Irak: Journalisten und Aktivisten freilassen!

Diese Urgent Action ist beendet.

Am 17. Februar ließen die Behörden der irakischen Region Kurdistan Guhdar Zebari nach mehr als drei Jahren willkürlicher Inhaftierung frei. Der kritische Journalist war im Oktober 2020 zusammen mit vier weiteren Journalisten und Aktivisten festgenommen und in einem grob unfairen Verfahren zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt worden. Der Prozess war von schweren Menschenrechtsverletzungen geprägt. Guhdar Zebari sollte bereits im August 2023 freigelassen werden, nachdem seine Strafe umgewandelt worden war. Doch mit Hilfe neuer falscher Anschuldigungen wurde er zu weiteren sechs Monaten Haft verurteilt.

Protestschild mit der Aufschrift "Journalismus ist kein Verbrechen" steht auf dem Boden

Am 16. Februar wurden Sherwan Sherwani, Guhdar Zebari, Hariwan Issa, Ayaz Karam und Shvan Saeed nach einem unfairen Verfahren vor dem Zweiten Strafgericht in Erbil in der irakischen Region Kurdistan zu sechs Jahren Haft verurteilt. Die Anklage gegen die Männer ist konstruiert und lautet auf "Destabilisierung der Sicherheit und Stabilität der irakischen Region Kurdistan". Die fünf Journalisten und Aktivisten haben Rechtsmittel eingelegt und befinden sich bis zu der für den 16. März erwarteten Urteilsverkündung im Berufungsverfahren im Hungerstreik. Sie müssen umgehend und bedingungslos freigelassen werden.

Appell an

Vertreter der Regionalregierung Kurdistan-Irak

Dr. Dindar Zebari

KRG Coordinator

Office for International Advocacy Erbil

IRAK




Twitter: @DrDindarZebari

Sende eine Kopie an

Vertretung der Regionalregierung Kurdistan-Irak in Österreich

Canovagasse 7 / Top 6

1010 Wien

ÖSTERREICH

Fax: (00 43) 1 505 02 07-40

E-Mail: representation@at.gov.krd

Amnesty fordert:

  • Lassen Sie Sherwan Sherwani, Guhdar Zebari, Hariwan Issa, Ayaz Karam und Shvan Saeed bitte umgehend und bedingungslos frei und sorgen Sie dafür, dass ihre ungerechtfertigte Verurteilung aufgehoben wird.
  • Stellen Sie sicher, dass unverzüglich eine zielführende Untersuchung der Folter- und Misshandlungsvorwürfe vorgenommen wird, um die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen und den Betroffenen einen Rechtsbehelf zu ermöglichen.
  • Sorgen Sie zudem dafür, dass die fünf Männer bis zu ihrer Freilassung Zugang zu qualifiziertem Gesundheitspersonal erhalten, welches sie entsprechend der medizinischen Ethik versorgt und die Grundsätze der Vertraulichkeit, der Patientenautonomie und der Einwilligung nach Aufklärung einhält. Außerdem müssen sie uneingeschränkten Zugang zu ihren Rechtsbeiständen und Familienangehörigen erhalten.

Sachlage

Am 16. Februar verurteilte das Zweite Strafgericht von Erbil die Aktivisten und Journalisten Sherwan Sherwani, Guhdar Zebari, Ayaz Karan, Hariwan Issa und Shvan Saeed zu sechs Jahren Haft. Der Prozess entsprach bei Weitem nicht den internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren. Es werden schwere Folter- und Misshandlungsvorwürfe erhoben und die Anklage ist allem Anschein nach konstruiert. Den Männern wird "Destabilisierung der Sicherheit und Stabilität der irakischen Region Kurdistan" unter Paragraf 1 des Gesetzes Nr. 21 von 2003 vorgeworfen. Sie haben Rechtsmittel eingelegt und die Verkündigung des Urteils des Berufungsverfahrens wird spätestens für den 16. März erwartet.

Seit ihrer Verurteilung befinden sich die Journalisten im Hungerstreik, um gegen ihre Haftbedingungen zu protestieren. Amnesty International vorliegenden Informationen zufolge werden Sherwan Sherwani, Guhdar Zebari, Hariwan Issa, Ayaz Karan und Shvan Saeed zusammen mit mehr als 100 Gefangenen in überbelegten Zellen festgehalten, in denen es nicht genug Platz zum Stehen, Herumlaufen und Schlafen gibt. Unter diesen Bedingungen besteht ein besonders hohes Risiko der Ausbreitung von Covid-19 unter den Insassen.

