Madagaskar: Whistleblower droht Haft

Portraitfoto eines Mannes, der eine Brille trägt und kurze schwarze Haare hat. Im Hintergrund sind tropische Bäume und Blätter.

Ravo Ramasomanana, ehemaliger Mitarbeiter des madagassischen Gesundheitsministeriums und Whistleblower 

Ravo Ramasomanana droht eine Haftstrafe von bis zu fünf Jahren, weil der ehemalige Mitarbeiter des Gesundheitsministeriums im April 2021 ein Video in den Sozialen Medien veröffentlicht hatte, in dem das Gesundheitsministerium mit Korruptionsvorwürfen in Verbindung gebracht wird. Ihm wird "Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit" sowie "Anstiftung zu politischen Unruhen und Hass" vorgeworfen, weil er Informationen von öffentlichem Interesse weitergegeben hat. Solche Offenlegungen sind durch die Rechte auf Information und freie Meinungsäußerung geschützt. Die Behörden müssen unverzüglich alle Anklagen gegen Ravo Ramasomanana fallen lassen und sicherstellen, dass er sein Recht auf freie Meinungsäußerung ohne Repressalien ausüben kann.

Appell an

Minister of Justice

Herilaza Imbiki

43 Rue Joel Rakotomolala

Faravohitra - Antananarivo

MADAGASKAR

Sende eine Kopie an

Botschaft der Republik Madagaskar

Frau Florence Isabelle Rafaramalala,

Geschäftsträgerin a.i.

Seepromenade 92

14612 Falkensee

Fax: 033-22 231 29

E-Mail: info@botschaft-madagaskar.de

Amnesty fordert:

  • Ich fordere Sie höflich auf, Ravo Ramasomananas Recht auf freie Meinungsäußerung und das Recht auf Information der madagassischen Bevölkerung zu respektieren, indem Sie dafür sorgen, dass die Staatsanwaltschaft unverzüglich alle Anklagen gegen ihn fallen lässt.
  • Ich fordere Sie außerdem auf, Whistleblower zu schützen und sicherzustellen, dass sie wegen der Veröffentlichung wichtiger Informationen keinen Repressalien ausgesetzt sind.
  • Bitte untersuchen Sie Ravo Ramasomananas Vorwürfe über Fehlverhalten innerhalb des Gesundheitsministeriums unverzüglich gründlich, wirksam und transparent. Die Behörden müssen die Ergebnisse der Ermittlungen veröffentlichen und dafür sorgen, dass die mutmaßlich an Korruptionsfällen beteiligten Personen vor Gericht gestellt werden und ein faires Gerichtsverfahren erhalten.

Sachlage

Der Whistleblower Ravo Ramasomanana ist ein ehemaliger Mitarbeiter des Gesundheitsministeriums. Ihm droht eine Haftstrafe, nur weil er sein Recht auf freie Meinungsäußerung wahrgenommen hat, indem er mutmaßliche finanzielle Unregelmäßigkeiten, die er während seiner Zeit im Gesundheitsministerium beobachtet hat, an die Öffentlichkeit brachte.

Am 15. April 2021 veröffentlichte Ravo Ramasomanana ein Video in den Sozialen Medien, das weite Verbreitung fand und Informationen über mutmaßlich manipulierte Ausschreibungen, fiktive Arbeitsaufträge, nicht gesetzlich genehmigte Verträge, Fälschungen, die Verwendung von Fälschungen bei der Vergabe von Aufträgen und die Veruntreuung von 44 Mrd. Madagaskar-Ariary (ca. 10 Mio. Euro) im Gesundheitsministerium enthüllte. Er wurde wegen "Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit" sowie "Anstiftung zu politischen Unruhen und Hass" gemäß Paragrafen 89, 90 und 91 des Gesetzes 84-001 vom 12. Juni 1984 angeklagt. Diese Paragrafen wurden missbräuchlich verwendet und sollten nicht als repressives Mittel eingesetzt werden, um kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen. Das Strafgericht von Antananarivo hatte den Prozess ursprünglich für den 27. September angesetzt. Die Staatsanwaltschaft reichte jedoch bis dahin keine Anklage ein, weshalb das Gericht die Verhandlung auf den 15. November vertagte.

Anstatt die Korruptionsanschuldigungen unverzüglich gründlich, wirksam und transparent zu untersuchen und Ravo Ramasomanana zu schützen, leiteten die Behörden eine strafrechtliche Verfolgung gegen ihn ein. Im Falle eines Schuldspruchs droht ihm eine Haftstrafe von bis zu fünf Jahren, nur weil er seine Menschenrechte wahrgenommen und auf Missstände aufmerksam gemacht hat.

Hintergrundinformation

Hintergrund

In dem Video, das Ravo Ramasomanana am 15. April 2021 in die Sozialen Medien hochlud, kritisierte er auch den Umgang des Gesundheitsministeriums mit dem Coronavirus, die mangelnde Schutzausrüstung und die unzureichende medizinische Versorgung. Das Video wurde auf Facebook, im Fernsehen und über Messaging-Apps in Madagaskar verbreitet.

Am 3. Mai 2021 erhielt Ravo Ramasomanana die Vorladung, um am 5. Mai im Zusammenhang mit dem Video vor Gericht zu erscheinen. Er konnte den Termin jedoch nicht wahrnehmen, da er nach seiner Corona-Infektion immer noch in Quarantäne war. Am 12. Mai 2021 erstattete er bei der Anti-Korruptionsstaatsanwaltschaft in Antananarivo Anzeige gegen das Gesundheitsministerium, in der er "Fälschung und Verwendung von Fälschungen, Amtsmissbrauch, aktive und passive Korruption, Untreue, Veruntreuung öffentlicher Gelder und Mittäterschaft" geltend machte. Bis heute gibt es keine weiteren Informationen zu dieser Anzeige.

Am 15. Juni 2021 kam Ravo Ramasomanana der Vorladung nach und erschien vor Gericht, wo er über ein weiteres Dokument informiert wurde, das soeben eingetroffen war. Es handelte sich um eine Beschwerde der Gendarmerie Nationale, in der behauptet wurde, dass der Leiter der Abteilung für Cyberkriminalität beleidigende Nachrichten erhalten hatte, nachdem Ravo Ramasomanana die Vorladung auf Facebook veröffentlicht hatte.

Ravo Ramasomanana ist nicht der erste Whistleblower in Madagaskar, der für seine Offenlegungen strafrechtlich verfolgt wird. Im Juni 2020 wurde beispielsweise Dr. Berija festgenommen, nachdem er auf Facebook ein Video veröffentlicht hatte, in dem er Präsident Andry Rajoelina kritisierte. Im September 2021 wurde er deswegen zu 44 Monaten Haft verurteilt. Mehrere seiner Familienangehörigen, darunter sein Vater, seine Mutter, seine Schwester, seine Frau und sein erst wenige Monate altes Kind, wurden wegen Mittäterschaft angeklagt und tagelang inhaftiert. Den Familienangehörigen von Ravo Ramasomanana droht das gleiche Schicksal, wenn er verurteilt wird.