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Aktivist in Foltergefahr
Der sudanesische politische Aktivist Mohamed Hassan Alim Shareef wurde am 9. Oktober aus Ägypten in den Sudan abgeschoben. Angehörige des sudanesischen Geheimdienstes NISS nahmen ihn bei seiner Ankunft im Sudan fest. Er wird im NISS-Hauptquartier in Nord-Khartum festgehalten. Amnesty International betrachtet Mohamed Hassan Alim Shareef als gewaltlosen politischen Gefangenen, der sich lediglich aufgrund der Wahrnehmung seines Rechts auf Meinungsfreiheit in Haft befindet.
Appell an
HE Omar Hassan Ahmad al-Bashir
Office of the President
People's Palace, PO Box 281
Khartoum
SUDAN
Sende eine Kopie an
Innenminister
Ahmed Bilal Osman
Ministry of Interior
PO Box 873, Khartoum
SUDAN
Botschaft der Republik Sudan
S.E.HerrnBadreldin Abdalla Mohamed Ahmed A. Alla
Kurfürstendamm 151
10709 Berlin
Fax: 030-890 69 823
E-Mail: sudani-embassy@hotmail.com
Amnesty fordert:
- Bitte setzen Sie sich dafür ein, dass die sudanesischen Behörden Mohamed Hassan Alim Shareef umgehend und bedingungslos freilassen.
- Bitte sorgen Sie dafür, dass er regelmäßigen Zugang zu seiner Familie, medizinischer Behandlung und Rechtsbeiständen seiner Wahl erhält.
- Stellen Sie bitte sicher, dass er bis zu seiner Freilassung weder gefoltert noch in anderer Weise misshandelt wird.
Sachlage
Angehörige des ägyptischen Sicherheitsdienstes hatten den 33-jährige Sudanesen und politischen Aktivisten Mohamed Hassan Alim Shareef (auch bekannt als Bushi) am 6. Oktober in seiner Wohnung in Kairo festgenommen. Sie legten weder einen Haft- oder Durchsuchungsbefehl vor, noch erläuterten sie die Gründe für seine Festnahme. Am 9. Oktober wurde er dann in den Sudan abgeschoben und bei seiner Ankunft vom NISS festgenommen. Seitdem befindet er sich im NISS-Hauptquartier in Nord-Khartum in Haft. Amnesty International befürchtet, dass Mohamed Hassan Alim Shareef Folter und anderen Formen der Misshandlung ausgesetzt sein könnte.
Im Sudan war Mohamed Hassan Alim Shareef jahrelang politisch aktiv. Er nutzte Soziale Medien wie Facebook, um regierungskritische Videos zu veröffentlichen und Menschenrechtsverletzungen der sudanesischen Regierung anzuprangern. Auch seit seinem Umzug nach Ägypten im Jahr 2017 ist er weiterhin online aktiv. Einige seiner Videos verbreiteten sich viral und wurden zwischen 25.000 und 30.000 Mal angeschaut. Die sudanesischen Behörden hatten ihn bereits in den Jahren 2012 und 2013 für jeweils einige Wochen inhaftiert, ihn jedoch ohne Anklage wieder freigelassen. Am 11. Februar 2017 wurde er erneut festgenommen und am 30. April wieder freigelassen. Mohamed Hassan Alim Shareef gibt an, in Haft von Angehörigen des NISS misshandelt, bedroht und erpresst worden zu sein.
Sein Rechtsbeistand gab Amnesty International gegenüber an, dass er wegen sieben Straftaten unter dem sudanesischen Strafgesetzbuch von 1991 angeklagt werden könnte. Davon könnten zwei der Vorwürfe "Untergrabung des Verfassungssystems" (Paragraf 50) und "Kriegsführung gegen den Staat" (Paragraf 51) lauten. Diese Anklagen können mit einem Todesurteil oder einer lebenslangen Gefängnisstrafe geahndet werden. Weitere Straftaten, derer er angeklagt werden könnte, sind "Spionage" (Paragraf 53), "Aufrühren von Feindseligkeiten zwischen religiösen Gruppen" (Paragraf 64), "Verbreitung von Falschinformationen" (Paragraf 66), "Störung des öffentlichen Friedens" (Paragraf 69) und "Erregung öffentlichen Ärgernisses" (Artikel 77). Amnesty International betrachtet Mohamed Hassan Alim Shareef als gewaltlosen politischen Gefangenen, der lediglich aufgrund seiner friedlichen Arbeit als regierungskritischer Aktivist inhaftiert ist.
