Aktivist in Haft verletzt

Die Grafik zeigt eine Gefängnistür mit Gitterstäben.

Der sudanesische Aktivist Husham Ali Mohammad Ali wurde am 29. Mai aus Saudi-Arabien in den Sudan abgeschoben, wo er vom sudanesischen Geheimdienst NISS festgenommen und inhaftiert wurde. Seine Familie hat seither Informationen erhalten, dass er im Gewahrsam verletzt wurde. Der NISS lässt weder Besuche von seiner Familie noch von seinem Rechtsbeistand zu. Amnesty International betrachtet Husham Ali Mohammad Ali als gewaltlosen politischen Gefangenen, der sich lediglich aufgrund der friedlichen Wahrnehmung seines Rechts auf freie Meinungsäußerung in Haft befindet.

Appell an

Präsident

HE Omar Hassan Ahmad al-Bashir

Office of the President

People’s Palace, PO Box 281

Khartoum, SUDAN

Sende eine Kopie an

Innenminister

Ibrahim Mahmoud Hamid

Ministry of Interior

PO Box 873

Khartoum

SUDAN

Botschaft der Republik Sudan

S. E. Herrn Badreldin Abdalla Mohamed Ahmed A. Alla

Kurfürstendamm 151

10709 Berlin


Fax: 030-890 69 823

E-Mail: sudani-embassy@hotmail.com

Amnesty fordert:

  • Lassen Sie Husham Ali Mohammad Ali bitte umgehend und bedingungslos frei, da er ein gewaltloser politischer Gefangener ist, der nur aufgrund der friedlichen Wahrnehmung seines Rechts auf Meinungsfreiheit inhaftiert ist.
  • Sorgen Sie bitte umgehend dafür, dass er bis zu seiner Freilassung regelmäßigen Zugang zu seiner Familie und einem Rechtsbeistand seiner Wahl erhält.
  • Stellen Sie zudem sicher, dass er bis zu seiner Freilassung vor Folter und anderweitiger Misshandlung geschützt ist.
  • Bitte sorgen Sie dafür, dass er angemessen medizinisch versorgt wird.

Sachlage

Amnesty International sorgt sich um den Gesundheitszustand des inhaftierten sudanesischen Aktivisten Husham Ali Mohammad Ali. Seine Familie gibt an, Informationen erhalten zu haben, nach denen sich der Aktivist im Gewahrsam Kopfverletzungen zugezogen habe, die zu Lähmungen und Sprachstörungen geführt haben. Es ist nicht klar, wie er sich diese Verletzungen zugezogen hat. Der NISS hat seit der Inhaftierung von Husham Ali Mohammad Ali alle Besuchsanträge seiner Angehörigen und Rechtsbeistände abgewiesen. Ohne Kontakt zur Außenwelt erhöht sich sein Risiko erheblich, gefoltert oder anderweitig misshandelt zu werden.

Husham Ali Mohammad Ali ist sudanesischer Staatsbürger und lebte seit 2010 in Saudi-Arabien, wo er als freiberuflicher Buchhalter arbeitete. Vor seinem Umzug nach Saudi-Arabien war er im Sudan jahrelang als Oppositionsaktivist tätig gewesen, und auch nach seinem Umzug beteiligte er sich weiterhin an Diskussionen in verschiedenen Online-Plattformen und unterstützte gemeinnützige Gruppen im Sudan. Nach dem scharfen Vorgehen der sudanesischen Regierung gegen die Zivilgesellschaft im Jahr 2013 begann Husham Ali Mohammad Ali, sich stärker online zu engagieren, indem er Beiträge und Artikel verfasste, in denen er die Korruption auf Regierungsebene anprangerte. Er hat zudem Informationen über Folter im Gewahrsam der sudanesischen Behörden veröffentlicht und auf seiner Facebookseite Unterstützung für den zivilen Ungehorsam im November und Dezember 2016 bekundet.

