Journalist untergetaucht

Myanmar, Landkarte

Myanmar

Aung Marm Oo, Chefredakteur einer Nachrichtenagentur im Bundesstaat Rakhine, hält sich seit über einem Jahr versteckt. Er steht unter Anklage, gegen das Vereinigungsgesetz verstoßen zu haben. Seine Nachrichtenagentur Development Media Group (DMG) berichtet über Menschenrechtsverstöße im Konflikt zwischen dem Militär und der bewaffneten Gruppierung Arakan Army im Bundesstaat Rakhine. Sollte er nach diesem repressiven, häufig gegen ethnische Minderheiten in Myanmar eingesetzten Gesetz verurteilt werden, drohen ihm bis zu fünf Jahre Gefängnis. Amnesty International hält die Vorwürfe für haltlos und politisch motiviert.

Appell an

Generalstaatsanwalt

U Tun Tun Oo,

Union Attorney General Office No. 25

Nay Pyi Taw

MYANMAR

 

Sende eine Kopie an

Botschaft der Republik der Union Myanmar

I. E. Frau Yin Yin Myint

Thielallee 19

14195 Berlin

Fax: 030-2061 5720


E-Mail: info@meberlin.com

Amnesty fordert:

  • Bitte lassen Sie alle Anklagen gegen Aung Marm Oo und andere Medienschaffende fallen, denen allein deshalb eine Inhaftierung droht, weil sie ihrer journalistischen Tätigkeit nachgehen.
  • Ich bitte Sie zudem entsprechend internationaler Menschenrechtsnormen und -standards um die Aufhebung bzw. Abänderung aller Gesetze, die das Recht auf Meinungsfreiheit unrechtmäßig einschränken – darunter auch das Vereinigungsgesetz.
  • Gewährleisten Sie eine sichere Umgebung für alle Medienschaffenden, Menschenrechtsverteidiger_innen, Aktivist_innen und andere, in der diese ohne Repressalien ihrer Tätigkeit nachgehen und ihre Menschenrechte wahrnehmen können.

Sachlage

Als Chefredakteur und Geschäftsführer der Development Media Group (DMG) im Bundesstaat Rakhine ist Aung Marm Oo vermutlich deswegen ins Visier der Behörden geraten, weil seine Nachrichtenagentur über den fortdauernden Konflikt zwischen dem myanmarischen Militär und der Arakan Army in den Bundesstaaten Rakhine und Chin berichtet. Das Recht auf freie Meinungsäußerung sowie die Medienfreiheit sind umfassend und wirksam zu achten, zu schützen und zu fördern. Medienschaffende müssen ihrer Arbeit ohne Furcht vor Einschüchterung, Schikane, Festnahme oder Strafverfolgung nachgehen können.

Die Tatsache, dass die Behörden mehr als ein Jahr, nachdem eine Sondereinheit der Polizei gemäß Paragraf 17(2) des Vereinigungsgesetzes Klage gegen Aung Marm Oo eingereicht  hat, weder seiner Familie noch der Development Media Group eine schriftliche Begründung der Klage vorgelegt haben, gibt Anlass zur Sorge. Bisher gab es keinerlei Erklärung, warum die Behörden das Haus von Aung Marm Oo durchsucht, seine Angehörigen befragt und seine Kolleg_innen zu seinem Verbleib und der Berichterstattung von DMG über die Lage im Bundesstaat Rakhine verhört haben.

Internationale Menschenrechtsnormen sehen vor, dass jede Person, der eine Straftat zur Last gelegt wird, das Recht hat, umgehend, detailliert und schriftlich über die Art und den Grund der Anklage informiert zu werden Das Recht auf freie Meinungsäußerung schließt das Recht ein, über Medien jeder Art und ohne Rücksicht auf Grenzen Informationen und Gedankengut zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten. Die kritische Berichterstattung über Menschenrechtsverletzungen durch Militärangehörige darf nicht eingeschränkt und keinesfalls kriminalisiert werden.

Beunruhigend ist auch das fortdauernde harte Vorgehen gegen unabhängige Medien und friedliche Aktivist_innen in Myanmar. Mindestens drei Mitarbeiter_innen anderer Medienhäuser wurden in den vergangenen zwei Monaten beschuldigt, gegen Gesetze zur Terrorbekämpfung verstoßen zu haben. Währenddessen hat die DMG Schwierigkeiten, ihre Medien- und Verlagslizenzen zu erneuern, was sie daran hindert, legal ihrer Arbeit nachzugehen. Ermöglicht wird dieses Vorgehen durch eine Reihe vage formulierter Gesetze, die es den Behörden erlauben, Journalist_innen, Menschenrechtsverteidiger_innen und friedliche Aktivist_innen festzunehmen, zu inhaftieren und strafrechtlich zu verfolgen.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Aung Marm Oo ist Gründer und Chefredakteur der Development Media Group (DMG), einer 2012 gegründeten Nachrichtenagentur, die über aktuelle Themen berichtet, insbesondere über Geschehnisse im Bundesstaat Rakhine im Westen von Myanmar. Seit Anfang 2019 berichtet die DMG über den Konflikt zwischen dem Militär und der Arakan Army, einer bewaffneten Gruppe aus dem Bundesstaat Rakhine. Im Fokus stehen dabei begangene Menschenrechtsverstöße, insbesondere des Militärs.

Am 1. Mai 2019 wurde Aung Marm Oo unter Paragraf 17(2) angeklagt. Dieser sieht bis zu fünf Jahre Gefängnis für Personen vor, die eine rechtswidrige Vereinigung leiten oder durch Werbung oder Beihilfe ermöglichen. Das Vereinigungsgesetz ist vage formuliert und wird von den Behörden seit Längerem eingesetzt, um in konfliktreichen Regionen Angehörige ethnischer Minderheiten festzunehmen und zu inhaftieren. Bis heute hat Augn Marm Oo keine Kenntnis darüber, worauf sich die Vorwürfe konkret beziehen, da die Behörden weder seinen Angehörigen noch DMG eine offizielle Begründung haben zukommen lassen. Aung Marm Oo geht davon aus, dass sie mit der Berichterstattung von DMG in Verbindung stehen. Aus Angst vor Festnahme und Inhaftierung ist er vor mehr als einem Jahr untergetaucht.

Internationale Menschenrechtsnormen sehen vor, dass jede Person, der eine Straftat zur Last gelegt wird, das Recht hat, umgehend, detailliert und schriftlich über die Art und den Grund der Anklage informiert zu werden. Eine mündliche Mitteilung muss schriftlich bestätigt werden. Die myanmarischen Behörden verstoßen gegen dieses Recht, indem sie Aung Marm Oo nicht über die Vorwürfe gegen ihn in Kenntnis setzen. Darüber hinaus gefährden sie sein Recht auf angemessene Vorbereitung seiner Verteidigung, welches ebenfalls völkerrechtlich verankert und ein wichtiger Schutzmechanismus gegen unfaire Gerichtsverfahren ist. Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist in Artikel 19 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte festgeschrieben. Es schließt die Freiheit ein, "über Medien jeder Art und ohne Rücksicht auf Grenzen Informationen und Gedankengut zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten". Die kritische Berichterstattung über Menschenrechtsverletzungen durch Militärangehörige darf nicht eingeschränkt und keinesfalls kriminalisiert werden.