Gefangener in Hungerstreik

Zeichnung einer Figur hinter Gefängnisgittern

Der Palästinenser Muhammed al-Qiq ist seit dem 6. Februar im Hungerstreik und protestiert damit gegen seine Verwaltungshaft. Eine Antwort der israelischen Behörden auf die Forderung des Rechtsbeistands, seinen Mandanten Muhammed al-Qiq zur medizinischen Versorgung in ein Krankenhaus einzuweisen, steht noch aus. Er wird in Einzelhaft gehalten und ist zunehmend geschwächt.

Appell an

VERTEIDIGUNGSMINISTER Avigdor Liberman Ministry of Defence 37 Kaplan Street, Hakirya Tel Aviv 61909 SRAEL (Anrede: Dear Minister / Sehr geehrter Herr Minister) Fax: (00 972) 3 691 6940 E-Mail: minister@mod.gov.il oder pniot@mod.gov.il

BEAUFTRAGTER DER ISREALISCHEN STRAFVOLLZUGSBEHÖRDE Lieutenant-General Ofra Klinger Israel Prison Service PO Box 81 Ramleh 72100 ISRAEL (Anrede: Dear Lieutenant General / Sehr geehrter Herr Generalleutnant) Fax: (00 972) 8 919 3800

MINISTER FÜR ÖFFENTLICHE SICHERHEIT Gilad Erdan Kiryat Hamemshala PO Box 18182 Jerusalem 91181 ISRAEL (Anrede: Dear Minister / Sehr geehrter Herr Minister) Fax: (00 972) 2 584 7872 E-Mail: gerdan@knesset.gov.il

Sende eine Kopie an

BOTSCHAFT DES STAATES ISRAEL S. E. Herrn Yacov-David Hadas-Handelsman Auguste-Viktoria-Straße 74-76 14193 Berlin Fax: 030 8904 5555 oder 030 8904 5309 E-Mail: botschaft@israel.de

 

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Hebräisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 5. April 2017 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

FAXE, E-MAILS ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Bitte lassen Muhammed al-Qiq und alle weiteren Verwaltungshäftlinge frei, sofern sie nicht umgehend einer international als Straftat anerkannten Handlung angeklagt und in einem Verfahren gemäß internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren vor Gericht gestellt werden.

  • Stellen Sie bitte sicher, dass er bis zu seiner Entlassung in ein ziviles Krankenhaus verlegt wird, um dort die benötigte fachärztliche Versorgung zu erhalten. Bitte unterlassen Sie Bestrafungen aufgrund seines Hungerstreiks.

  • Bitte ergreifen Sie sofort Maßnahmen, um die Praxis der Verwaltungshaft zu beenden.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Calling on the Isreali authorities to release Muhammed al-Qiq and all others who have been placed unter administrative detention, unless they are charged with an international recognizable crime, in proceedings that adhere to international fair trial standards.

  • Urging them to ensure that, pending his release, he is immediately transferred to a civilian hospital and receives the specialized medical treatment he requires, and is not subjected to punitive measures as a result of his decision to go on strike.

  • Urging them to take immediate steps to end the practice of administrative detention.

Sachlage

Am 15. Januar wurde Muhammed al-Qiq, ein palästinensischer Journalist aus Dura, Hebron, auf seinem Weg nach Hause von israelischen Sicherheitskräften am Kontrollpunkt Beit El in der Nähe von Ramallah festgenommen. Er war auf dem Rückweg von einer Demonstration in Betlehem, bei der gegen die israelische Politik protestiert wurde, palästinensischen Familien die Leichen von Angehörigen nicht auszuhändigen, denen Anschläge zur Last gelegt werden. Nach seiner Festnahme unterzog man ihn 22 Tage lang Verhören wegen Aufwiegelung. Am 6. Februar ordnete ein Militärgericht eine sechsmonatige Verwaltungshaft für ihn an. Er reagierte darauf im Gericht mit der Ankündigung, in einen Hungerstreik zu treten, um damit gegen seine erneute Inhaftierung ohne Anklage und Gerichtsverfahren zu protestieren. Am nächsten Tag reduzierte das israelische Militärgericht die Verwaltungshaftordnung auf drei Monate. Muhammed al-Qiq wird im Kishon-Gefängnis im Norden Israels festgehalten.

Der Rechtsbeistand von Muhammed al-Qiq sollte am 15. Februar seinen Mandanten treffen. Doch Beamt_innen des israelischen Strafvollzugsdienstes (Israeli Prison Service - IPS) teilten ihm mit, dass Muhammed al-Qiq weder laufen noch das Bett verlassen könne. Nach Einlegen eines Rechtsmittels vor dem Hohen Gericht Israels gestattete der IPS Muhammed al-Qiq am 19. Februar zum ersten Mal innerhalb von zehn Tagen seinen Rechtsbeistand zu treffen. Der Rechtsbeistand teilte Amnesty International mit, dass Muhammed al-Qiq sehr schwach wirkte und sich sehr erschöpft fühlte und ihm das Sprechen schwerfiel. Sein Gewichtsverlust war bereits erkennbar. Er erzählte, dass er in einem zwei Quadratmeter kleinen Raum mit niedriger Decke in Einzelhaft gehalten werde, und es sich anfühle wie in einem "eiskalten Grab". Zudem klagte er über Schmerzen im Rücken und, dass er nicht dazu fähig sei, die Kälte auszuhalten, vor allem da er nur eine hauchdünne Decke habe. Sein Rechtsbeistand teilte dem IPS mit, dass er über Muhammed al-Qiqs Gesundheit sehr besorgt sei und verlangte, sie sollten ihn in ein Krankenhaus verlegen. Das IPD lehnte dies jedoch ab.

