Kolumbien: Umweltschützer_innen in Gefahr

Zentral im Bild: Zwei gelbe Balken übereinander mit der Aufschrift "Umweltschutz ist kein Verbrechen". Im Hintergrund ist eine Nahaufnahme einer dunkelgrünen Pflanze.

Umweltschützer_innen der Region Magdalena Medio im Südosten Kolumbiens erhielten in den vergangenen Wochen mehrfach Drohungen. Am 7. Februar wurden einige dieser Menschenrechtsverteidiger_innen in einem Flugblatt ins Visier genommen. Verfasst wurde es von einer bewaffneten Gruppe, die sich als Autodefensas Unidas de Colombia bezeichnet. In dem Flugblatt werden die Umweltschützer_innen aufgefordert, die Region zu verlassen oder die Konsequenzen zu tragen. Am 8. Februar erhielt die Umweltschützerin Yuvelis Morales eine Morddrohung. Am Tag darauf brachen Unbekannte bei ihr ein.

Appell an

Innenminister von Kolumbien

Mr. Daniel Palacios Martínez

Minister of the Interior

Carrera 8 No. 7 – 83. Bogotá, D.C.

Código Postal: 111711


KOLUMBIEN

Sende eine Kopie an

Botschaft der Republik Kolumbien

Frau Yadir Salazar Mejia

Geschäftsträgerin a.i

Taubenstr. 23

10117 Berlin


Fax: 030-2639 6125

E-Mail: ealemania@cancilleria.gov.co

 

Amnesty fordert:

  • Wir fordern Sie höflich dazu auf, einen Dialog mit den zuständigen staatlichen Einrichtungen und zivilgesellschaftlichen Organisationen einzuberufen, um den Schutz der Menschenrechtsverteidiger_innen in der Gegend zu thematisieren und um einen Plan zu ihrem Schutz umzusetzen.

Sachlage

Die Menschenrechtsverteidiger_innen in der Region Magdalena Medio sind in großer Gefahr. Der bewaffnete Konflikt in Kolumbien beeinträchtigt weiterhin die Existenzgrundlage der dort lebenden Menschen, denn die Region ist reich an Rohstoffen. Die Gemeinden in Magdalena Medio müssen schon lange die Konsequenzen der Ausbeutung von Kohlenwasserstoffvorkommen in der Region tragen. Allein wegen ihrer Arbeit sind Umweltschützer_innen in Magdalena Medio bedroht, schikaniert, und umgebracht worden.

In den vergangenen Wochen sind Mitglieder der Menschenrechtsorganisation Corporación Regional para la Defensa de los Derechos Humanos (CREDHOS) sowie Mitglieder von verbündeten Organisationen wie dem Comité para la defensa del Agua, la vida y el Territorio (AGUAWIL) mehrfach bedroht worden.

Am 7. Februar verbreitete eine lokale paramilitärische Gruppe ein Flugblatt, in welchem sie die Menschenrechtsverteidiger_innen von CREDHOS und AGUAWIL als militärische Angriffsziele bezeichneten und ihnen und ihren Familien 48 Stunden Zeit gaben, um das Gebiet zu verlassen oder die Konsequenzen zu tragen. Unter den ins Visier genommenen Menschenrechtsverteidiger_innen sind Carolina Agón und Ramón Abril.

Am 9. Februar brachen unbekannte Männer bei der 21 Jahre alten Umweltschützerin Yuvelis Natalia Morales aus Magdalena Medio ein. Am Tag zuvor hatte sie Morddrohungen erhalten und war deshalb gezwungen, aus Kolumbien zu fliehen.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Die unabhängige Menschenrechtsorganisation CREDHOS im Departamento Santander wurde 1987 in der Stadt Barrancabermeja gegründet. Seit über 30 Jahren setzt sie sich für die Verteidigung, Förderung und den Schutz der Menschenrechte in acht Bezirken der Region Magdalena Medio im Norden Kolumbiens ein. In den letzten Jahren hat die Auseinandersetzung mit umweltspezifischen Konflikten in der Region für die Organisation stark an Bedeutung gewonnen. CREDHOS verteidigt das Recht der Gemeinden auf eine gesunde Umwelt und arbeitet eng mit Umweltorganisationen wie AGUAWIL und der Alianza Libre contra el Fracking zusammen.

