Thailand: Anhaltende Repression gegen Demonstrierende

Ein Mann spricht zwischen protestierenden Menschen.

Der thailändische Aktivist Jatupat Boonpattararaksa

In Thailand sind weiterhin Hunderte Menschenrechtsverteidiger_innen inhaftiert und angeklagt, weil sie ihre Menschenrechte friedlich wahrnehmen. Sie werden strafrechtlich verfolgt, weil sie Reformen fordern. Die Behörden schränken das Recht auf friedliche Versammlung übermäßig ein und verhängen strenge Kautionsauflagen gegen festgenommene Aktivist_innen. Angesichts der zunehmenden Tendenz zu exzessiver und willkürlicher Gewaltanwendung durch die Polizei bei Protesten besteht große Sorge um die Sicherheit der Demonstrierenden.

Appell an

Prime Minister Prayuth Chan-O-cha

Office of the Prime Minister

1 Nakhon Phathom Road, Dusit, Dusit District,

Bangkok 10300

THAILAND

Sende eine Kopie an

Botschaft des Königreichs Thailand

Frau Viphawan Benniman,

Gesandte (Geschäftsträgerin a.i.)

Lepsiusstraße 64/66

12163 Berlin


Fax: 030-79 48 15 11

E-Mail:
general@thaiembassy.de

Amnesty fordert:

  • Ich fordere Sie auf, den Kreislauf der Unterdrückung zu beenden, indem Sie die internationalen Menschenrechtsverpflichtungen Thailands in Bezug auf friedliche Versammlungen und Meinungsfreiheit einhalten und sicherstellen, dass die Polizei nur ein Minimum an Gewalt einsetzt und diese niemals unverhältnismäßig ausübt.
  • Ich fordere Sie außerdem auf, alle Strafverfahren gegen Personen, die wegen der friedlichen Ausübung ihrer Rechte verfolgt werden, einzustellen und die derzeit willkürlich Inhaftierten freizulassen.
  • Bitte erlauben Sie der Bevölkerung, friedlich zu protestieren und ihre Meinung zu äußern, und erlegen Sie ihr keine Kautionsbedingungen auf, die die friedliche Ausübung ihrer Rechte einschränken könnten.
  • Untersuchen Sie bitte alle Berichte über die übermäßige, wahllose oder rechtswidrige Anwendung von Gewalt durch die Polizei bei der Festnahme von Personen oder der Auflösung von Versammlungen. Ziehen Sie die Verantwortlichen zur Rechenschaft und geben Sie Leitlinien für die Polizei heraus, die die Einhaltung internationaler Standards gewährleisten.

Sachlage

In Thailand gehen die Behörden weiterhin scharf gegen friedlich Demonstrierende vor. Die Regierung lässt Menschenrechtsverteidiger_innen willkürlich festnehmen und bestrafen, die ihre Meinung öffentlich und online äußern. Darüber hinaus setzt die Polizei zunehmend und unterschiedslos exzessive und rechtswidrige Gewalt ein, um Proteste aufzulösen.

Die prominenten Sprecher_innen der Proteste Anon Numpa, Jatupat "Pai" Boonpattararaksa, Panupong "Mike" Chadnok und Parit "Penguin" Chiwarak sind seit dem 9. August 2021 erneut inhaftiert, wobei ihnen die Freilassung gegen Kaution verweigert oder diese wieder zurückgezogen wurde. Wegen den schlechten Haftbedingungen besteht Sorge um ihre Gesundheit und ihr Wohlergehen. Jatupat "Pai" Boonpattararaksa und Parit "Penguin" Chiwarak haben sich in der Haft bereits mit dem Coronavirus infiziert. Die anhaltende strafrechtliche Verfolgung friedlich Demonstrierender ist besorgniserregend. Eine weitere Betroffene ist Panusaya "Rung" Sithijirawattanakul, die am 22. September erneut wegen ihres friedlichen Engagements angeklagt wurde.

