Nigeria: Massive Zwangsräumungen in Port Harcourt

Anwohner_innen der nigerianischen Stadt Port Harcourt stehen in den Trümmern ihrer Häuser

Menschen stehen in der nigerianischen Stadt Port Harcourt in den Trümmern ihrer Häuser, die bei Zwangsräumungen zerstört wurden (Archivaufnahme).

Die Behörden des Bundesstaates Rivers haben Tausende Bewohner_innen eines Hafenviertels aus ihren Häusern vertrieben. Betroffen ist der Stadtteil Diobu von Port Harcourt, in dem ungefähr 60.000 Menschen leben. Auf diese Weise will der Gouverneur des Bundesstaates Rivers gegen einen vermeintlichen "Hotspot der Kriminalität" vorgehen. Stattdessen sollte er jedoch jegliche Pläne für weitere Räumungs- und Abrissaktionen stoppen und den Betroffenen dringend den Zugang zur Justiz gewährleisten und Rechtsschutz gewähren.

Appell an

Governor Nyesom Wike

Office of the Governor

Government House

Port Harcourt

Rivers State


NIGERIA

 

Sende eine Kopie an

Botschaft Nigerias

S.E. Herr Yusuf Maitame Tuggar

Neue Jakobstraße 4

10179 Berlin


info@nigeriaembassygermany.org

Amnesty fordert:

  • Ich fordere Sie auf, unverzüglich weitere Abrissaktionen zu stoppen und Notfallhilfe zu leisten, sowie Alternativunterkünfte und wirksame Rechtsbehelfe, darunter angemessene Entschädigungen, für alle Bewohner_innen von Port Harcourt zu gewähren, die von einer rechtswidrigen Zwangsräumung betroffen sind.

Sachlage

Die massiven rechtswidrigen Zwangsräumungen im Stadtteil Diobu von Port Harcourt im südnigerianischen Bundesstaat Rivers sind besorgniserregend. Bereits zu ihrem Beginn am 29. Januar wurden allein im Viertel Elechi Phase 1 rund 2.000 Menschen obdachlos. Bis zum 3. Februar hatten die Behörden die Abrissaktionen dann auf neun weitere Hafenviertel erweitert: Urualla, Ojike, Akwuzu, Afikpo, Abba, Akowka, Nanka, Egede und Soku. Die betroffenen zehn Stadtviertel beheimaten schätzungsweise 60.000 Menschen. Durch die Zwangsräumungen wurde nicht nur ihr Eigentum, sondern auch ihre Lebensgrundlage zerstört.

Am 19. Januar suchten Angehörige der bundesstaatlichen Behörden von Rivers mehreren Hafenviertel von Port Harcourt auf und kennzeichneten die Häuser für die bevorstehende Abrissaktion. Laut Anwohner_innen wurden sie von Spezialeinsatzkräften angewiesen, ihre Häuser innerhalb von sieben Tagen zu verlassen, also bis zum 26. Januar. Am 29. Januar begann die Abrissaktion im Viertel Elechi Phase 1. Angehörige einer Spezialeinheit und andere Sicherheitskräfte, darunter auch leitende Beamt_innen der bundesstaatlichen Polizei, vertrieben die Bewohner_innen aus ihren Häusern, teilweise unter Anwendung exzessiver Gewalt. Sie schlugen zahlreiche Anwohner_innen, sodass viele von ihnen verletzt wurden. Durch die rechtswidrigen Zwangsräumungen wurden Tausende Frauen, Männer und Kinder obdachlos. Sie sind nun gezwungen, unter unzumutbaren Bedingungen ohne Zugang zu grundlegenden Versorgungsleistungen wie Wasser und Sanitäranlagen zu leben.

Durch die Zwangsräumungen wird das Recht der ehemaligen Bewohner_innen auf Wohnen verletzt, obwohl die nigerianische Regierung als Vertragsstaat des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte die Verpflichtung hat, dieses Recht zu gewährleisten und zu schützen. Darüber hinaus beeinträchtigt die Maßnahme auch andere Menschenrechte, wie zum Beispiel die Rechte auf Bildung und Gesundheit, da die ehemaligen Bewohner_innen nun einem erhöhten Risiko ausgesetzt sind, an Covid-19 zu erkranken. Insbesondere während einer globalen Pandemie ist der Zugang zu angemessener Unterkunft von entscheidender Bedeutung, um Menschen vor einer Erkrankung zu schützen und die Ausbreitung zu verhindern, sowie ihnen die Möglichkeit zu geben, zu genesen.

Außerdem dürfen gemäß internationalen Menschenrechtsstandards Zwangsräumungen nur als letzte Instanz vorgenommen werden, nachdem alle möglichen Alternativen geprüft und angemessene verfahrenstechnische Schutzmaßnahmen getroffen wurden. Die Regierung muss garantieren, dass niemand als Folge der Zwangsräumung obdachlos oder gefährdet wird, andere Menschenrechtsverletzungen zu erfahren.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Port Harcourt is the capital and largest city of Rivers State, Nigeria. It is a metropolitan city with a population of over 3 million people. It lies along the Bonny River. Despite being an oil producing region of Niger Delta, thousands of people in the region live below the poverty line amidst inadequate and affordable housing. The forced evictions in Port Harcourt across waterfront communities has affected the lives and livelihood of its residents. The forced evictions followed an announcement by the Governor of Rivers State, Nyesom Wike, in his 2022 New Year message, that the state government would, from the second week of January, commence the demolition of all shanties and makeshift structures in criminal hotspots in Port Harcourt.

Under international law, evictions may only be carried out as a last resort, once all other feasible alternatives to eviction have been explored and appropriate procedural safeguards have been put in place. Such procedural safeguards include provision of adequate notice, opportunities for genuine consultations and access to legal remedies. Governments must also ensure that no one is rendered homeless or vulnerable to the violation of other human rights as a consequence of eviction. In cases where evictions may be justifiable, it is incumbent upon the relevant authorities to ensure that they are carried out in a manner warranted by law and which is compatible with international human rights laws and standards.

Although the Nigerian Constitution directs the state to ensure that adequate shelter is provided for all citizens, this provision is in the Constitution’s 'directive principles’ and therefore not enforceable in Nigerian Courts. However, Nigeria is a party to the International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights and other international and regional human rights treaties which require states parties to realize the right to adequate housing, and to prevent and refrain from carrying out forced evictions.