NGO-Gesetz verhindern!

Amnesty International Ungarn protestieren gegen die Einschüchterung von NGOs durch die ungarische Regierung

Amnesty International Ungarn protestieren gegen die Einschüchterung von NGOs durch die ungarische Regierung

Das ungarische Parlament hat das NGO-Gesetz gegen Finanzierung aus dem Ausland gebilligt. Jetzt kann nur noch der ungarische Staatspräsident das diskriminierende Gesetz verhindern.

Appell an

Präsident der Republik Ungarn

Dr. János Áder


1536 Budapest, Pf. 227

UNGARN

Sende eine Kopie an

Botschaft von Ungarn

S.E. Herrn Péter Imre Györkös

Unter den Linden 76

10117 Berlin

Amnesty fordert:

  • Machen Sie bitte von ihrem Vetorecht Gebrauch und verweisen Sie das Gesetz zur Prüfung an das Verfassungsgericht.

     
  • Bitte verurteilen Sie öffentlich den Versuch der Regierung, ungarische NGOs, die transparent und im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben tätig sind, in Verruf zu bringen, zu stigmatisieren und einzuschüchtern.

Sachlage

Am 13. Juni verabschiedete die ungarische Nationalversammlung den Gesetzentwurf, der sich gegen NGOs richtet, die finanzielle Mittel aus dem Ausland erhalten. In dem Gesetzentwurf wird nahegelegt, dass diese NGOs "ausländische Interessen" vertreten. Wenn nun der ungarische Staatspräsident das Gesetz unterzeichnet, tritt es in Kraft und eröffnet die Möglichkeit, NGOs in Misskredit zu bringen und sie einzuschüchtern sowie ihre Funktionen wie den Schutz der Menschenrechte und das Bereitstellen wertvoller Leistungen für die Bevölkerung Ungarns auszuhöhlen.

Der Gesetzentwurf "über die Transparenz von aus dem Ausland finanzierten Organisationen" (T/14967) wurde der Nationalversammlung am 7. April von Mitgliedern der Regierungspartei Fidesz vorgelegt. Er würde ungarische NGOs, die mehr als 7.200.000 HUF (etwa €24.000) jährlich aus dem Ausland erhalten, dazu zwingen, sich als "zivile Organisationen, die Mittel aus dem Ausland erhalten" einzutragen und diese Bezeichnung auf jeder ihrer Veröffentlichungen auszuweisen. Organisationen, die sich nicht den neuen Anforderungen anpassen, würden Strafmaßnahmen drohen, die bis zu ihrer Auflösung gehen könnten. Dies ist die jüngste Maßnahme der Regierung, kritische Stimmen und NGOs, die ungarischen Staatsangehörigen, Geflüchteten und Migrant_innen im Land wichtige Grundleistungen bereitstellen, einzuschüchtern und zum Schweigen zu bringen.

Während der Gesetzentwurf in der Nationalversammlung diskutiert wurde, versuchte die ungarische Regierung NGOs weiter in Verruf zu bringen und warf mehreren vor, sie unterwanderten die nationale Souveränität.

Nun liegt es beim Staatspräsidenten, das Gesetz zu unterzeichen und zur Veröffentlichung an die Ungarische Gazette zu senden - damit würden Registrierung und offizielle Benennung des Gesetzes in Gang gesetzt - oder von seinem Vetorecht Gebrauch zu machen und das Gesetz an das Verfassungsgericht zu verweisen, da es in der gegenwärtigen Form der ungarischen Verfassung widerspreche. Das vom Parlament verabschiedete Gesetz ist nur auf eine bestimmte Art von zivilgesellschaftlichen Organisationen anwendbar und diskriminiert daher diese NGOs und schränkt ihr Recht auf Vereinigungsfreiheit ein. Das Recht auf Schutz vor Diskriminierung ist jedoch in Artikel XV der ungarischen Verfassung verbrieft. Das Gesetz läuft auch den menschenrechtlichen Verpflichtungen Ungarns hinsichtlich des Rechts auf Vereinigungsfreiheit zuwider, zu denen das Recht gehört, finanzielle Mittel im Ausland und bei internationalen Institutionen zu beantragen, zu erhalten und einzusetzen.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Die bestehende Gesetzgebung in Ungarn stellt die Transparenz und Rechenschaft von NGOs bereits sicher. Der Gesetzentwurf würde den Handlungsspielraum der Zivilgesellschaft weiter schrumpfen lassen und insbesondere die Arbeit derjenigen einschränken, die für die Menschenrechte werben und sie verteidigen. Das Gesetz CLXXV von 2011 über das Vereinigungsrecht, die Gemeinnützigkeit und das Betreiben und die Unterstützung einer zivilgesellschaftlichen Organisation (Abschnitte 20 und 29-30) schreibt ein detailliertes Berichtswesen für zivilgesellschaftliche Organisationen vor.

Eine Entschließung des Europäischen Parlaments (EP) vom 17. Mai 2017 zur Situation in Ungarn (2017/2656(RSP)) forderte die ungarische Regierung auf, den fraglichen Gesetzentwurf zurückzuziehen. In der Entschließung wird betont, dass die Europäische Union (EU) – der Ungarn 2004 beigetreten ist – auf Werte wie Respekt für die Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und Achtung der Menschenrechte gründet. Nach der Entschließung des EP, in der auch mit Sorge festgestellt wurde, dass die momentane Situation in Ungarn eine Gefährdung der EU-Gründungswerte darstellt, lehnten es Mitglieder der ungarischen Regierung ab, den Gesetzentwurf zurückzuziehen oder anzupassen.

Der Gesetzentwurf stößt bei unabhängigen Expert_innen der Rechte auf Vereinigungsfreiheit und freie Meinungsäußerung sowie Menschenrechtsverteidiger_innen, darunter dem Menschenrechtskommissar des Europarats und UN-Sonderberichterstatter_innen, auf Besorgnis. Der Gesetzentwurf wird derzeit von der Venedig-Kommission des Europarats überprüft. Ihre Einschätzung wird im Juni erwartet.

Das Völkerrecht und andere internationale Standards garantieren das Recht auf Vereinigungsfreiheit, wozu das Recht gehört, zur gemeinsamen Ausübung von Aktivitäten formelle und informelle Gruppen zu bilden oder ihnen beizutreten – ein entscheidendes Element der Arbeit von Menschenrechtsverteidiger_innen. Nationale Regierungen sind verpflichtet, den gesetzlichen Rahmen für die Bildung von Vereinigungen zu schaffen, und dürfen die Ausübung dieses Rechts nicht unrechtmäßig behindern. Das Recht, Mittel zu beantragen, zu erhalten und zu verwenden, darunter auch finanzielle Mittel aus dem Ausland, ist ein essentielles Element des Rechts auf Vereinigung und ist zudem in der UN-Erklärung zum Schutz von Menschenrechtsverteidiger_innen verbrieft.

Für weitere Informationen über jüngste Angriffe gegen NGOs in Ungarn siehe den englischsprachigen Bericht Hungary: Their backs to the wall: Civil society under pressure in Hungary von 2015: https://www.amnesty.org/en/documents/eur27/0001/2015/en/

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Calling on President János Áder to exercise presidential veto and refer the law to the constitutional court.
  • Urging the President to publicly condemn the government’s attempts to discredit, stigmatize and intimidate NGOs operating lawfully and transparently in Hungary.