Sherwan Sherwani wurde am 7. Oktober 2020 von Angehörigen der kurdischen Sicherheitskräfte – auch als Asayish bekannt – in Erbil, der Hauptstadt der irakischen Region Kurdistan, festgenommen. Guhdar Zebari, Hariwan Issa, Ayaz Karam und Shvan Saeed wurden am 22. Oktober in der Stadt Dohuk festgenommen. Die Festnahmen der fünf Männer hängen mit deren Beteiligung an regierungskritischen Demonstration wegen Korruption und nicht gezahlter Löhne zusammen. Alle Fünf fielen daraufhin für verschiedene Zeiträume dem Verschwindenlassen zum Opfer, manche von ihnen über drei Monate lang. Sie hatten nur sehr eingeschränkten Zugang zu ihren Rechtsbeiständen und Familien. Die Männer berichteten ihren Rechtsbeiständen bzw. Familienmitgliedern, dass sie gefoltert und in anderer Weise misshandelt worden seien. Vor Gericht sagten alle fünf aus, dass man sie zur Unterzeichnung von "Geständnissen" gezwungen habe, was vom Gericht allerdings abgewiesen wurde. Zudem wurde die Anhörung hinter verschlossenen Türen durchgeführt: der Eingang wurde von Sicherheitskräften versperrt, was bedeutete, dass selbst die engsten Familienangehörigen der Angeklagten nicht teilnehmen konnten.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Sherwan Sherwani, Guhdar Zebari, Hariwan Issa, Ayaz Karan und Shvan Saeed wurden im Oktober 2020 von den kurdischen Sicherheitskräften festgenommen und beschuldigt, "Spione zu sein" und "die nationale Sicherheit zu destabilisieren". In den Fallakten zu Sherwan Sherwani, die dem Rechtsbeistand der Männer vorgelegt wurden, wurde der Spionagevorwurf gegen den Journalisten mit dessen Aktivismus begründet sowie mit der Tatsache, dass er Journalismus-Trainings im Ausland besucht hatte, nachdem er von der US-amerikanischen Jurist_innenvereinigung American Bar Association eine Summe von 5.000 US-Dollar erhalten hatte. In die Fallakten der anderen vier Männer erhielt der Rechtsbeistand keine Einsicht.

Der Ministerpräsident der kurdischen Regionalregierung Masrour Barzani gab an, die fünf Angeklagten seien Spione und Saboteure, die mit ausländischen Regierungen zusammenarbeiteten, um Terroranschläge zu planen. Der Vertreter der Regionalregierung Kurdistan-Irak Dr. Zebari bestritt, dass die Männer aufgrund ihrer journalistischen Arbeit verurteilt wurden.

Amnesty International vorliegenden Informationen zufolge durchsuchten Angehörige der Asayish das Zuhause bzw. den Arbeitsplatz der fünf Männer. Daraufhin wurden die Aktivisten und Journalisten festgenommen, in manchen Fällen auf brutale und unmenschliche Weise. Guhdar Zebari wurde gewaltsam aus dem Bett geholt und man legte ihm eine Augenbinde und Handschellen an, ohne auch nur einen Haftbefehl vorzulegen. Im Fall von Sherwan Sherwani umstellten Angehörige der Asayish und der Lokalpolizei am 7. Oktober 2020 um ca. 16.30 Uhr sein Haus in Erbil mit sechs Polizeifahrzeugen. Seine Familienangehörigen wurden in einem Zimmer festgehalten, während die Sicherheitskräfte das Haus durchsuchten und elektronische Geräte beschlagnahmten, darunter sein Laptop, seine Kamera, sein Telefon und einige Dokumente. Schließlich legten sie Sherwan Sherwani Handschellen an und zerrten ihn mit vorgehaltener Pistole aus dem Haus.

Amnesty International liegt eine Abschrift des Urteils vor, in dem es heißt, dass alle fünf Männer auf der Grundlage von Paragraf 1 des Gesetzes Nr. 21/2003 des Parlaments der irakischen Region Kurdistan sowie auf der Grundlage der Paragrafen 47, 48 und 49 des irakischen Strafgesetzbuchs zu Haftstrafen verurteilt wurden. Sie wurden zudem zu fünf Jahren polizeilicher Überwachung im Anschluss an ihre Gefängnisstrafe verurteilt. Ihre Mobiltelefone, Laptops und Kameras wurden beschlagnahmt. Nach der Verurteilung der fünf Männer stellte das Gericht einen Haftbefehl für Ayhan Saeed aus, den Bruder von Shvan Saeed. Auch der Journalist Difaa Harki und der Aktivist Qaidar Hussein werden per Haftbefehl gesucht. In allen drei Haftbefehlen werden Vorwürfe in Verbindung mit der nationalen Sicherheit unter dem Gesetz Nr. 21 erwähnt.

Amnesty International hat bereits in der Vergangenheit dokumentiert, wie in der irakischen Region Kurdistan und speziell im Gouvernement Dahuk (Englisch: Duhok) Protestierende massenhaft und vorbeugend festgenommen bzw. gewaltsam angegriffen wurden. Im Januar 2020 nahmen Angehörige der Asayish im Gouvernement Dahuk Zehntausende Protestierende, Aktivist_innen, Journalist_innen sowie Personen fest, die Protesten lediglich als Passant_innen beigewohnt hatten. In der Nähe von Baadre im Gouvernement Dahuk wurden ein Journalist und zwei Online-Aktivist_innen festgenommen, die laut ihren Familienangehörigen auf dem Weg zu einer friedlichen Versammlung in der Stadt Dohuk (Englisch: Duhok) waren.