Unfaires Gerichtsverfahren

Diese Urgent Action ist beendet.

Nach sehr unfairen Gerichtsverfahren waren in Oman 2018 sechs Männer wegen "Verletzung der Unabhängigkeit oder Einheit des Landes oder der Unantastbarkeit des Staatsgebiets" zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt worden. Obwohl nach den Verfahren glaubwürdige Berichte über Folter aufgetaucht waren, wies ein Berufungsgericht nun ihre eingelegten Rechtsmittel ab und bestätigte die Urteile ohne Prüfung des Einzelfalls. Grundlage für die Anklagen war die Internetnutzung der sechs Männer, die sich online über die omanische Provinz Musandam und die dort lebende ethnische Gruppe der Shihuh informierten. Das Einlegen weiterer Rechtsmittel ist nicht möglich.

Im Fall von vier Inhaftierten aus der Provinz Musandam wird am 24. September das Urteil erwartet. Die omanischen Behörden haben bisher keine rechtliche Grundlage zur Rechtfertigung der Inhaftierung der Männer angeführt. Stattdessen beruft man sich auf vage formulierte Gründe der "nationalen Sicherheit". Das bisher geführte Gerichtsverfahren verstößt in vielen Punkten gegen das Recht auf ein faires Verfahren.

Appell an

Qaboos bin Said           

c/o Diwan of the Royal Court

Wadi Bahayis St., 3209 Way

Seeb, Muscat

OMAN

Sende eine Kopie an

Vorsitzender der Menschenrechtskommission

Abdulla bin Shawin Amur al-Husni


Oman Human Rights Commission

Fax: (00 968) 2421 8906

E-Mail: info@ohrc.om

Botschaft des Sultanats Oman

I.E. Frau Lyutha Sultan Ahmed Al Mughairy


Clayallee 82

14195 Berlin


Fax: 030-8100 5199

E-Mail: botschaft-oman@t-online.de

Amnesty fordert:

  • Lassen Sie bitte alle Anklagen fallen, die sich lediglich auf die friedliche Wahrnehmung der Rechte auf Meinungs- und Vereinigungsfreiheit beziehen oder auf wagen Anschuldigungen im Rahmen der "nationalen Sicherheit" beruhen und stellen Sie sicher, dass alle Inhaftierten umgehend und bedingungslos freigelassen oder unverzüglich einer international anerkannten Straftat angeklagt werden.
  • Sorgen Sie bitte dafür, dass die Angeklagten das Recht haben, gegen den Schuldspruch vor einem unabhängigen und unparteiischen Gericht in Verfahren, die internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren entsprechen, Rechtsmittel einzulegen.
  • Stellen Sie bitte auch sicher, dass die Angeklagten frei mit ihren Familien und den Rechtsbeiständen ihrer Wahl kommunizieren können und während ihrer Inhaftierung vor Folter und anderen Misshandlung geschützt sind.

Sachlage

Im Fall von vier Inhaftierten aus der Provinz Musandam wird für den 24. September ein Urteilsspruch erwartet. Die omanischen Behörden haben bisher weder öffentlich noch im internen Kreis die Rechtsgrundlage für die Anklagen gegen die vier Männer preisgegeben. Die aus staatlichen und nichtstaatlichen Vertreter_innen bestehende omanische Menschenrechtskommission (Oman Human Rights Commission) gab am 29. August in einer von Amnesty International vorliegenden Stellungnahme bekannt, dass sich die Männer wegen "mehrerer Anklagepunkte in Verbindung mit der nationalen Sicherheit" verantworten müssten. Amnesty International hat um weitere Informationen gebeten, bisher aber noch keine Antwort erhalten.

Die vier Männer wurden der Staatsanwaltschaft vorgeführt, ohne die Möglichkeit zu erhalten, einen Rechtsbeistand zu ernennen oder ihre Familien um die Ernennung eines solchen zu bitten. Als die Familien der Angeklagten erfuhren, dass sich das Verfahren gegen die Männer bereits in der Anklagephase befand, beauftragten sie einen Rechtsbeistand. Das Verfahren bestand aus nur drei gerichtlichen Anhörungen; die erste davon fand am 22. Juli statt. Die Verteidigung durfte weder mit den Angeklagten sprechen noch irgendwelche fallbezogenen Unterlagen erhalten oder lesen, bevor das Verfahren begann. Dies verstößt gegen das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren. Auch seit Beginn des Verfahrens durften die Rechtsbeistände der Angeklagten die Fallakten nicht an sich nehmen, sondern dürfen sie nur unter Aufsicht ansehen und sich Notizen machen.

