Wegen Schwulsein vorgeladen und dann "verschwunden"

Landkarte, Turkmenistan

Turkmenistan

Am 21. Oktober outete sich Kasymberdi Garaev in einem Online-Beitrag von Radio Free Europe/Radio Liberty als schwul. Gleichgeschlechtliche Beziehungen zwischen Männern sind in Turkmenistan verboten und der 24-jährige Arzt sprach darüber, was das für ihn bedeutet. Daraufhin wurde er am 24. Oktober auf eine Polizeiwache vorgeladen – seitdem ist er "verschwunden".

Appell an

Raşit Meredow

Minister of Foreign Affairs

Archabil av.

108744000 Ashgabat

TURKMENISTAN

Sende eine Kopie an

Botschaft von Turkmenistan

S. E. Herrn Toyly Atayev


Königin-Luise-Straße 31

14195 Berlin

Fax: 030-3010 2453

E-Mail: info@botschaft-turkmenistan.de

Amnesty fordert:

  • Bitte tragen Sie diesen Fall der Generalstaatsanwaltschaft vor und sorgen Sie dafür, dass das Schicksal und der Verbleib von Kasymberdi Garaev umgehend offengelegt werden und dass er, falls er sich in staatlichem Gewahrsam befindet, sofort und bedingungslos freigelassen wird. Bis dahin muss er vor Folter und anderweitiger Misshandlung geschützt werden.
  • Sämtliche Folter- und Misshandlungsvorwürfe müssen umgehend, wirksam und sorgfältig untersucht werden.
  • Ergreifen Sie bitte alle notwendigen Maßnahmen, um die Sicherheit derjenigen zu gewährleisten, die in Turkmenistan aufgrund ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen sexuellen Orientierung in Gefahr sein könnten, und verurteilen Sie mit klaren Worten zweifelsfrei jede homo- oder transfeindliche Drohung von Behördenvertreter_innen.

Sachlage

Kasymberdi Garaev folgte am 24. Oktober einer polizeilichen Vorladung. Er betrat die Wache in der Hauptstadt Ashgabat – und seitdem wurde nichts mehr von ihm gehört. Kurz zuvor, am 21. Oktober, hatte er sich in einem Interview mit dem Turkmenischen Dienst von Radio Free Europe/Radio Liberty als schwul geoutet und davon berichtet, wie er 2018 von Polizist_innen festgenommen, gefoltert und anderweitig misshandelt worden war.

Es liegen keine Informationen über den Verbleib von Kazymberdi Garaev vor. Angesichts der von ihm öffentlich geäußerten Foltervorwürfe und der Tatsache, dass schwule Männer in Turkmenistan als kriminell gelten, besteht große Sorge um sein Leben. Parallel zum Verschwinden des jungen Arztes begannen die turkmenischen Behörden mit einer breit angelegten Kampagne, um vermeintliche Homo- und Transsexuelle zu identifizieren.

Turkmenistan ist gemäß den internationalen Menschenrechtsnormen dazu verpflichtet, niemandem willkürlich die Freiheit zu entziehen. Außerdem dürfen unter keinen Umständen Folter und andere Formen der Misshandlung angewendet werden. Darüber hinaus darf niemand aufgrund der tatsächlichen oder vermeintlichen sexuellen Orientierung diskriminiert werden, auch darf einvernehmlicher gleichgeschlechtlicher Sex nicht als Straftat eingestuft werden.

Hintergrundinformation

Hintergrund

In Turkmenistan bestimmen regelmäßige schwere Menschenrechtsverletzungen das Klima. Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist sehr eingeschränkt und alle Medien werden staatlich kontrolliert. Alles deutet darauf hin, dass Folter und andere Misshandlungen weitverbreitet sind. Gefangene werden unter Bedingungen in Haft gehalten, die unmenschlicher und erniedrigender Behandlung gleichkommen. Manche Gefangene fallen sogar dem Verschwindenlassen zum Opfer. Der Tod im Gewahrsam ist an der Tagesordnung und wird nicht untersucht.

Einvernehmliche gleichgeschlechtliche Beziehungen zwischen Männern sind in Turkmenistan eine Straftat und werden mit bis zu zwei Jahren Gefängnis geahndet. Die gesellschaftlich weitverbreitete Homosexuellen- und Transfeindlichkeit bedeutet, dass Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans- und Intergeschlechtliche Menschen in großer Gefahr sind, gefoltert oder auf andere Weise misshandelt zu werden. Dazu zählen sexualisierte Gewalt und Erpressung durch die Polizei. Sie geraten auch durch ihre Familien sehr unter Druck, die versuchen, die "Familienehre" zu schützen und sie zu heterosexuellen Ehen zu zwingen.

Seit die Geschichte von Kasymberdi Garaev öffentlich wurde, versuchen die turkmenischen Behörden, herauszufinden, wer in öffentlichen Einrichtungen LGBTI ist. Berichten zufolge werden Mitarbeiter_innen im Gesundheitsdienst dazu aufgefordert, LGBTI auszumachen, indem sie sie auf sexuell übertragbare Krankheiten testen.

In seinem Interview enthüllte Kasymberdi Garaev, dass er 2018 von Polizeibeamt_innen inhaftiert wurde, weil er sich mit einem Mann im Internet geschrieben hatte, der ein Polizeiinformant war. Im Polizeigewahrsam wurde er mit einem elektrischen Schlagstock gefoltert. Aus dem Gewahrsam wurde er erst entlassen, als ein Angehöriger eingriff. Seit seiner Freilassung versucht seine Familie, ihn zu einer heterosexuellen Ehe zu zwingen, um seine sexuelle Orientierung zu kaschieren.