Am 18. November 2017 wurde Husham Ali Mohammad Ali in seiner Wohnung im saudi-arabischen Dschidda festgenommen. Daraufhin wurde er bis zu seiner Verlegung in eine Gemeinschaftszelle Anfang Januar 2018 ohne Kontakt zur Außenwelt in Einzelhaft gehalten. Während dieser Zeit wurde er mehrmals zu seinen aktivistischen Tätigkeiten befragt und von den Gefängnisbehörden darüber informiert, dass er auf Geheiß der sudanesischen Behörden inhaftiert worden sei. Am 6. März 2018 wurde Husham Ali Mohammad Ali aus dem Dhaban-Gefängnis in das Einwanderungszentrum Al-Shumaisi außerhalb von Dschidda verlegt. Am 29. Mai wurde er in den Sudan abgeschoben, wo er bei seiner Ankunft in Khartum von Angehörigen des NISS festgenommen wurde.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Husham Ali Mohammad Ali wurde am 29. Mai von Saudi-Arabien in den Sudan abgeschoben und bei seiner Ankunft in Khartum von NISS-Angehörigen festgenommen. Der Grundsatz der Nicht-Zurückweisung (non-refoulement) untersagt die Überstellung von Personen in Staaten oder Territorien, in denen ihnen schwere Menschenrechtsverletzungen drohen. Saudi-Arabien hat in der Vergangenheit häufig gegen diesen völkerrechtlichen Grundsatz verstoßen, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen. Das Non-Refoulement-Prinzip gilt als Völkergewohnheitsrecht, weshalb alle Staaten zu seiner Einhaltung verpflichtet sind, selbst wenn sie die jeweiligen Abkommen nicht ratifiziert haben. 2016 und 2017 dokumentierte Amnesty International die Inhaftierung der drei sudanesischen Aktivisten Elgassim Mohammed Seed Ahmed (52 Jahre), Elwaleed Imam Hassan Taha (44 Jahre) und Alaa Aldin al-Difana (44 Jahre), die zu diesem Zeitpunkt in Saudi-Arabien lebten. Alle drei Männer wurden im Dezember 2016 in Saudi-Arabien festgenommen, weil sie ihre Unterstützung für den zivilen Ungehorsam im Sudan im November und Dezember 2016 bekundet hatten. Sie wurden am 11. Juli 2017 in den Sudan abgeschoben und bei ihrer Ankunft von Angehörigen des Geheimdienstes NISS festgenommen. Die Männer wurden in der NISS-Zentrale in Khartum-Nord festgehalten und berichteten Amnesty International, dass sie im Gewahrsam gefoltert oder anderweitig misshandelt worden seien. Elwaleed Imam Hassan Taha und Alaa Aldin Daffalla al-Difana wurden am 22. August 2017 ohne Anklage wieder auf freien Fuß gesetzt. Elgassim Mohamed Seed Ahmed kam am 3. Oktober 2017 ohne Anklageerhebung frei.

Von November 2016 bis Februar 2017 nahm der NISS Dutzende Oppositionsmitglieder und andere Aktivist_innen fest, die den zivilen Ungehorsam im November und Dezember 2016 unterstützt hatten. Damals wurde gegen steigende Preise im Sudan demonstriert, insbesondere was Kraftstoff, Strom, öffentliche Verkehrsmittel, Nahrungsmittel und Medikamente anging. Die Inhaftierten wurden auf verschiedenste Weise gefoltert und anderweitig misshandelt, zum Beispiel durch Elektroschocks, Schläge, Peitschenhiebe, Einzelhaft und massiven psychischen Druck. Manchen von ihnen wurde während des Verhörs mit Vergewaltigung gedroht. In vielen Fällen wurden die Aktivist_innen wochen- oder monatelang ohne Anklage festgehalten. Mindestens 140 Oppositionelle, Menschenrechtsverteidiger_innen, Studierende und Frauenrechtler_innen wurden zwischen dem 6. Januar und 10. Februar 2018 von NISS-Angehörigen festgenommen und inhaftiert. Dies geschah in Verbindung mit Protesten im ganzen Land gegen Preissteigerungen für Nahrungsmittel und Medikamente. Im April 2018 wurden sie alle ohne Anklage wieder freigelassen.

Das Nationale Sicherheitsgesetz von 2010 (National Security Act – NSA) garantiert dem sudanesischen Geheimdienst NISS umfassende Befugnisse zur Festnahme und Inhaftierung von Personen. Verdächtige können bis zu viereinhalb Monate lang ohne gerichtliche Überprüfung festgehalten werden. Angehörige des NISS setzen diese Befugnisse häufig ein, um Personen willkürlich festzunehmen und zu inhaftieren, und häufig auch um sie zu foltern und anderweitig zu misshandeln. Dasselbe Gesetz gewährt NISS-Angehörigen Schutz vor Strafverfolgung für im Zuge ihrer Arbeit begangene Handlungen. Dies hat zu einer fest etablierten Kultur der Straflosigkeit geführt. Die am 5. Januar 2015 verabschiedete Verfassungsänderung von Artikel 151 (NSA) hat die Befugnisse des NISS erweitert und die Situation noch verschärft. Die Änderung machte den NISS von einer Geheimdienstbehörde, die sich auf das Einholen und die Analyse von Informationen sowie auf Beratung konzentrierte, zu einer vollwertigen Sicherheitsbehörde mit einem umfangreichen Mandat zur Ausübung einer Mischung von Funktionen, die normalerweise von den Streitkräften oder den Strafverfolgungsbehörden eines Landes wahrgenommen werden. Sie gab dem NISS uneingeschränkte Verfügungsfreiheit zu entscheiden, was eine politische, wirtschaftliche oder gesellschaftliche Bedrohung darstellt und wie auf eine solche Bedrohung reagiert wird. Weder das Gesetz über die nationale Sicherheit noch der überarbeitete Artikel 151 verlangen vom NISS bei der Ausübung seiner Tätigkeit ausdrücklich oder implizit die Einhaltung der relevanten internationalen, transnationalen oder nationalen rechtlichen Bestimmungen.