Laut Angaben einer Person, die mit einem der Angeklagten verwandt ist, sich im Ausland befindet und mit Personen in Kontakt steht, die sich direkt mit dem Rechtsbeistand getroffen haben, lauten die Anklagen unter anderem auf "Zirkulieren und Veröffentlichen von Informationen, die die Behörden beleidigen" und "Kommunizieren mit internationalen Gruppen mit dem Ziel, die Unabhängigkeit des Staates zu untergraben". Dieselbe Person berichtet außerdem, dass die Angeklagten bei einem Schuldspruch mit Gefängnisstrafen von drei Jahren bis lebenslänglich rechnen müssen. Da Mohammed Abdullah Ahmed bin Rahma al-Shahi, Ali Mohammed Ali Mazyud al-Shahi, Ali Ahmed Rajab al-Obaidi al-Shahi und Mohammed Sulaiman Mohammed Mazyud al-Shahi der ethnischen Gruppe der Shihuh angehören, befürchtet Amnesty International, dass ihre Inhaftierung zum Teil auf diskriminierenden Motiven basiert, was gegen das Internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von rassistischer Diskriminierung verstoßen würde, dessen Vertragsstaat der Oman ist.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Ali Ahmed Rajab al-Obaidi al-Shahi und Ali Mohammed Ali Mazyud al-Shahi wurden am 9. April getrennt voneinander in Musandam inhaftiert. Am 5. Mai wurde Mohammed Abdullah Ahmed bin Rahma al-Shahi an seinem Wohnsitz in Dubai festgenommen und den omanischen Behörden übergeben, da er die omanische Staatsangehörigkeit besitzt. Am 28. Mai nahmen omanische Sicherheitskräfte Mohammed Sulaiman Mohammed Mazyud al-Shahi am Grenzübergang al-Dara zu den Vereinigten Arabischen Emiraten fest, als er von der Omrah-Pilgerfahrt nach Musandam zurückkehren wollte.

Den omanischen Medien ist es strengstens verboten, über die seit dem Frühjahr anhaltende Welle der Inhaftierungen und Vorladungen in Musandam zu berichten. Weder die offizielle omanische Nachrichtenagentur noch lokale Nachrichtenmedien haben die Vorkommnisse in ihrer Berichterstattung aufgegriffen.

Die Festnahmen ereignen sich vor dem Hintergrund der anhaltenden Spannungen zwischen dem Oman und den Vereinigten Arabischen Emiraten über die von der ethnischen Gruppe der Shihuh bewohnten Gebiete, die sich über beide Seiten der Grenze erstrecken. Alle Inhaftierten bzw. Vorgeladenen gehören zur ethnischen Gruppe der Shihuh, was sich an dem Familiennamen al-Shahi zeigt. Die Angehörigen der ethnischen Gruppe der Shihuh machen die Mehrheit der Bewohner_innen von Musandam aus, das lokal Ru’us al-Jibal genannt wird. Musandam ist eine omanische Exklave und räumlich nicht an das Staatsgebiet angebunden. Sie formt die Spitze der Arabischen Halbinsel an der Straße von Hormus. Die Exklave grenzt an das Staatsgebiet der Vereinigten Arabischen Emirate und liegt neben dem Emirat Ra's al-Chaima. Ahmed Mansoor al-Shahi, ein gewaltloser politischer Gefangener in den Vereinigten Arabischen Emiraten, gehört ebenfalls zur ethnischen Gruppe der Shihuh (https://www.amnesty.org/download/Documents/MDE2585102018ENGLISH.pdf). Die ethnische Gruppe der Shihuh sowie die Provinz Musandam im Allgemeinen verfügt über kulturelle Praktiken, die sich vom Rest des Omans unterscheiden, z. B. was Kleidung, Arbeiten in der Landwirtschaft und die Ausübung des Islam angeht.

Ein Gericht verurteilte den emiratischen Staatsbürger Rashed Saeed al-Salhadi al-Shahi am 27. August zu einer lebenslangen Haftstrafe. Er war zuvor am 6. April in al-Rawda in der Provinz Musandam festgenommen worden. Die gegen ihn erhobenen Anklagen sind noch immer nicht bestätigt, da die Behörden keine Dokumente zur Verfügung stellen. In der zweiten Julihälfte nahmen Angehörige des omanischen Geheimdienstes Aref Sultan Ahmed al-Shahi am Grenzübergang al-Dara fest, als er aus den Vereinigten Arabischen Emiraten einreisen wollte. Er ist ebenfalls emiratischer Staatsbürger, jedoch mit familiären Wurzeln in Musandam. Wie es scheint, soll auch Aref Sultan al-Shahi getrennt von den vier Angeklagten mit omanischer Staatsangehörigkeit verurteilt werden.

Neben diesen Inhaftierten hatte der omanische Geheimdienst in der zweiten Julihälfte Dutzende Anwohner_innen aus der Provinz Musandam vorgeladen. Diese wurden entweder nach ihrer Befragung freigelassen oder einige Tage festgehalten. In einem Fall wurde ein Inhaftierter erst nach einem Monat freigelassen. Einige der vorgeladenen Personen wurden dazu genötigt, vor ihrer Freilassung Erklärungen zu unterzeichnen, in denen sie zusicherten, weder Soziale Medien zu nutzen noch mit Familienangehörigen in den Vereinigten Arabischen Emiraten zu kommunizieren.

In den vergangenen Jahren kam es in Musandam immer wieder zu ähnlichen Fällen von willkürlicher Inhaftierung. So wurden beispielsweise im September 2015 zwei Personengruppen inhaftiert, weil die Behörden sie dabei überwacht hatten, wie sie über Google und Twitter Informationen über die Geschichte von Musandam suchten und austauschten. Im März 2016 wurde eine örtliche folkloristische Musikgruppe inhaftiert, dann mehrere Wochen später ohne Anklage wieder freigelassen. Ende 2016 kam es erneut zu weiteren willkürlichen Festnahmen.