425 Menschen auf Fährschiffen festgesetzt

Diese Urgent Action ist beendet

In der Nacht vom 6. zum 7. Juni ließen die maltesischen Behörden endlich die Asylsuchenden an Land gehen, die über mehrere Wochen hinweg auf vier Fährschiffen vor den Hoheitsgewässern des Landes festgehalten worden waren. Die rund 425 Geflüchteten waren im zentralen Mittelmeer aus Seenot gerettet und anschließend auf die Fährschiffe gebracht worden. Mit der Ausschiffung endet nun die willkürliche und anfänglich zeitlich unbegrenzte Inhaftierung auf See, die für einige Asylsuchende mehr als einen Monat lang andauerte.

Foto vom Meer mit grauem Himmel, links und rechts historische Türmchen und Mauern eines Hafenbeckens

Die Hafeneinfahrt der maltesischen Hauptstadt Valletta

*** Die Menschen auf den Fährschiffen sind inzwischen an Land. Vielen Dank für euren Einsatz! ***

Unter dem Vorwand der COVID-19-Pandemie halten die maltesischen Behörden seit April bzw. Mai Hunderte Asylsuchende auf Privatschiffen fest, die normalerweise für den Küstentourismus genutzt werden und vor den Hoheitsgewässern des Landes liegen. Die Situation an Bord wird immer unerträglicher, da die Schiffe nicht für längere Aufenthalte ausgelegt sind. Die maltesischen Behörden müssen die auf den Schiffen willkürlich festgehaltenen Personen umgehend in Malta von Bord gehen lassen und dafür sorgen, dass sie Asylanträge stellen und angemessene Aufnahmeleistungen in Anspruch nehmen können.

Appell an

Premierminister

Dr Robert Abela MP

Office of the Prime Minister

Auberge de Castille

Valletta VLT 1061

MALTA

Sende eine Kopie an

Botschaft der Republik Malta

Frau Sephora Gauci, I. Sekretärin (Geschäftsträgerin a.i.)

Klingelhöferstraße 7

10785 Berlin


Fax: 030-263 911 23

E-Mail: maltaembassy.berlin@gov.mt

 

Amnesty fordert:

  • Stoppen Sie bitte umgehend die Menschenrechtsverletzungen gegen die auf Fährschiffen festgehaltenen Personen, indem Sie sie sofort von Bord gehen lassen und in offene Strukturen überführen, damit sie dort die notwendige Unterstützung bekommen und, falls gewünscht, Asylanträge stellen können.

Sachlage

Seit April bringen die maltesischen Behörden aus Seenot gerettete Menschen auf gecharterte Privatschiffe, die außerhalb der Hoheitsgewässer des Landes liegen. Die maltesische Regierung hält somit Asylsuchende außerhalb der Landesgrenzen fest und hat bislang keine Angaben darüber gemacht, wann sie von Bord gelassen werden. Vielmehr nutzen die Behörden die Lage dieser Menschen aus, um andere europäische Regierungen dazu zu nötigen, die Asylsuchenden aufzunehmen.

Malta nutzt die COVID-19-Pandemie als Grund dafür, jegliche Ausschiffung von aus Seenot geretteten Personen zu untersagen. Es folgten Vorfälle, bei denen um Hilfe nachsuchende Schiffe tagelang unbeaufsichtigt auf See belassen wurden. Berichten zufolge instruierte Malta in einem Fall sogar privat geführte Schiffe, Menschen zu retten und anschließend in Libyen abzusetzen. Dieser Fall ist gegenwärtig Gegenstand eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens in Malta, bei dem es auch um die diesbezügliche Rolle des Premierministers des Landes geht. Die sogenannten Push-Backs nach Libyen stellen einen Verstoß gegen international und in Europa geltende Menschenrechtsstandards und das Flüchtlingsrecht dar.

