Philippinen: Indigene Aktivisten vermisst

Amnesty-Logo: Kerze umschlossen von Stacheldraht.

Die beiden Menschenrechtsverteidiger Dexter Capuyan und Gene Roz Jamil "Bazoo", die sich für Indigenenrechte einsetzen, werden seit dem 28. April 2023 vermisst. Es wird befürchtet, dass sie Opfer des Verschwindenlassens geworden sind. Ihre Familien haben glaubwürdige Informationen darüber erhalten, dass in der Gegend, in der die beiden Männer zuletzt gesehen wurden, zwei der Beschreibung entsprechende Personen von Polizeiangehörigen abgeführt wurden. Die Behörden haben dies bisher jedoch weder bestätigt noch dementiert.

Appell an

Botschaft der Republik Philippinen

Luisenstraße 16

10117 Berlin

Sende eine Kopie an

Botschaft der Republik Philippinen

Luisenstraße 16

10117 Berlin

Fax: (030) 873 25 51

E-Mail: info@philippine-embassy.de

Mit Bitte um Weiterleitung an:

Senior Undersecretary Carlito Galvez Jr.

OIC, Department of National Defense

E-Mail: comms@dnd.gov.ph

Secretary Benjamin C. Abalos Jr.

Department of the Interior and Local Government


E-Mail: bcabalosjr@dilg.gov.ph

Amnesty fordert:

  • Geben Sie bitte umgehend Informationen über das Schicksal und den Verbleib von Dexter Capuyan und Gene Roz Jamil "Bazoo" de Jesus heraus. Sorgen Sie zudem unverzüglich für eine gründliche, unabhängige, unparteiische, transparente und wirksame Untersuchung ihres "Verschwindens" und gewähren sie Zugang zu den relevanten staatlichen Einrichtungen.
  • Machen Sie bitte eine Angabe dazu, ob sich die beiden Männer in staatlichem Gewahrsam befinden, und werden Sie den Verpflichtungen der Regierung unter dem Gesetz gegen das Verschwindenlassen von 2012 gerecht.
  • Sollten sich die beiden Männer im Gewahrsam befinden, so müssen sie umgehend freigelassen werden. Sorgen Sie bitte in diesem Fall dafür, dass diejenigen, die mutmaßlich für das Verschwindenlassen verantwortlich sind, in fairen Verfahren vor Gericht gestellt werden.

Sachlage

Die beiden Indigenenrechtsverteidiger Dexter Capuyan und Gene Roz Jamil "Bazoo" de Jesus aus der Region Cordillera im Norden der Philippinen werden seit einigen Wochen vermisst und es wird befürchtet, dass sie Opfer des Verschwindenlassens durch Sicherheitskräfte geworden sind. Sie wurden zuletzt am 28. April in der Stadt Taytay in der Provinz Rizal gesehen. Über ihr Schicksal und ihren Verbleib ist nichts bekannt. Die Familien der beiden Männer haben sich in Einrichtungen des Militärs und der Polizei nach ihnen erkundigt, doch in den meisten Fällen half man ihnen dort nicht weiter und gestattete ihnen auch keinen Zugang. Auch haben die Behörden keine kategorische Angabe dazu gemacht, ob Dexter Capuyan und Gene Roz Jamil "Bazoo" de Jesus im Gewahrsam gehalten werden, obwohl das philippinische Recht dies vorschreibt.

Die Familienangehörigen haben von Zeug*innen erfahren, dass in der Gegend, in der die beiden Männer zuletzt gesehen wurden, zum entsprechenden Zeitpunkt zwei den Männern ähnelnde Personen von Unbekannten gewaltsam abgeführt wurden, die sich als Polizeiangehörige auswiesen. Die Sicherheitskräfte haben bisher gegenüber den Familien weder bestätigt noch dementiert, dass ein solcher Einsatz – ob offiziell oder inoffiziell – stattgefunden hat.

In den vergangenen zwölf Monaten wurden auf den Philippinen immer wieder Menschenrechtsverteidiger*innen und Aktivist*innen verschleppt. Manche wurden später wieder freigelassen und identifizierten die involvierten Personen als Staatsbedienstete. Vor ihrem Verschwindenlassen waren diese Personen mittels des sogenannten Red-Tagging ins Visier genommen worden (die öffentliche Verknüpfung dieser Aktivist*innen mit bewaffneten Gruppen) bzw. von der Regierung beschuldigt worden, Mitglieder der New Peoples Army (NPA), des bewaffneten Arms der Kommunistischen Partei der Philippinen, zu sein.

