Inhaftiertem Journalisten droht Folter

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Am 28. Januar wurde der unabhängige Journalist Daler Sharipov festgenommen. Er befindet sich seither wegen der konstruierten Anklage, "religiöse Zwietracht gesät" zu haben, in Untersuchungshaft. Er hat keinen Zugang zu seinem Rechtsbeistand und läuft Gefahr, gefoltert zu werden. Er ist ein gewaltloser politischer Gefangener, der sich nur aufgrund der Wahrnehmung seines Rechts auf Meinungsfreiheit in Haft befindet, und muss deshalb umgehend und bedingungslos freigelassen werden.

Appell an

Präsident

Emomali Rahmon

Executive Office of the President

Prospect Rudaki, 80

Dushanbe 734001

TADSCHIKISTAN

Sende eine Kopie an

Botschaft der Republik Tadschikistan

S. E. Herrn Sohibnazar Gayratsho

Perleberger Straße 43

10559 Berlin


Fax: 030-3479 3029


E-Mail: info@botschaft-tadschikistan.de

Amnesty fordert:

  • Ergreifen Sie bitte alle notwendigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass Daler Sharipov umgehend und bedingungslos freigelassen wird, da er ein gewaltloser politischer Gefangener ist, der lediglich aufgrund der Wahrnehmung seines Rechts auf Meinungsfreiheit inhaftiert ist.
  • Sorgen Sie bis zu seiner Freilassung dafür, dass seine geistige und körperliche Unversehrtheit gewahrt bleibt und dass er nicht gefoltert oder anderweitig misshandelt wird. Gewähren Sie ihm zudem uneingeschränkten Zugang zu seinem Rechtsbeistand.

Sachlage

Am 28. Januar wurde der unabhängige Journalist Daler Sharipov von Angehörigen des Staatlichen Komitees für Nationale Sicherheit (SNCS) festgenommen. Ihm wird vorgeworfen, gemäß Paragraf 189 des Strafgesetzbuchs "religiöse Zwietracht gesät" zu haben. Daler Sharipov hat als Journalist einige regierungskritische Artikel veröffentlicht und über verschiedene Themen von öffentlichem Interesse berichtet, wie z. B. Menschenrechtsverletzungen und Religionsfreiheit.

Am 30. Januar erschien Daler Sharipov vor dem Bezirksgericht Ismoili Somoni in Duschanbe, welches zwei Monate Untersuchungshaft verhängte. Am 1. Februar gab die Generalstaatsanwaltschaft eine Stellungnahme heraus, in der Daler Sharipov vorgeworfen wird, "extremistische" Artikel zu religiösen Themen veröffentlicht zu haben und Verbindungen zu einer verbotenen extremistischen Organisation zu unterhalten. Der Begriff "Extremismus" ist in Paragraf 189 nur sehr vage definiert. Somit wird dieser Paragraf regelmäßig als Grundlage für politisch motivierte Verfahren gegen Andersdenkende herangezogen.

Amnesty International betrachtet die Festnahme und Strafverfolgung von Daler Sharipov als Vergeltungsmaßnahme für seine Arbeit als Journalist. Er hat keine international als Straftat anerkannte Handlung begangen, sondern lediglich von seinem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch gemacht, indem er sich kritisch mit verschiedenen Themen auseinandergesetzt hat. Die Anklage gegen ihn muss daher fallengelassen und Daler Sharipov umgehend und bedingungslos freigelassen werden.

Der Journalist muss sich wegen haltloser Anklagen verantworten und hat seit seiner Festnahme keinen Zugang zu seinem Rechtsbeistand. Dies verstößt gegen die Menschenrechte sowie gegen die in tadschikischen Gesetzen festgeschriebenen Verfahrensrechte. Amnesty International befürchtet, dass Daler Sharipov unrechtmäßig unter Druck gesetzt wird und in Gefahr ist, gefoltert oder anderweitig misshandelt zu werden.

Dem Staatlichen Komitee für Nationale Sicherheit (SNCS), das für die Ermittlungen in seinem Fall zuständig ist, wurde in der Vergangenheit wiederholt Folter und andere Misshandlung vorgeworfen. Unter anderem soll das SNCS Inhaftierte zu "Geständnissen" gezwungen haben.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Daler Sharipov ist ein in Tadschikistan bekannter Journalist, der über viele verschiedene Themen berichtet, darunter auch Menschenrechtsverletzungen und Religionsfreiheit. Er hat für die unabhängige Zeitung Ozodagon gearbeitet, bis diese 2019 nach Jahren der Schikane durch die Behörden den Betrieb einstellte.

Der Begriff "Extremismus" wird in Paragraf 189 des Strafgesetzbuchs, unter dem Daler Sharipov angeklagt ist, nur sehr vage definiert. Somit wird dieser Paragraf von der Regierung häufig zur Strafverfolgung vermeintlicher Kritiker_innen wie Anwält_innen, politische Aktivist_innen und Journalist_innen eingesetzt. Ein Verstoß gegen diesen Paragrafen kann mit fünf bis zwölf Jahren Gefängnis geahndet werden. Unter denjenigen, die auf der Grundlage von Paragraf 189 Haftstrafen verbüßen mussten, waren auch gewaltlose politische Gefangene. Khairullo Mirsaidov, ein unabhängiger Journalist, der sich derzeit im politischen Exil befindet, wurde am 5. Dezember 2017 festgenommen, nachdem er einen offenen Brief an den Präsidenten veröffentlicht hatte, in dem er über Korruption in Lokalbehörden berichtete. Er war neun Monate lang inhaftiert (https://www.amnesty.org/en/latest/news/2018/08/tajikistan-release-of-independent-journalist-a-rare-victory-for-freedom-of-expression). Ein anderer unter Paragraf 189 inhaftierter gewaltloser politischer Gefangener war der Menschenrechtsanwalt Buzurgmehr Yorov. Er wurde 2015 in mehreren Anklagepunkten schuldig gesprochen und zu 25 Jahren Haft verurteilt. Das Verfahren gegen ihn scheint eine Vergeltungsmaßnahme gewesen zu sein, da er als Anwalt eine Reihe von Personen vertreten hatte, die mit der politischen Opposition in Verbindung gebracht wurden. Im Jahr 2019 wurde seine Strafe im Zuge einer Massenamnestie auf 22 Jahre herabgesetzt (https://www.amnesty.org/en/documents/eur60/6266/2017/en/).

Das Staatliche Komitee für Nationale Sicherheit (SNCS) ist eine tadschikische Strafverfolgungsbehörde, die für die Untersuchung der meisten schweren Verbrechen zuständig ist, einschließlich Verbrechen gegen den Staat. Das SNCS ist zudem befugt, Informant_innen einzustellen und geheimen Überwachungstätigkeiten nachzugehen. Dem SNCS sind in der Vergangenheit wiederholt schwere Menschenrechtsverletzungen und andere Misshandlungen vorgeworfen worden, darunter auch der Einsatz von Folter.

Im Jahr 2019 äußerte sich der UN-Menschenrechtsausschuss besorgt über die Drangsalierung und Strafverfolgung unabhängiger Journalist_innen und Medienschaffenden in Tadschikistan, nur weil sie sich kritisch über die staatliche Maßnahmen und andere Themen von öffentlichem Interesse geäußert hatten. Der Ausschuss forderte Tadschikistan auf, unabhängige Journalist_innen und Medienschaffende wirksam gegen jegliche Form der Einschüchterung zu schützen und sich nicht auf zivil- oder strafrechtliche Bestimmungen zu berufen, um eine kritische Berichterstattung zu unterdrücken.