Mit dem Ziel, weitere Ausschiffungen in Malta zu verhindern, ist die Regierung außerdem dazu übergegangen, private Schiffe der Unternehmen Captain Morgan und Supreme Cruises zu benutzen, um auf See gerettete Personen festzusetzen. Diese Schiffe werden normalerweise nur für Tagesausflüge an der maltesischen Küste eingesetzt. Am 28. Mai befanden sich etwa 425 Menschen auf vier privat geführten Schiffen. Die Betroffenen wurden in verschiedenen Einsätzen am 29. April, 7. Mai, 22. Mai, 25. Mai und 27. Mai aus Seenot gerettet.

Diese Menschen über Tage und Wochen hinweg ohne rechtliche Grundlage und unter derartigen Umständen festzuhalten, ist durch nichts zu rechtfertigen. Fährschiffe dieser Art sind weder für längere Passagieraufenthalte ausgelegt noch für die besonderen Bedürfnisse von aus Seenot geretteten Personen ausgerüstet. Die Eindämmung der COVID-19-Pandemie kann keine Entschuldigung für derart unnötige, menschenunwürdige und diskriminierende Maßnahmen gegen traumatisierte Menschen sein, wie sie die Festsetzung auf einem Fährschiff darstellt. Auch ein Mangel an Unterstützung durch andere EU-Mitgliedstaaten ist keine Rechtfertigung für diese Art der willkürlichen Inhaftierung.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Am 29. April rettete ein Fischerboot eine Gruppe von 57 Männern und brachte diese am folgenden Tag auf die Europa II. Am 7. Mai wurden 45 Menschen von einem Schnellboot der maltesischen Streitkräfte und 78 Personen von einem Fischerboot gerettet. Die Familien aus diesen Gruppen (einschließlich 18 Frauen und Kinder) durften in Malta von Bord gehen. Die restlichen 105 Personen wurden zunächst auf das Fährschiff Bahari und anschließend, am 15. Mai, auf das Fährschiff Atlantis gebracht. Diese Menschen befinden sich seither auf diesen beiden Schiffen, die nicht für längere Aufenthalte gedacht sind. Die maltesischen Behörden haben Matratzen und Lebensmittel an Bord der Schiffe gebracht. Berichten zufolge wurden auch Corona-Tests durchgeführt. Medien und örtliche NGOs berichten allerdings, dass die Situation der Menschen an Bord schwierig und zunehmend von Verzweiflung, Depression und Angst geprägt ist. Mehrere Personen sind Berichten zufolge in den Hungerstreik getreten, andere haben Selbstmordversuche unternommen.

Am 22. Mai retteten die maltesischen Streitkräfte in zwei separaten Einsätzen 140 Personen aus Seenot. Die Regierung charterte erneut die Bahari, um die Geretteten dort festzusetzen. Ausnahme waren 19 Personen, darunter Kinder und schwangere Frauen, die aus humanitären Gründen an Land gebracht wurden. Am 25. Mai wurden weitere 90 Menschen von einem militärischen Patrouillenboot gerettet und tags darauf auf die Fährschiffe gebracht. Am 26. Mai durften acht Kinder und 18 Frauen in Malta an Land gehen. Nachdem am 27. Mai weitere 75 Personen durch das Militär aus Seenot gerettet wurden, charterte die Regierung ein viertes Schiff – die Jade des Unternehmens Supreme Cruises.

Am 28. Mai wurden auf den vier Schiffen etwa 425 Personen außerhalb der Landesgrenzen festgehalten. Obwohl die Menschen auf den Fährschiffen das Recht haben, Asyl in Malta zu beantragen, untersagten die maltesischen Behörden bislang einen Besuch des UN-Hochkommissariats für Flüchtlinge (UNHCR). Selbst die maltesische Asylbehörde AWAS hat Berichten zufolge noch keinen Zugang erhalten. Da es de facto keinen Kontakt zur Außenwelt gibt und die Menschen an Bord weder ärztlich versorgt werden noch die Hilfe von Rechtsbeiständen ihrer Wahl in Anspruch nehmen können, ist es unmöglich, genaue Informationen über ihre Anzahl und Herkunft zu erhalten.