Dexter Capuyan gehört der indigenen Gemeinschaft der Bontoc-Kankanaey-Ibaloi an. Zuletzt gesehen wurde er in Taytay in der Provinz Rizal, wo er laut Angaben seiner Familie medizinische Versorgung in Anspruch nehmen wollte. Vor seinem "Verschwinden" war er von der Regierung bezichtigt worden, ein führendes Mitglied der NPA zu sein. Sein Name befand sich zudem auf einer Liste mutmaßlicher Anführer*innen der Kommunistischen Partei der Philippinen (CPP), die das Verteidigungsministerium und das Innenministerium herausgegeben hatten. Darüber hinaus wurde er als eine von 600 Personen in einem Antrag des Justizministeriums aufgeführt, der forderte, die CPP-NPA als terroristische Organisation einzustufen. Die Namen aller bis auf acht Personen wurden schlussendlich gestrichen (so auch der von Dexter Capuyan) und der Antrag vor Gericht abgewiesen. Die Behörden schrieben außerdem eine Belohnung von 2,85 Mio. Philippinischen Peso (etwa 46.600 Euro) für die Festnahme von Dexter Capuyan aus, weil ihm Mord in zwei Fällen vorgeworfen wird. Seine Familie ist der Ansicht, dass er nie darüber informiert wurde. In der Provinz Apayao wurden Plakate angebracht, auf denen er "tot oder lebendig" gesucht wurde.

Gene Roz Jamil "Bazoo" de Jesus arbeitet für die Philippine Task Force on Indigenous Peoples Rights (TFIP), eine Dachorganisation von NGOs, die sich für die Rechte indigener Bevölkerungsgruppen einsetzen. Er studierte Journalismus in Baguio und machte im Jahr 2016 seinen Abschluss. Während seines Studiums engagierte er sich aktiv in örtlichen und nationalen Studierendenvereinigungen.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Unter dem Gesetz gegen das Verschwindenlassen von 2012 sind Polizei, Militär und andere Stellen verpflichtet, auf Nachfrage von Familienmitgliedern, Rechtsbeiständen, Menschenrechtsorganisationen oder Medienschaffenden anzugeben, ob sie eine als vermisst gemeldete Person im Gewahrsam halten oder irgendwelche Angaben zu dem "Verschwinden" der Person machen können. Das Gesetz befähigt zudem die unabhängige Menschenrechtskommission des Landes, "regelmäßige, unabhängige, unangekündigte und uneingeschränkte Besuche bzw. Inspektionen von Hafteinrichtungen" vorzunehmen.

Die Praxis des Red-Tagging – d. h. die Verknüpfung von Aktivist*innen und Menschenrechtsverteidiger*innen mit bewaffneten Gruppen, sowohl durch die Regierung als auch durch unbekannte Personen – gibt es schon seit Jahrzehnten, hat sich aber unter der Regierung von Präsident Rodrigo Duterte nach dem Abbruch der Friedensgespräche zwischen der Regierung und der CPP im Jahr 2017 verschärft. Dutertes anschließende Verfügung Nr. 70 sieht einen "Ansatz zur Bekämpfung lokaler kommunistischer Terrorgruppen durch die ganze Nation" vor und führte zur Gründung der Nationalen Task Force zur Beendigung bewaffneter Konflikte durch kommunistische Gruppen im Land. Beobachter*innen betrachten diesen Moment als den Beginn einer verstärkten Kampagne von Red-Tagging, Drohungen und Schikanen gegen Menschenrechtsverteidiger*innen, politische Aktivist*innen, Anwält*innen, Gewerkschafter*innen und andere Gruppen. Auch kam es in diesem Zusammenhang zu Fällen von Tötungen und Verschwindenlassen.

Viele Organisationen, darunter Amnesty International und das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte, haben die sofortige Beendigung dieses Vorgehens gefordert und ihre Besorgnis darüber zum Ausdruck gebracht, dass die gefährlich breit angelegte Strategie der Regierung zur Aufstandsbekämpfung zu einer Zunahme der Menschenrechtsverletzungen gegen Menschenrechtsverteidiger*innen und Aktivist*innen im ganzen Land geführt hat.

Fortsetzung - auf Englisch

Before this, several other activists were also abducted by unknown individuals in suspected cases of enforced disappearances by state security forces; some were released by their captors following public clamour. In January 2023, development workers Dyan Gumanao and Armand Dayoha went missing for six days in Cebu City. The couple described in a subsequent press conference how they were emotionally and psychologically tortured, with their captors interrogating them and asking them if they were members of a terrorist group. In August 2022, Stephen Tauli, another Indigenous Peoples’ rights activist from the Cordillera region who was also repeatedly red-tagged, was abducted by unknown armed men before he was released a day after. Like Gumanao and Dayoha, Tauli said he was interrogated by his captors and forced to sign a document where he supposedly admitted that he was a CPP official. In November 2021, land rights defender and community organizer Steve Abua was abducted; he remains missing. His wife said that following his abduction, his captors called her and asked her to convince Abua to admit that he was a member of an armed group.