Willkürliche Festnahmen

Polizisten gingen am 8. Februar 2012 in der maledivischen Hauptstadt Malé gewaltsam gegen Demonstranten vor

Polizisten in der maledivischen Hauptstadt Malé

Die Regierung der Malediven hat am 5. Februar den Ausnahmezustand ausgerufen. Sie reagierte damit auf eine aktuelle Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, inhaftierte Oppositionsführer freizulassen und das Verfahren gegen sie wiederaufzunehmen. Jetzt wurden fünf Richter und andere hochrangige Oppositionelle festgenommen – offensichtlich ein Versuch, die Opposition zum Schweigen zu bringen.

Appell an

Generalstaatsanwalt

Uz Mohamed Anil

H. Velaanaage, 6th Floor

Ameeru Ahmed Magu

Malé 20096, MALEDIVEN

Sende eine Kopie an

Außenminister

Ali Naseer Mohamed

Ministry of Foreign Affairs

Malé 20077, MALEDIVEN

E-Mail: ali.mohamed@foreign.gov.mv

Botschaft der Republik Malediven

Frau Jameela Ali Khalid

Pariser Platz 4a

10117 Berlin

E-Mail: info@maldivesembassy.de

Amnesty fordert:

  • Bitte ordnen Sie die sofortige Freilassung der fünf willkürlich festgenommenen Personen an, es sei denn, sie werden einer als Straftat erkennbaren Handlung und unter Berücksichtigung des Völkerrechts und internationaler Standards angeklagt.
  • Ich fordere Sie höflich auf, die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, die Angehörigen der politischen Opposition freizulassen und das Verfahren gegen sie wiederaufzunehmen, zu respektieren.
  • Sorgen Sie bitte dafür, dass Aktivist_innen, Menschenrechtsverteidiger_innen, Journalist_innen, Akademiker_innen und Angehörige der politischen Opposition ihre Menschenrechte ohne Angst vor Strafe, Repressalien oder Einschüchterung ausüben können

Sachlage

Der Präsident des Obersten Gerichtshofs, Abdulla Saeed, und der Richter Ali Hameed vom Obersten Gerichtshof wurden am 6. Februar frühmorgens festgenommen, nachdem sich Armeeangehörige Zugang zum Obersten Gerichtshof verschafft hatten. Die beiden gehörten zu einem insgesamt vierköpfigen Gericht, das zuvor die sofortige Freilassung und Wiederaufnahme des Verfahrens gegen neun Oppositionsführer, darunter den ehemaligen Staatspräsidenten Mohamed Nasheed, angeordnet hatte. Früh am selben Morgen nahm die Polizei auch den Leiter der Justizverwaltung, Hassan Saeed, fest.

Einen Tag zuvor, am 5. Februar um Mitternacht, waren bereits der ehemalige Staatspräsident der Malediven, Maumoon Abdul Gayoom, und sein Schwiegersohn Mohamed Nadheem in seiner Residenz in Malé festgenommen worden. Maumoon Abdul Gayooms Tochter berichtete den Medien zufolge, dass die Streitkräfte in das Haus eingebrochen seien und ihn festgenommen hätten. Er befindet sich derzeit in einer Haftanstalt auf einer Insel in der Nähe von Malé. Der 80-Jährige war 30 Jahre lang Präsident, bis er bei den Wahlen 2008 abgelöst wurde.

Die aktuelle politische Krise wurde von einem überraschenden Urteil des Obersten Gerichtshofs ausgelöst. Dieses hatte am 1. Februar 2018 die Verurteilung des Ex-Präsidenten Mohamed Nasheed aufgehoben und die Freilassung weiterer Oppositioneller sowie die Wiederaufnahme ihres Verfahrens angeordnet.

Anstatt den Beschluss des Obersten Gerichtshofs umzusetzen, begann die Regierung von Präsident Abdulla Yameen, willkürlich Angehörige der politischen Opposition zu inhaftieren. Am 5. Februar erklärte Präsident Yameen den Ausnahmezustand, indem er mehrere Klauseln der Verfassung – darunter den Schutz des Rechts auf Versammlungsfreiheit – außer Kraft setzte. Außerdem hob er grundlegende Sicherheitsvorkehrungen bezüglich der Befugnisse der Sicherheitskräfte auf, Personen festzunehmen und zu inhaftieren sowie Eigentum zu beschlagnahmen und zu durchsuchen. Präsident Yameen begründete den Ausnahmezustand damit, der Beschluss des Obersten Gerichtshofs stelle eine Beeinträchtigung "des Systems der gegenseitigen Kontrolle" dar.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Seitdem Präsident Abdulla Yameen 2013 an die Macht kam, erleben die Malediven eine unerbittliche Welle der Unterdrückung. Das prominenteste Opfer bisher war der frühere Präsident Mohamed Nasheed, der im März 2015 nach einem zutiefst fehlerhaften und politisch motivierten Prozess wegen "Terrorismus" zu einer Gefängnisstrafe von 13 Jahren verurteilt wurde. Mohamed Nasheed befindet sich jetzt im Exil in Colombo, Sri Lanka, aber andere Mitglieder der politischen Opposition sind weiterhin in Gefängnissen des Inselstaates im Indischen Ozean inhaftiert.

Die politische Unterdrückung auf den Malediven hat in der internationalen Gemeinschaft bisher wenig Beachtung gefunden. Die Regierung fühlt sich dadurch bestärkt, dass der Tourismus bisher nicht gelitten hat, und hat sich durch die Unterdrückung abweichender Meinungen und die Verurteilung von Oppositionellen in Verfahren, die im Verdacht stehen, politisch motiviert zu sein und internationalen Standards nicht zu entsprechen, weiter verschanzt.

Als Reaktion auf die wiederholte Kritik zur Lage der Menschenrechte auf den Malediven verkündete die maledivische Regierung im Oktober 2016, dass sie sich entschlossen habe, das Commonwealth zu "verlassen". Im März 2017 kam es zu einer Niederschlagung von Protesten auf einem der Atolle der Malediven im Vorfeld eines Besuchs des saudi-arabischen Königs Salman bin Abdul Aziz Al-Saud. Journalist_innen und Aktivist_innen werden angefeindet. Auch die grausame Tötung des populären Bloggers Yameen Rasheed im April 2017 wurde nicht effektiv untersucht und die Schuldigen wurden nicht vor Gericht gestellt.

Seit Juni 2016 hatte die Regierung der Malediven wiederholt angekündigt, Hinrichtungen auf den Malediven nach mehr als 60 Jahren wiederaufnehmen zu wollen. Im Visier stehen drei Häftlinge, die in einem Verfahren wegen Mordes verurteilt wurden, das ernsthafte Bedenken an der Fairness hervorgerufen hat. Im September 2017 wurden mehr als 50 Rechtsbeistände von der Ausübung ihrer Tätigkeit in allen Gerichten suspendiert. Dabei schien es sich um eine Sanktionsmaßnahme als Reaktion auf eine Petition zu handeln, die diese einreichen wollten und in der sie ernsthafte Bedenken zu den Entwicklungen im Justizwesen äußerten. Auf einen Schlag wurde ein Drittel aller Rechtsbeistände, darunter die Hälfte aller Strafverteidiger_innen und alle Menschenrechtsanwält_innen, von der Ausübung ihrer Tätigkeit ausgeschlossen.