Verwaltungshaftanordnungen ermöglichen bis zu sechs Monate lange Inhaftierungen ohne Verfahren und Anklage. Das israelische Militär setzt sie überwiegend gegen Palästinenser_innen ein. Verwaltungshaftanordnungen können beliebig oft erneuert werden. Muhammed al-Qiq wurde bereits im November 2015 für sieben Monate in Verwaltungshaft genommen. Als Protest gegen seine Inhaftierung trat er für 94 Tage in den Hungerstreik.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Muhammed al-Qiq wurde im März 2016 nach über 90 Tagen im Hungerstreik aus dem Nafha-Gefängnis in der Negev/Naqab-Wüste freigelassen. Mit dem Hungerstreik protestierte er gegen seine Verwaltungshaft. Als Folge des Hungerstreiks verlor er 53 Kilo Körpergewicht und leidet seither an Rückenschmerzen, Schwindel, Kraftlosigkeit und Verdauungsproblemen. Als die israelischen Behörden die Verwaltungshaftanordnung nicht erneuerten, beendete Muhammed al-Qiq am 25. Februar 2016 seinen Hungerstreik. Nach seiner Entlassung benötigte er dringend medizinische Versorgung und verbrachte einige Woche im Krankenhaus, bevor er zu seiner Familie zurückkehren konnte. Seine Ehefrau Fayha Shalash äußerte sich besorgt über seinen Gesundheitszustand und sagte, dass ihr Mann immer noch "schwach und anfällig" sei und sich noch nicht von den Folgen des letzten Hungerstreiks erholt habe. "Ich habe Angst, dass er einen weiteren Hungerstreik nicht überlebt", sagte sie. Sie ist davon überzeugt, dass die israelischen Behörden ihren Mann wegen seines Aktivismus zum Schweigen bringen und für seinen vorherigen Hungerstreik bestrafen wollen. "Seit seiner Freilassung", sagt sie, "spricht Muhammed mit lokalen und internationalen Menschenrechtsorganisationen über seine Inhaftierung und verteidigt die Menschenrechte von Palästinenser_innen, indem er Israel dazu aufruft, die Leichen getöteter Palästinenser_innen freizugeben".

Wie die meisten anderen Palästinenser_innen aus den besetzten palästinensischen Gebieten in israelischem Gewahrsam ist auch Muhammed al-Qiq in Israel inhaftiert, dies verstößt gegen die Genfer Konvention. Seine Familie in Hebron kann ihn nur mit schriftlicher Genehmigung des israelischen Militärs besuchen.

Muhammed al-Qiq wurde des Öfteren festgenommen und inhaftiert. Seit Oktober 2015 kommt es in Israel und den besetzten palästinensischen Gebieten verstärkt zu gewaltsamen Auseinandersetzungen. Wie in anderen Zeiten erhöhter Spannungen gehen die israelischen Behörden mit Massenfestnahmen und vermehrten Verwaltungshaftanordnungen gegen Palästinenser_innen vor. Gleichzeitig wurde wieder damit begonnen, Minderjährige in Verwaltungshaft zu nehmen. Laut der israelischen Menschenrechtsorganisation B’Tselem befanden sich Ende August 2016 insgesamt 644 Personen in Verwaltungshaft. Im August 2015 waren es 341.

Die Praxis der Verwaltungshaft wurde vorgeblich als Sondermaßnahme zur Inhaftierung von Personen eingeführt, die eine große und unmittelbare Gefahr für die Sicherheit darstellen. Israel setzt diese Form der Haft jedoch als Alternative zum Strafjustizsystem ein, um Personen festzunehmen, anzuklagen und vor Gericht zu stellen, denen Straftaten vorgeworfen werden. Verwaltungshaftanordnungen, die beliebig oft verlängert werden können, werden zudem gegen Personen eingesetzt, für deren Festnahme keinerlei Gründe vorliegen. Amnesty International ist der Ansicht, dass einige der Palästinenser_innen, die unter israelischer Verwaltungshaft stehen, gewaltlose politische Gefangene sind, die sich nur deshalb in Haft befinden, weil sie friedlich ihre Rechte auf freie Meinungsäußerung und Vereinigungsfreiheit wahrgenommen haben. Das Nutzen von geheimen Beweisen nimmt den Häftlingen das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren. Da die Häftlinge ihre Verteidigung nicht angemessen vorbereiten können und sie nicht wissen, wann sie entlassen werden, betrachtet Amnesty International den israelischen Einsatz der Verwaltungshaft an sich zum Teil als grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlung.