Konstruierte Anklagen

Kundgebung von Amnesty International zum Tag der Menschenrechte 1978 in London.

Kundgebung 1978 in London zur Freilassung von gewaltlosen politischen Gefangenen.

Der Oppositionspolitiker Faris Maumoon ist wegen des Vorgaukelns einer Identität zu vier Monaten und 24 Tagen Gefängnis verurteilt worden und steht wegen weiterer fünf politisch motivierter Anklagen vor Gericht. Aufgrund eines unfairen Verfahrens befindet er sich seit fast einem Jahr in Haft. Amnesty International betrachtet ihn als gewaltlosen politischen Gefangenen.

Appell an

The President of Maldives

Abdulla Yameen

The President's Office

Boduthakurufaanu Magu

Male 20113, MALEDIVEN

Sende eine Kopie an

Justizminister

Mohamed Anil

6 Floor, Velaanaage, Ameeru Ahmed Magu

20096, Male

MALEDIVEN


Fax: (00 960) 3 314 109

E-Mail: info@agoffice.gov.mv

Botschaft der Republik Malediven

I.E. Frau Jameela Ali Khalid

Pariser Platz 4 a

10117 Berlin

E-Mail: info@maldivesembassy.de

Amnesty fordert:

  • Lassen Sie Faris Maumoon bitte umgehend und bedingungslos frei und lassen Sie alle Anklagen gegen ihn fallen, da sie nur deshalb erhoben wurden, weil er seine Rechte auf freie Meinungsäußerung und friedliche Versammlung wahrgenommen hat.
  • Bitte sorgen Sie dafür, dass das Strafjustizsystem nicht dazu eingesetzt wird, um unrechtmäßig gegen Oppositionelle vorzugehen.
  • Stellen Sie bitte sicher, dass die Menschenrechte und die Rechte auf freie Meinungsäußerung und Versammlung auf den Malediven respektiert und geschützt werden, insbesondere auch in den kommenden Monaten bis zu den Präsidentschaftswahlen.

Sachlage

Der Oppositionspolitiker Faris Maumoon ist am 27. Juni 2018 in einem Verfahren, das Fragen zur Fairness seines Verlaufs aufwarf, wegen des Vorgaukelns einer anderen Identität zu vier Monaten und 24 Tagen Gefängnis verurteilt worden. Er wird beschuldigt, nach seinem Ausschluss aus der Partei in einer Pressekonferenz am 22. März 2017 rechtswidrig die Fahne und das Logo der Fortschrittspartei der Malediven eingesetzt zu haben.

Der Schuldspruch steht einem Urteil des Obersten Gerichtshofs vom 1. Februar 2018 diametral entgegen, das die Freilassung von Faris Maumoon und acht weiteren Mitgliedern der Opposition sowie die Neuverhandlung ihrer Fälle angeordnet hatte. Der Oberste Gerichtshof entschied, dass sie "unter Verstoß gegen die Verfassung und die internationalen Verpflichtungen der Malediven, erwachsend aus mehreren internationalen Menschenrechtsverträgen, verurteilt worden waren" und vertrat die Ansicht, dass die Ermittlungen politisch motiviert seien.

Die Regierung weigerte sich, das Urteil umzusetzen und hat danach den Vorsitzenden und eine weitere Richterin des Obersten Gerichtshofs festgenommen und zu 19 Monaten Haft verurteilt.

Im Fall Faris Maumoon brachte die Staatsanwaltschaft anonyme Zeug_innen in das Verfahren ein – die nicht ins Kreuzverhör genommen werden konnten – und enthielt den Verteidiger_innen unter Verstoß gegen das neue Strafverfahrensgesetz die Fallakte vor. Faris Maumoon legte eine Liste von 47 Zeug_innen vor, doch nur zehn von ihnen wurden vorgeladen. Die übrigen wurden nicht angehört.

Die internationale Gemeinschaft hat der Unterdrückung der politischen Opposition auf den Malediven bisher nur wenig Beachtung geschenkt. Da die Tourismusströme trotz allem unaufhörlich fließen, lässt sich die Regierung nicht beirren und geht weiter gegen Andersdenkende vor, z. B. indem sie Oppositionsangehörige in Verfahren vor Gericht stellt, die nicht den internationalen Standards entsprechen und von denen man vermutet, dass sie politisch motiviert sind.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Faris Maumoon wurde zum ersten Mal am 18. Juli 2017 festgenommen, nur wenige Tage vor dem Misstrauensvotum gegen die maledivische Parlamentssprecherin, und beschuldigt, rechtswidrig Einfluss auf den Gesetzgeber genommen zu haben, um das Misstrauensvotum voranzubringen. Seither ist er, abgesehen von vier Tagen in Freiheit, inhaftiert.