Die thailändische Regierung hat im vergangenen Jahr mindestens 1.161 Personen, darunter 134 Kinder, wegen friedlichen Protests und friedlicher Ausübung ihres Menschenrechts auf freie Meinungsäußerung strafrechtlich verfolgt. Vielen von ihnen drohen lange Haftstrafen bis hin zu lebenslänglicher Haft. Die Polizei setzt bei Protesten Maßnahmen zur Kontrolle von Menschenmengen ein, die oft die Rechte der Demonstrierenden verletzen. Sie hat wiederholt Proteste mittels willkürlicher und rechtswidriger Gewalt aufgelöst, einschließlich des Einsatzes von Tränengas, Wasserwerfern mit chemischen Zusätzen, Schlägen und Gummigeschossen.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Die thailändische Regierung versucht offensichtlich, die überwiegend friedlichen Proteste der Jugendreformbewegung zu unterdrücken, die diese seit 2020 organisiert. Nach Protesten gegen den Umgang der Behörden mit der Corona-Pandemie und angesichts steigender Infektionsraten im Land häufen sich Berichte über den wahllosen Einsatz übermäßiger und rechtswidriger Gewalt zur Auflösung von Demonstrationen durch die Polizei. Die Behörden lassen willkürlich Menschenrechtsverteidiger_innen festnehmen, die sich an friedlichen Protesten beteiligen oder sich im Internet für politische, verfassungsrechtliche und bildungspolitische Reformen einsetzen. Sie erheben zahlreiche ungerechtfertigte Anklagen, die zu lebenslangen Haftstrafen führen können. Außerdem verlängern sie willkürlich die Untersuchungshaft der Inhaftierten und lehnen deren Anträge auf Freilassung gegen Kaution immer wieder ab oder ziehen Zusagen wieder zurück. Die vage formulierten Kautionsauflagen schränken die Rechte der Aktivist_innen übermäßig ein. Die Demonstrierenden befinden sich in einem Teufelskreis: diejenigen, die Menschenrechtsverletzungen anprangern und die Freilassung von Festgenommenen fordern, werden dafür ebenfalls von der Justiz schikaniert.

Während die meisten der von Jugendlichen angeführten Proteste friedlich verlaufen sind, hat eine Minderheit der Demonstrierenden widerrechtliche Handlungen begangen, einschließlich der Anwendung von Gewalt, die in letzter Zeit eskaliert ist. Die Behörden reagierten darauf mit verstärkter Gewalt. Eine beträchtliche Anzahl der Demonstrierenden waren Minderjährige.

Am 8. August nahmen die Behörden den Menschenrechtsanwalt Anon Nampa und einen der Sprecher_innen der pro-demokratischen Studierendenvereinigung UFTD, Parit "Penguin" Chiwarak fest. Auch Panupong "Mike" Chadnok und Pornsorn "Fah" Weerathamjaree, die am 3. August an einer Demonstration für die Freilassung anderer Aktivist_innen teilgenommen hatten, wurden festgenommen. Am 9. August nahmen die Behörden auch den ehemaligen politischen Gefangenen Jatupat "Pai" Boonpatararaksa erneut fest. Sie warfen den Aktivist_innen unter anderem vor, gegen die Corona-Beschränkungen für öffentliche Versammlungen verstoßen zu haben und verweigerten ihnen die Freilassung gegen Kaution. Außerdem wurde Anon Nampa wegen angeblicher Straftaten gegen die Monarchie angeklagt, da er bei einer Demonstration am 3. August 2021 Reformen gefordert hatte. Die Behörden widerriefen auch die Freilassung auf Kaution, die Parit "Penguin" Chiwarak und Anon Nampa zuvor gewährt worden war, mit der Begründung, dass Anon Nampas Beteiligung an den Protesten und Parit Chiwaraks Postings in den Sozialen Medien gegen ihre Kautionsauflagen verstießen. Diese verboten ihnen, die Monarchie zu schädigen und an Aktivitäten teilzunehmen, die Unruhe stiften.

Am 15. September 2021 hatten die Behörden Parit "Penguin" Chiwarak, Panupong "Mike" Chadnok und Porsorn "Fah" Weerathamjee sowie zwei weiteren Personen die Freilassung gegen Kaution unter der Bedingung gewährt, dass sie elektronische Fußfesseln tragen. Der Widerruf der Freilassung von Parit "Penguin" Chiwarak wurde mit einer früheren Anklage wegen Aufwiegelung begründet. Am 23. September nahmen die Behörden Panupong "Mike" Jadnok erneut fest, nachdem er wegen eines Facebook-Posts von November 2020 wegen angeblicher Beleidigung der Monarchie und Computerkriminalität angezeigt worden war. Nach der Ablehnung seines Antrags auf Freilassung gegen Kaution befindet er sich momentan wieder in Haft.

Anon, Jatupat, Parit und Panupong wurden seit 2020 wiederholt inhaftiert, zuletzt Anfang 2021, weil sie an friedlichen Protesten teilgenommen und Reden über die Monarchie gehalten hatten. Die Freilassung gegen Kaution wurde ihnen jeweils für 113, 47, 93 und 85 Tage verweigert. Während dieser Zeit trat Parit Chiwarak in einen Hungerstreik, um gegen die beharrliche und wiederholte Ablehnung seiner Anträge auf Freilassung gegen Kaution durch das Gericht zu protestieren.

Im Mai und Juni 2021 haben die Behörden weitere Anklagen wegen Majestätsbeleidigung gegen Piyarat "Toto" Chongthep – einen der Organisator_innen – und gegen die Sänger Chaiamorn "Ammy" Kaewwiboonpan und Pornsorn "Fah" Weerathamjaree erhoben, weil sie vor einer Polizeistation für die Freilassung einer_s inhaftierten Aktivist_in protestiert hatten. Wanwale "Tee" Thammasattaya und Siraphop "Kha Nun" Phumphuenghphut sind auf Kaution frei.