In Gewahrsam ohne Kontakt zur Außenwelt

Diese Urgent Action ist beendet.

Mustafa Muhammad Muftah al-Imam war am 29. Oktober von US-Streitkräften in Libyen festgenommen worden. Er wurde in die USA geflogen und erschien am 3. November vor einem Bundesgericht.

Zhen Jianghua ist hinter Gittern, seine Hände an den Gitterstäben. An der Außenwand ein Schild: Polizeiwache.

Der chinesische Menschenrechtsverteidiger Zhen Jianghua hinter Gittern auf einer Polizeiwache

Ein libyscher Staatsbürger, dem in den USA Anklagen und die Todesstrafe drohen, wurde am 29. Oktober von US-Streitkräften in Libyen festgenommen und auf ein Schiff gebracht. 2014 gab es bereits einen ähnlichen Fall: Bevor der damalige Verdächtige in den USA vor Gericht gestellt wurde, war er 13 Tage lang ohne Kontakt zur Außenwelt auf einem Schiff festgehalten worden.

Appell an

Justizminister Jeff Sessions

US Attorney General, Department of Justice

950 Pennsylvania Avenue NW

Washington DC 20530 0001

USA

Sende eine Kopie an

Kopien an

Botschaft der Vereinigten Staaten von Amerika

Herrn Kent Doyle Logsdon (Gesandter-Botschaftsrat)

Clayallee 170


14191 Berlin

Fax: 030 830 510 50

E-Mail: über
http://germany.usembassy.de/email/feedback.htm

Amnesty fordert:

  • Ich fordere Sie auf, Mustafa al-Imam über sein Recht auf einen sofortigen Zugang zu einem Rechtsbeistand aufzuklären und ihm dieses Recht zu gewähren. Dasselbe gilt für medizinische Versorgung, konsularischen Beistand und Besuche seiner Angehörigen.
  • Bitte ermöglichen Sie eine unabhängige Prüfung der Haftbedingungen von Mustafa al-Imam.
  • Sorgen Sie bitte dafür, dass Mustafa al-Imam umgehend vor Gericht gestellt und in voller Übereinstimmung mit internationale Menschenrechtsnormen und -standards behandelt wird. Dies gilt auch für eine eventuelle Untersuchungshaft nach seiner Ankunft in den USA.
  • Ich möchte Sie außerdem nachdrücklich bitten, nicht die Todesstrafe zu fordern, falls es zum Prozess kommt.

Sachlage

US-Präsident Donald Trump gab am 30. Oktober bekannt, dass "die US-Streitkräfte gestern, auf meinen Befehl, Mustafa al-Imam in Libyen festgenommen haben". Dieser werde sich "in den USA vor Gericht zu verantworten haben".  Die US-Streitkräfte hatten den libyschen Staatsbürger zuvor in der Nähe der Küstenstadt Misurata im Nordwesten Libyens festgenommen. Berichten zufolge wurde er auf ein Schiff gebracht. Es ist jedoch noch nicht klar, ob ihn die US-Behörden – wie in einem ähnlichen Fall 2014 – dort festhalten und mit dem Schiff in die USA bringen wollen oder ob er mit dem Flugzeug überstellt werden soll. In einer Mitteilung des US-Justizministeriums heißt es: "Al-Imam befindet sich in US-amerikanischem Gewahrsam. Nach seiner Ankunft in den USA wird er in Washington DC einem Bundesgericht vorgeführt werden." Ein konkreter Zeitpunkt wurde jedoch nicht genannt. Die Anklagepunkte gegen Mustafa al-Imam stammen aus einer Strafanzeige des Bezirksgerichts Washington DC vom 19. Mai 2015, die seit dem  31. Oktober 2017 nicht mehr unter Verschluss ist. Sie beziehen sich auf eine Beteiligung an dem Anschlag vom 11. September 2012 auf das US-Konsulat in Bengasi, bei dem der US-Botschafter Christopher Stevens sowie die US-amerikanischen Staatsbürger Sean Smith, Tyrone Woods und Glen Doherty getötet wurden. Der Hauptanklagepunkt, "Tötung einer Person bei einem Anschlag auf eine US-amerikanische Einrichtung", kann in den USA mit der Todesstrafe geahndet werden. Der Antrag auf Verhängung der Todesstrafe durch ein Bundesgericht muss vom Justizminister autorisiert werden.

In einem ähnlichen Fall war am 15. Juni 2014 der libysche Staatsbürger Ahmed Abu Khatallah, von US-Spezialkräften in der Nähe von Bengasi im Osten Libyens festgenommen worden. Er wurde auf ein Schiff der US-Marine gebracht, das vor der libyschen Küste ankerte. Während der 13-tägigen Überfahrt in die USA wurde er ohne Kontakt zur Außenwelt festgehalten und verhört. Ahmed Abu Khatallahs Rechtsbeistände forderten bereits vor Prozessbeginn, dass diese Aussagen nicht vor Gericht zugelassen werden sollten. Das Recht ihres Mandanten, nach einer Festnahme umgehend einem Gericht vorgeführt zu werden, sei verletzt worden. Sein Verzicht auf das Recht, die Aussage zu verweigern sowie auf das Beisein eines Rechtsbeistands (dies hatte er nach mehren Verhörtagen durch Geheimdienstmitarbeiter_innen gegenüber FBI-Angehörigen erklärt) sei angesichts seiner vorausgegangenen Behandlung unglaubwürdig. Der Richter des Bezirksgerichts von Washington DC lehnte diesen Antrag im August 2017 ab.

