Studierende willkürlich in Haft

Zeichnung einer Figur mit Rucksack und einer Figur mit Schreibheft, auf dem "ABC" steht

Im Dezember 2018 durchsuchten sudanesische Sicherheitskräfte die Wohnungen zahlreicher Studierender. 47 Studierende wurden festgenommen und ein Student wurde getötet. Kurz darauf warf die Regierung den Festgenommenen unter anderem Verbindungen zu einer bewaffneten Oppositionsgruppe vor.

Appell an

Omar Hassan Ahmad al-Bashir

Office of the President

People’s Palace, PO Box 281

Khartoum

SUDAN

Sende eine Kopie an

Botschaft der Republik Sudan

Herrn Al Walead Hassan Abdo Hassan, Geschäftsträger a.i.

Kurfürstendamm 151

10709 Berlin


Fax: 030-890 69 823

E-Mail: sudani-embassy@hotmail.com

Amnesty fordert:

  • Bitte sorgen Sie dafür, dass die 47 Studierenden aus Darfur sofort und bedingungslos freigelassen werden, da sie lediglich wegen der Wahrnehmung ihrer Menschenrechte inhaftiert sind.
  • Sorgen Sie bitte dringend dafür, dass die Studierenden im Gewahrsam weder gefoltert noch misshandelt werden und Zugang zu einem Rechtsbeistand ihrer Wahl sowie zu ihren Familienangehörigen erhalten.
  • Leiten Sie bitte eine unabhängige, zielführende und transparente Untersuchung ihrer willkürlichen Inhaftierung und der mutmaßlich erzwungenen "Geständnisse" ein. Untersuchen Sie bitte auch sorgfältig die Umstände, unter denen Salih Yagoub Omer bei einer Razzia am 27. Dezember 2018 getötet wurde.

Sachlage

Am 23. und 27. Dezember 2018 durchsuchten Sicherheitskräfte in den Bundesstaaten Sannar und al-Chartum die Wohnungen zahlreicher Studierender aus Darfur. 47 Studierende wurden willkürlich festgenommen und befinden sich nach wie vor ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft. Der Student Salih Yagoub Omer wurde bei den Razzien getötet.

In Pressekonferenzen am 23. und 28. Dezember warf die Regierung den Studierenden Unterwanderung staatlicher Stellen sowie Verbindungen zu einer Rebellengruppe vor. Darüber hinaus wurden sie beschuldigt, im Rahmen der anhaltenden landesweiten Proteste die Tötung von Demonstrierenden geplant zu haben. Beide Pressekonferenzen wurden im nationalen Fernsehen ausgestrahlt und waren von Videos begleitet, in denen zu sehen war, wie die Studierenden augenscheinlich zugaben, Verbindungen zur Sudanesischen Befreiungsbewegung (unter Abdelwahid al-Nur) zu unterhalten und Pläne gemacht zu haben, Protestierende zu töten und Chaos zu stiften.

Die Umstände, unter denen diese mutmaßlichen "Geständnisse" ausgestrahlt wurden, sowie die Tatsache, dass die Studierenden ihre Aussagen in Abwesenheit von Rechtsbeiständen gemacht haben, lassen vermuten, dass die "Geständnisse" durch Folter und anderweitige Misshandlung erzwungen wurden. Dies verstößt sowohl gegen das sudanesische Strafverfahrensgesetz von 1991 als auch gegen internationale Menschenrechtsstandards.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Am 19. Dezember 2018 begannen die Menschen im Sudan gegen die steigenden Preise für Brot sowie gegen Benzin- und Bargeldknappheit zu protestieren. Die Proteste halten nach wie vor an und haben sich auf mindestens 35 Städte in 15 der 18 sudanesischen Bundesstaaten ausgeweitet.

Am 20. Dezember blockierte die sudanesische Regierung den Zugang zu den meisten Social-Media-Seiten und Messaging-Apps: Facebook, WhatsApp, Twitter und Instagram. Darüber hinaus wird der Inhalt von Zeitungen zensiert und Berichterstattung über die Proteste regelmäßig verboten.

Am 20. und 21. Dezember verhängte die Regierung den Ausnahmezustand über die drei Bundesstaaten Nahr an-Nil, al-Qadarif und an-Nil al-abyad sowie über einige Städte, darunter Dunqula und Atbara, in denen die Proteste begannen. In einigen Regionen herrscht bereits seit einigen Jahren der Ausnahmezustand, so zum Beispiel in Darfur (seit 2003), in Süd-Kordofan (seit 2011) sowie in Nord-Kordofan und Kassala (seit 2017). Somit herrscht mittlerweile in 12 von 18 sudanesischen Bundesstaaten der Ausnahmezustand.

Die meisten Lehreinrichtungen des Landes sind vorübergehend geschlossen worden. Amnesty International vorliegenden Informationen zufolge sind im Zuge des harten Durchgreifens der Behörden gegen die Demonstrierenden bereits mehr als 40 Personen getötet und mindestens 175 verletzt worden. Zahlreiche Personen haben schwere Verletzungen davongetragen. Mehr als 1.269 Menschen sind inhaftiert worden, und diese Zahl steigt stetig an.

Amnesty International dokumentiert im Zusammenhang mit Übergriffen auf Studierende aus Darfur immer wieder schwere Menschenrechtsverletzungen. Seit Ausbruch des Konflikts in Darfur sind Personen aus der Region, die in anderen Landesteilen studieren, besonders gefährdet. Ihnen drohen die willkürliche Inhaftierung, Vertreibung aus ihren Unterkünften, Folter und andere Misshandlungen sowie die rechtswidrige Tötung durch Sicherheitskräfte.

Das Nationale Sicherheitsgesetz von 2010 (National Security Act – NSA) garantiert dem sudanesischen Geheimdienst NISS umfassende Befugnisse zur Festnahme und Inhaftierung von Personen. Verdächtige können bis zu viereinhalb Monate lang ohne gerichtliche Überprüfung festgehalten werden. Angehörige des NISS setzen diese Befugnisse häufig ein, um Personen willkürlich festzunehmen und zu inhaftieren. In der Folge werden Inhaftierte im Sudan häufig gefoltert und anderweitig misshandelt. Dasselbe Gesetz gewährt NISS-Angehörigen Schutz vor Strafverfolgung für im Zuge ihrer Arbeit begangene Handlungen. Dies hat zu einer fest etablierten Kultur der Straflosigkeit geführt. Das NSA wurde im Januar 2015 abgeändert, um das Mandat des NISS zu erweitern: So wurde er von einer Geheimdienstbehörde, die sich auf das Einholen und die Analyse von Informationen konzentrierte, zu einer vollwertigen Sicherheitsbehörde mit einem umfangreichen Mandat zur Ausübung einer Mischung von Funktionen, die normalerweise von den Streitkräften oder den Strafverfolgungsbehörden eines Landes wahrgenommen werden. Dies gab dem NISS uneingeschränkte Verfügungsfreiheit zu entscheiden, was eine politische, wirtschaftliche oder gesellschaftliche Bedrohung darstellt und wie auf eine solche Bedrohung reagiert wird. Weder das NSA noch der überarbeitete Paragraf 151 verlangen vom NISS bei der Ausübung seiner Tätigkeit ausdrücklich oder implizit die Einhaltung der relevanten internationalen, transnationalen oder nationalen rechtlichen Bestimmungen.