Hintergrundinformation
Amnesty International hat Dutzende Fälle dokumentiert und zahlreiche Berichte darüber erhalten, wie der NISS in den Jahren 2016 und 2017 gegen regierungskritische politische Aktivist_innen, Menschenrechtsverteidiger_innen und zivilgesellschaftlich engagierte Personen vorgegangen ist. Zwischen November 2016 und Februar 2017 nahm der NISS zahlreiche Mitglieder der Oppositionspartei und andere Aktivist_innen fest, die den zivilen Ungehorsam im November und Dezember 2016 unterstützt hatten, der sich gegen die steigenden Kosten für Treibstoff, Strom, öffentliche Verkehrsmittel, Nahrungsmittel und Medikamente richtete. Die Inhaftierten wurden auf unterschiedliche Arten gefoltert und misshandelt, so zum Beispiel durch Elektroschocks, Schläge, Peitschenhiebe, Einzelhaft und psychischen Druck wie Vergewaltigungsdrohungen während der Verhöre. In vielen Fällen wurden die Aktivist_innen über Wochen oder Monate inhaftiert, ohne je einer Straftat angeklagt zu werden.
Auch zwischen dem 6. Januar und 10. Februar 2018 wurden im Sudan mindestens 140 Mitglieder der Oppositionspartei, Menschenrechtsverteidiger_innen, Studierende und Frauenrechtsaktivist_innen vom NISS festgenommen und inhaftiert. Dabei standen die Festnahmen ebenfalls im Zusammenhang mit Protestveranstaltungen gegen die steigenden Preise für Lebensmittel und Medikamente. Im April 2018 wurden alle Inhaftierten ohne Anklage wieder freigelassen.
Das Gesetz über die nationale Sicherheit (National Security Act 2010, NSA) gibt dem NISS weitreichende Befugnisse, wie z. B. Verdächtige für bis zu viereinhalb Monate ohne gerichtliche Überprüfung zu inhaftieren. Angehörige des NISS setzen ihre Befugnisse häufig ein, um Personen willkürlich festzunehmen und zu inhaftieren, und viele von ihnen werden dann gefoltert und anderweitig misshandelt. Dasselbe Gesetz gewährt NISS-Angehörigen außerdem Schutz vor Strafverfolgung für im Zuge ihrer Arbeit begangene Handlungen. Dies hat zu einer fest etablierten Kultur der Straflosigkeit geführt. Die am 5. Januar 2015 verabschiedete Verfassungsänderung von Artikel 151 hat die Befugnisse des NISS erweitert und die Situation noch verschärft. Durch die Änderung entwickelte sich der NISS von einer Geheimdienstbehörde, die sich auf das Einholen und die Analyse von Informationen und Beratung konzentrierte, zu einer vollwertigen Sicherheitsbehörde mit einem umfangreichen Mandat zur Ausübung einer Mischung von Funktionen, die normalerweise von den Streitkräften oder den Strafverfolgungsbehörden eines Landes wahrgenommen werden. Zudem gab dieser Schritt dem NISS uneingeschränkte Verfügungsfreiheit bei der Entscheidung, was genau eine politische, wirtschaftliche oder gesellschaftliche Bedrohung darstellt und wie auf solch eine Bedrohung zu reagieren ist. Weder das NSA noch der überarbeitete Artikel 151 verlangt vom NISS bei der Ausübung seiner Tätigkeit ausdrücklich oder implizit die Einhaltung relevanter internationaler, transnationaler oder nationaler Gesetze.