Im Folgenden werden die Sicherheitsvorfälle der letzten zwei Jahre aufgeführt, denen Mitglieder von CREDHOS und andere Umweltschützer_innen in Magdalena Medio ausgesetzt waren:

  •  Am 7. Februar 2022 wurden Mitglieder von CREDHOS über Soziale Netzwerke und WhatsApp davon unterrichtet, dass eine bewaffnete Gruppe, die sich selbst als Autodefensas Unidas de Colombia bezeichnet, ein Flugblatt mit bedrohlichem Inhalt in Umlauf gebracht hat. In dem Flugblatt wurden einige Menschenrechtsverteidiger_innen als militärische Angriffsziele gekennzeichnet. Darunter waren Ramón Abril, ein Vorstandsmitglied von CREDHOS, und Carolina Agon, ebenfalls ein CREDHOS-Mitglied und Präsidentin von Puerto Wilches Human Rights sowie von der Federation of Artisanal Fishermen of Puerto Wilches (FEDEPU).
  • Am 8. Februar 2022 wurde die Umweltschützerin Yuvelis Morales Opfer von Drohungen und einem Einbruch. Unbekannte sprachen sie auf der Straße an und sagten: "Hey, sieh dich vor, du weißt, was dir passieren könnte" (Spanisch: "ey cuídese mucho, ya usted sabe"). In den frühen Morgenstunden des darauffolgenden Tages brachen unbekannte Männer in ihr Haus ein und beschädigten ihren Zaun, sowie das Tor zu ihrer Terrasse. Da sie Angst um ihr Leben hat, ist Yuvelis Morales daraufhin aus Kolumbien geflohen. 
  • Am 9. April 2021 veröffentlichte Amnesty International eine Urgent Action, in der die Risikolage, in der sich die Mitglieder von CREDHOS befinden, öffentlich verurteilt wurde. Am 10. Februar 2021 benachrichtigte eine vertrauliche Quelle die Organisation, dass bewaffnete Gruppen CREDHOS zu einem militärischen Ziel erklärt haben.
  • Am 9. Januar 2021 kursierte in den Sozialen Medien und Instant-Messaging-Anwendungen ein Flugblatt, das von Personen unterzeichnet wurde, die sich als "Der Magdalena-Medio-Block der FARC- EP" bezeichneten. In dem Flugblatt wird die Änderung eines Wochen zuvor von CREDHOS veröffentlichten Berichts verlangt, der eine Analyse der Dynamik von bewaffneten Gruppen und illegalen wirtschaftlichen Aktivitäten in zwei Unterregionen Kolumbiens enthält: Dem Süden des Departamento Bolivar und dem Nordosten des Departamento Antioquia.
  •  Am 24. Oktober 2020 brachen Unbekannte in die Wohnung von des CREDHOS-Vorstandsmitglieds Dr. Ivonne Suarez Pinzón ein. Sie ist auch Direktorin des Archivs der mündlichen Erinnerung der Opfer des internen bewaffneten Konflikts (Archivo Oral de Memoria de las Víctimas - UIS – AMOVIUIS), in dem die Dokumente der von der Organisation vor der "Sondergerichtsbarkeit für den Frieden" JEP (Jurisdicción Especial de Paz) vorgetragenen Fälle aufbewahrt werden.
  • Am 1. September 2020 zeigte der Vorstandssekretär von CREDHOS, Abelardo Sanchez, bei der Generalstaatsanwaltschaft an, dass sein Haus in der Nacht zuvor von unbekannten Männern beobachtet wurde.

Laut dem Institut für Entwicklungs- und Friedensforschung (Instituto de Estudios para el Desarrollo y la Paz) wurden allein im Januar 2022 dreizehn Menschenrechtsverteidiger_innen in Kolumbien getötet. In allen Fällen besteht eine Verbindung zwischen dem Tod der Menschenrechtsverteidiger_innen und ihrem Engagement für Umweltschutz und Landrechte. Das Institut hat dreizehn Massaker dokumentiert, bei denen 40 Menschen ums Leben kamen, die in den ländlichen Gegenden Kolumbiens lebten. Amnesty International berichtet schon länger über die gescheiterten Präventions- und Schutzrichtlinien, die zu dem ohnehin schon nicht sicheren Umfeld für Menschenrechtsverteidiger_innen im Land beitragen.