Gegen Faris Maumoon wird zudem wegen fünf weiterer politisch motivierter Vorwürfe ermittelt: drei Bestechungen, eine Korruption und ein versuchter Terrorakt. In einem Bestechungsfall und dem versuchten Terrorakt sind bereits Strafverfahren eingeleitet worden. Nach den neuesten Informationen, die Faris Maumoons Rechtsbeistand erhielt, halten die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft in den beiden weiteren Bestechungsfällen an. Bei zwei Korruptionsvorwürfen ist die Verjährungsfrist abgelaufen, weshalb das Gericht bei einem der Fälle die Aufnahme eines Verfahrens verweigert hat. Über den Stand des zweiten Korruptionsvorwurfs ist Faris Maumoon jedoch nicht in Kenntnis gesetzt worden.

Am 18. Juni 2018 forderte Faris Maumoon den vorsitzenden Richter des Strafgerichts auf, gar nicht erst so zu tun, als wäre dies ein faires Gerichtsverfahren und ihn gleich ohne Anhörung zu verurteilen. Nach Monaten des Verschleppens ist kürzlich Fahrt in die Verfahren gegen Faris Maumoon gekommen und die Anhörungen fanden Schlag auf Schlag statt, um ihn noch vor den Präsidentschaftswahlen im September 2018 zu verurteilen und so zu verhindern, dass er kandidieren kann.

Die Terrorvorwürfe gegen Faris Maumoon wurden am 6. Mai 2018 aufgenommen, nachdem eilige Vorverfahren durchgeführt worden waren, auf die sich die Verteidigung nur drei Tage lang vorbereiten konnte. Faris Maumoon geht davon aus, dass vor seiner ersten Anhörung bereits mehrere Anhörungen ohne seine Kenntnis und in seiner  Abwesenheit stattgefunden haben. Zudem war nur Faris Maumoon bei der Anhörung anwesend, obwohl weitere fünf Personen angeklagt sind. Das Gericht gab an, es gäbe keinen passenden Gerichtssaal für alle sechs Angeklagten und es habe die Voranhörungen nur deshalb einzeln durchgeführt. Dadurch erhielt der Staat die Möglichkeit seine Argumentation bei jeder Anhörung mit einem einzigen Angeklagten zu ändern.

Darüber hinaus legte das Strafgericht unterschiedliche Verfahrensmaßstäbe an: Die fünf Angeklagten wurden informiert, dass sie Namen von Zeug_innen der Verteidigung auch noch nach der Beweismittelerhebung vor dem Strafverfahren einbringen können. Faris Maumoon hingegen wurde gesagt, dass das Gericht keine Zeug_innen oder Sachbeweise, die von eidesstattlichen Erklärungen gestützt werden, akzeptiert, die nicht während der Beweismittelerhebung eingebracht werden, obwohl das nicht der gängigen Praxis auf den Malediven entspricht. In einem der Bestechungsfälle entlastete die Hauptzeugin der Staatsanwaltschaft Faris Maumoon und seither wurde keine Anhörung mehr durchgeführt. Die letzte Anhörung fand am 13. März 2018 statt und Faris Maumoons Rechtsbeistände sagten, dass die Anhörungen absichtlich hinausgezögert werden, um ihn weiter in Haft zu halten.

Als Faris Maumoon auf Dhoonidhoo Island inhaftiert war, wurde er im Januar 2018 für zwei Tage freigelassen. Obwohl er frei war, durfte er trotz häufiger Anfragen bis zu seiner erneuten Festnahme die Insel nicht verlassen. Am 1. Februar 2018 ordnete der Oberste Gerichtshof der Malediven mit einem bahnbrechenden Urteil seine Freilassung gemeinsam mit acht weiteren politischen Gefangenen an. Daraufhin wurde er kurzzeitig freigelassen und ein paar Tage später wieder inhaftiert.

Die meisten politischen Gefangenen auf den Malediven beanstanden, dass ihre Verfahren nicht fair waren, hier versagt das maledivische Strafjustizsystem. Kürzlich wurden der Vorsitzende Richter des Obersten Gerichtshofs der Malediven, Abdulla Saeed, und der Oberste Richter Ali Hameed wegen Behinderung der Justiz zu 19 Monaten Gefängnis verurteilt. Amnesty International ist der Ansicht, dass dies eine politisch motivierte Verurteilung war und das Gerichtsverfahren nicht den internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren genügt hat.

Die Menschenrechtslage auf den Malediven hat sich seit der Regierungsübernahme durch Abdulla Yameen im Jahr 2013 verschlechtert. Neue Gesetze schränken die Rechte auf freie Meinungsäußerung und Vereinigung sowie weitere Rechte ein. Das Verschwindenlassen und Ermorden von offen regierungskritischen Personen hat bislang keine zielführenden Ermittlungen zur Folge und nach und nach werden alle bekannten Oppositionspolitiker_innen unter unterschiedlichen Vorwürfen inhaftiert, so dass sich Präsident Abdulla Yameen bei den Präsidentschaftswahlen 2018 ohne Gegenkandidat_innen zur Wahl stellen kann.