldigt wurden, einen Aufstand organisiert und mitgetragen zu haben sowie gegen die gesetzlichen Bestimmungen für Versammlungen verstoßen zu haben. Als Gründe wurden genannt Stören der öffentlichen Ordnung, Teilnahme von Minderjährigen, Ermunterung zur Trunkenheit und Behinderung des öffentlichen Verkehrs. In der Pressemitteilung wurde Ghenadie Brega namentlich genannt.

Nach den Unruhen drohten Regierungssprecher am 8. April an, alle an den Ausschreitungen beteiligten Personen wegen eines versuchten Staatsstreichs strafrechtlich zu verfolgen. Die Generalstaatsanwaltschaft informierte einen Freund von Oleg und Ghenadie Brega darüber, dass Ermittlungen wegen eines versuchten Staatsstreichs aufgenommen worden waren, nannte jedoch keine Verdächtigen. Am 8. April erfuhren Natalia Morari und Oleg Brega, dass sie beschuldigt wurden, Aufstände organisiert und einen Putsch angezettelt zu haben. Letzteres ist eine Straftat, auf die eine Gefängnisstrafe von bis zu 20 Jahren stehen kann. Sie wurden jedoch bis heute nicht unter Anklage gestellt. Am selben Tag wurde Oleg Brega Berichten zufolge von Polizeibeamten in Zivil geschlagen, als er versuchte, Beamte zu filmen, die etwa um Mitternacht in einem Park nahe des Regierungsgebäudes Verdächtige traktierten.

Oleg Brega, Ghenadie Brega und Natalia Morari sind momentan aus Furcht vor einer Festnahme untergetaucht. Bisher wurden keine weiteren Mitglieder der Gruppe bedroht oder angeklagt.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Am 5. April fanden in Moldau Parlamentswahlen statt. Offiziellen Angaben zufolge erhielten die regierenden Kommunisten 49,9% der Stimmen, wodurch sie eine Mehrheit von 61 Sitzen im Parlament erlangten.

Bis zu 15.000 Menschen fanden sich am 7. April auf dem Platz der Großen Nationalversammlung ein und marschierten von dort aus zu den Präsidentschafts- und Parlamentsgebäuden. Um die Mittagszeit hatte die Demonstration gewalttätige Züge angenommen. Nachdem sich Polizei und Demonstranten anfänglich friedlich vor beiden Gebäuden gegen-über standen, begann die Menge nun, gegen die Polizeisperre anzudrängen. Mitarbeiter von Amnesty International wurden Zeugen, wie aus der Menge Gegenstände auf das von der Bereitschaftspolizei bewachte Präsidentschafts-gebäude flogen, darunter Plastik- und Glasflaschen, Steine, Eier, Teile von Mauerwerk und Pflastersteine. Berichten zufolge wurde die Gewalt von Beamten in Zivil provoziert, die sich unter die Menge gemischt hatten. Trotz ihrer großen Zahl zog sich die Bereitschaftspolizei letztendlich vollständig zurück, und Demonstranten stürmten beide Gebäude. Büros wurden geplündert, Feuer gelegt und Möbelstücke und Papiere aus den Fenstern geworfen. Für den Rest des Tages blieben beide Gebäude weitgehend unbewacht.