Iran: Hinrichtung verhindern!

Porträtaufnahme von Abbas Deris, vermutlich ein Selfie. Aufgenommen bei Tag an einem Straßenrand. Im Hintergrund steht ein Busch und ein Auto fährt vorbei.

Abbas Deris droht im Iran die Hinrichtung, weil er 2019 an Protesten gegen die Regierung teilgenommen hatte.

Abbas Deris droht unmittelbar die Hinrichtung, nachdem der Oberste Gerichtshof seinen Antrag auf eine gerichtliche Prüfung im Januar 2024 abgelehnt hat. Er war nach einem grob unfairen Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit den landesweiten Protesten im November 2019 zum Tode verurteilt und in der Haft gefoltert worden. Vor dem Hintergrund der stetig zunehmenden Zahl an Hinrichtungen in Iran haben seine Rechtsbeistände in einem verzweifelten Versuch, seine Hinrichtung zu stoppen, einen Sonderantrag gestellt. 

Appell an

Gholamhossein Mohseni Ejei
Head of judiciary
c/o Embassy of Iran to the European Union
Avenue Franklin Roosevelt No. 15
B - 1050 Bruxelles
BELGIEN

Sende eine Kopie an

Botschaft der Islamischen Republik Iran
S. E. Herrn Mahmoud Farazandeh
Podbielskiallee 67
14195 Berlin
Fax: 030–83 222 91 33
E-Mail: info@iranbotschaft.de


 

Amnesty fordert:

  • Ich fordere Sie dringend auf, die Verurteilung und das Todesurteil gegen Abbas Deris unverzüglich aufzuheben. Für den Fall, dass er wegen einer international anerkannten Straftat angeklagt wird, muss sein Verfahren den internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren entsprechen. Dabei darf nicht auf die Todesstrafe oder erzwungene "Geständnisse" zurückgegriffen werden. 
  • Ich fordere Sie mit Nachdruck auf, Abbas Deris umgehend Zugang zu seiner Familie, einem unabhängig gewählten Rechtsbeistand und angemessener medizinischer Versorgung zu gewähren. Sorgen Sie bitte dafür, dass er vor weiterer Folter und anderen Misshandlungen geschützt wird und dass seine Foltervorwürfe untersucht werden. Die mutmaßlich Verantwortlichen müssen in fairen Verfahren vor Gericht gestellt werden. 
  • Zudem bitte ich Sie dringend, unabhängigen Beobachter*innen Zugang zu Verfahren zu gestatten, die mit den Protesten in Verbindung stehen und bei denen die Todesstrafe verhängt werden kann. Bitte verfügen Sie ein offizielles Hinrichtungsmoratorium als ersten Schritt hin zur vollständigen Abschaffung der Todesstrafe.

Sachlage

Abbas Deris droht wegen der Teilnahme an einer Demonstration jederzeit die Hinrichtung, nachdem der Oberste Gerichtshof seinen Antrag auf eine gerichtliche Prüfung im Januar 2024 trotz offenkundiger Verstöße gegen seine Rechte auf ein faires Gerichtsverfahren abgelehnt hat. Abbas Deris ist derzeit im Gefängnis von Mahschahr in der Provinz Chuzestan inhaftiert. Seine Rechtsbeistände haben auf der Grundlage von Paragraf 477 der iranischen Strafprozessordnung einen Sonderantrag gestellt. Danach kann die Oberste Justizautorität ein rechtskräftiges Urteil, das sie als Verstoß gegen Scharia-Recht ansieht, zur endgültigen Entscheidung an eine spezielle Abteilung des Obersten Gerichtshofs weiterleiten. Der Antrag ist noch anhängig. Das Todesurteil gegen Abbas Deris war am 19. Oktober 2022 von einem Revolutionsgericht wegen "Feindschaft zu Gott" (moharebeh) im Zusammenhang mit einer Demonstration am 18. November 2019 in Mahschahr verhängt worden. Die Demonstration war damals gewaltsam von Sicherheitskräften aufgelöst worden, die Dutzende von Demonstrierenden töteten. Auch ein Kommandant der Sondereinsatzkräfte der Polizei (NOPO) kam ums Leben. Die Behörden beschuldigten Abbas Deris, an dem Tod des Kommandanten beteiligt gewesen zu sein, was er jedoch wiederholt bestritten hat. Im November 2023 verurteilte ein Strafgericht ihn wegen derselben mutmaßlichen Straftaten separat zu 14 Jahren Gefängnis. Ein Rechtsmittel in diesem Fall ist ebenfalls noch vor dem Obersten Gerichtshof anhängig.

Beide Verfahren, sowohl das vor Abteilung Eins des Revolutionsgerichts in Mahschahr als auch das vor dem Strafgericht Eins in der Provinz Chuzestan, waren in grober Weise unfair. Gut informierten Quellen zufolge verweigerten die Revolutionsgarden Abbas Deris nach seiner Festnahme am 8. Dezember 2019 während der Ermittlungen monatelang den Zugang zu einem Rechtsbeistand. Das galt auch für Verhöre, in denen er unter Folter und anderen Misshandlungen gezwungen wurde, sich selbst zu belasten. Nach Amnesty International vorliegenden Informationen wurde er geschlagen und verbrachte zwei Monate in Einzelhaft. Außerdem drohte man damit, seinen Bruder und seinen Neffen hinzurichten und seiner Frau sexualisierte Gewalt anzutun. Seine erzwungenen "Geständnisse" wurden nur wenige Wochen nach seiner Festnahme und noch vor Beginn seines Verfahrens im staatlichen Fernsehen ausgestrahlt. Damit wurden das Recht von Abbas Deris auf Unschuldsvermutung, das Recht, sich nicht selbst zu belasten und das Recht zu schweigen verletzt. Seine Rechtsbeistände haben sein Todesurteil öffentlich verurteilt und seine Unschuld betont. Dabei verwiesen sie auf schwerwiegende Mängel bei den Ermittlungen in seinem Fall und darauf, dass sich beide Gerichtsurteile auf Berichte von Angehörigen der Revolutionsgarden und auf Abbas Deris' erzwungene "Geständnisse" stützten, die diese Revolutionsgarden während seiner Einzelhaft erzwungen hatten. Außerdem erklärten seine Rechtsbeistände öffentlich, dass die Behörden es versäumt hätten, Beweise gegen Abbas Deris vorzulegen, und dass der Oberste Gerichtshof bei der Bestätigung des Todesurteils alle von der Verteidigung vorgelegten Beweise ignoriert habe.

Hintergrundinformation

Hintergrund

(Auf Englisch) 
In late December 2019, just weeks after his arrest, Abbas Deris’ forced "confessions," in which he said that he fired a rifle towards security forces during protests in Mahshahr, were broadcast in a propaganda video on state television channel, the Islamic Republic of Iran Broadcasting (IRIB). In his Revolutionary Court case, his first trial session was due to take place via video conference on 26 February 2022 due to Covid-19 but was cancelled because of connection failures. The next scheduled session, also due to take place via video conference, was cancelled after his lawyers objected to the trial being conducted remotely and Abbas Deris requested to appear in court. Two and a half years after his arrest, his trial eventually began under the jurisdiction of Branch One of the Revolutionary Court in Mahshahr and consisted of two sessions held in Mahshahr prison in May and September 2022. On 19 October 2022, the Revolutionary Court issued its verdict, sentencing him to death for "enmity against God" (moharebeh). Der Oberste Gerichtshof bestätigte den Schuldspruch und das Strafmaß im Juli 2023. His lawyers submitted a request for a judicial review, which was rejected by Branch One of the Supreme Court in January 2024. His lawyers subsequently made an application for a special appeal through Article 477 of the Code of Criminal Procedure which may be invoked when other legal avenues have been exhausted.

In Abbas Deris’ second case, stemming from the same allegations of involvement in the death of the commander during the November 2019 protests, he was tried before Criminal Court One in Khuzestan province on charges of alleged murder and possession of a weapon. On 19 November 2023, the court convicted him of both charges and sentenced him to 14 years’ imprisonment. According to public statements made by his lawyers, the family of the deceased commander have declared that they have not lodged a complaint with the authorities against Abbas Deris. In a video published online on 16 November 2023, the commander’s family also announced that they were not seeking qesas (retribution-in-kind) or the payment of blood money (diyah) from Abbas Deris. For this reason, the criminal court did not sentence Abbas Deris to death for the charge of murder because the principle of retribution in kind was not enforceable after the family declared that their position was unconditional and unequivocal. An appeal against this verdict remains pending before the Supreme Court. 

Abbas Deris’ brother, Mohsen Deris, was also arrested on 8 December 2019 and accused of being an accomplice in the death of the commander in Mahshahr on 18 November 2019. Iranian state media also broadcast his forced "confessions" in the same propaganda video as Abbas Deris. The authorities put him on trial alongside his brother but, in his case, the Revolutionary Court acquitted him of the charge of "enmity against God" (moharebeh), while Criminal Court One sentenced him to two years’ imprisonment. He was released from prison in October 2023. Prior to his release, his lawyers, who also represent Abbas Deris, had publicly stated that the authorities were keeping him in prison unlawfully even though he had already served his two-year prison sentence. 

In November 2022, the authorities abruptly transferred Abbas Deris and Mohsen Deris from Mahshahr prison to Sepidar prison, Khuzestan province, without notifying their families or allowing them to take their belongings, sparking fears of the imminent execution of Abbas Deris. In November 2023, Abbas Deris was transferred from Sepidar prison back to Mahshahr prison. Abbas Deris’ wife died of a stroke after he was sentenced to death. In a moving video shared online in July 2023, Abbas Deris’ three young children, who were left without a parent after their mother’s death, urged for international support to save their father’s life.

Since 2018, the Iranian authorities have increasingly used the death penalty as a tool of political repression by sentencing to death and executing multiple protesters to instil fear among the general public and terrorise them into ending peaceful protests or other forms of dissent. Amnesty International has recorded the executions of 14 protesters since 2018, including two in relation to the November 2019 nationwide protests and nine in relation to the "Woman Life Freedom" uprising, amid a spike in the number of executions of protesters and dissidents in recent months. Amnesty International has also documented the Iranian authorities’ pattern of extracting forced "confessions" under torture and other ill-treatment, including in the case of protesters sentenced to death and executed, and judges’ reliance on such "confessions" to issue convictions and death sentences.

Amnesty International opposes the death penalty in all cases without exception. The death penalty is a violation of the right to life as proclaimed in the Universal Declaration of Human Rights and the ultimate cruel, inhuman and degrading punishment. Amnesty International has consistently called on states retaining the death penalty, including Iran, to establish an official moratorium on executions, with a view to completely abolishing the death penalty.