Die Praxis anhaltender Haft ohne Kontakt zur Außenwelt kann Folter oder anderweitigen Misshandlungen Vorschub leisten. Je nach Situation kann diese selbst als Folter oder grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe gelten. Internationale Menschenrechtsnormen garantieren das Recht, nach einer Festnahme umgehend einem Gericht vorgeführt zu werden. Eventuelle Verzögerungen sollten nicht länger als einige Tage dauern.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Wie bei früheren, ähnlichen Festnahmen von Verdächtigen durch die USA, wurde auch in diesem Fall kein Auslieferungsersuchen gestellt. Mustafa al-Imam ist der dritte libysche Staatsbürger, der seit 2013 von US-Streitkräften in Libyen festgenommen wurde, um anschließend in die USA gebracht zu werden. Am 5. Oktober 2013 nahmen US-Streitkräfte Nazih Abdul-Hamed al-Ruqai, alias Abu Anas al-Libi, in Tripolis fest. Bevor er in die USA gebracht wurde, wurde er an Bord der USS San Antonio verhört. Die Anklagepunkte bezogen sich auf eine Beteiligung an den Bombenanschlägen 1998 auf die US-Botschaften in Kenia und Tansania. 2014 brachte sein Rechtsbeistand vor Gericht vor, dass die US-Streitkräfte seinen Mandanten auf dem Schiff ohne Kontakt zur Außenwelt festgehalten hätten und er dort vom US-Geheimdienst CIA und anderen über einen Zeitraum von einer Woche täglich verhört worden sei. Er beanstandete, dass sein Mandant durch die fortlaufenden Verhöre faktisch Schlafentzug unterworfen gewesen sei. Die US-Behörden verkürzten dessen Haft ohne Kontakt zur Außenwelt aufgrund einer lebensbedrohlichen Erkrankung. Nazih Abdul-Hamed al-Ruqai starb noch vor Prozessbeginn am 2. Januar 2015 in den USA.

US-Streitkräfte nahmen Ahmed Abu Khattalah am 15. Juni 2014 in der Nähe von Bengasi im Osten Libyens fest. 2017 forderte die Verteidigung, die Aussagen, die Abu Khatallah in den Verhören während seiner 13-tägigen Haft ohne Kontakt zur Außenwelt an Bord der USS New York gemacht hatte, nicht vor Gericht zuzulassen. In dem Antrag hieß es, dass die US-Regierung die transatlantische Überfahrt absichtlich verlangsamt habe, um die Verhörzeit zu maximieren. Die US-Regierung argumentierte dagegen, dass es unmöglich gewesen sei, den Inhaftierten in die USA zu fliegen, da so ein Flug aus einem oder über ein EU-Land hätte erfolgen müssen. Aufgrund der drohenden Verhängung der Todesstrafe wäre dies sicher verweigert worden. Laut der US-Regierung wären auch die Länder des Nahen Ostens und Nordafrikas "angesichts potentieller innenpolitischer Gegenreaktionen, die eine Beteiligung an einer Anti-Terror-Operation mit den USA hervorrufen könnte, fragwürdige Partner gewesen." Ein Richter des Bezirksgerichts von Washington DC akzeptierte auch die Erklärung der Regierung, dass die Überfahrt wegen eines Maschinenschadens an Bord länger gedauert habe. Bereits im Februar 2016 hatte der Richter einen Antrag der Verteidigung zurückgewiesen, als Ausgleich für die Art und Weise, wie Ahmed Abu Khatallah in Gewahrsam genommen worden war, entweder die Rückführung des Angeklagten nach Libyen anzuordnen oder die Forderung der US-Regierung nach Verhängung der Todesstrafe zu blockieren. Im Mai 2016 gab die Obama-Regierung jedoch bekannt, dass sie die Todesstrafe nicht fordern würde. Der Prozess von Ahmed Abu Khatallah vor dem Bezirksgericht in Washington DC begann im Oktober 2017.

Hintergrundinformationen – Fortsetzung (Auf Englisch)

On 17 June 2014, the US administration informed the UN Security Council that the US operation to take Abu Khatallah into custody had been conducted under the USA’s "inherent right to self-defense" on the grounds that he "continued to plan further armed attacks against US persons". Meanwhile, in May 2014, the Department of Defense pointed to the case of Abu Anas al-Libi as one where the Obama administration had applied the 2001 Authorization for Use of Military Force (AUMF), the broadly worded resolution passed with little debate in the immediate wake of the 9/11 attacks and which successive administrations have used to underpin detentions in Guantánamo and "capture or lethal operations" elsewhere.

For further information on Abu Khatallah, see https://www.amnesty.org/en/documents/amr51/050/2014/en/. For further information on Abu Anas al-Libi, see https://www.amnesty.org/en/documents/amr51/071/2013/en/.

The USA has long resorted to seizing suspects overseas to gain custody over them. For example, in Karachi in 1997 Federal Bureau of Intelligence agents seized Pakistan national Mir Aimal Kasi, wanted for the 1993 murder of two CIA employees. They hooded, gagged and shackled him, flew him to Virginia and handed him over to the state authorities who tried, sentenced him to death, and executed him in 2002.