Indonesien: Menschenrechtler_innen drohen bis zu sechs Jahre Haft

Eine junge Frau steht vor einer bemalten Wand. Sie verschränkt ihre Arme und lächelt. Auf der Wand sind zwei Hände in Handschellen gemalt, sowie einige Schriftzüge, darunter auch der Name der Organisation KontraS.

Fatia Maulidiyanti, Koordinatorin der indonesischen Menschnrechtsorganisation KontraS

Bereits im September 2021 waren gegen Haris Azhar und Fatia Maulidiyanti nach der Veröffentlichung eines YouTube-Videos strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet worden. Am 17. März 2022 wurden die beiden Menschenrechtsverteidiger_innen nun wegen Verleumdung angeklagt. In dem Video unterhalten sich die beiden über die Ergebnisse eines zuvor erschienenen Berichts, in dem die mutmaßliche Beteiligung mehrerer Militärs an Projekten der Bergbauindustrie thematisiert wird. Im Falle einer Verurteilung drohen Haris Azhar und Fatia Maulidiyanti bis zu sechs Jahre Gefängnis.

Appell an

General Listyo Sigit Prabowo

Chief of Indonesian National Police

Indonesian National Police Headquarter

Jl. Trunojoyo No.3, Jakarta Selatan

DKI Jakarta 12110

INDONESIEN

Sende eine Kopie an

Botschaft der Republik Indonesien

S. E. Herrn Arif Havas Oegroseno

Lehrter Straße 16-17

10557 Berlin

Fax: 030-4473 7142

E-Mail: info@kbri-berlin.de oder

info@indonesian-embassy.de

 

Amnesty fordert:

  • Ich fordere Sie auf, die Ermittlungen gegen Haris Azhar und Fatia Maulidiyanti unverzüglich einzustellen und die Anklage fallen zu lassen.
  • Stellen Sie bitte sicher, dass alle Menschenrechtsverteidiger_innen ihre friedlichen Aktivitäten ungehindert und ohne Schikane, Einschüchterung, willkürliche Inhaftierung oder Angst vor anderen Vergeltungsmaßnahmen ausüben können, so wie es in der UN-Erklärung über Menschenrechtsverteidiger_innen verbrieft ist.
  • Ich fordere Sie außerdem auf, das Gesetz über Elektronische Informationen und Transaktionen (ITE) dahingehend zu ändern, dass Verleumdung entkriminalisiert und als zivilrechtliche Angelegenheit behandelt wird.

Sachlage

Die anhaltenden Ermittlungen gegen Haris Azhar und Fatia Maulidiyanti geben Anlass zu großer Sorge. Die beiden Menschenrechtsverteidiger_innen waren am 22. September 2021 vom Minister für Meeres- und Investitionsangelegenheiten, Luhut Binsar Pandjaitan, wegen angeblicher Verleumdung im Rahmen des Gesetzes über Elektronische Informationen und Transaktionen (ITE) bei der Polizei angezeigt worden. Dieses Gesetz wird seit 2016 dazu benutzt, Hunderte von Menschen zu kriminalisieren, nur weil sie ihr Recht auf freie Meinungsäußerung wahrnehmen. Der Minister verlangte außerdem, dass ihm beide je 100 Milliarden Rupiah (etwa 6 Millionen Euro) als Entschädigung zahlen.

Die Vorwürfe beziehen sich auf ein Video auf Haris Azhars YouTube-Kanal, in dem er und Fatia Maulidiyanti einen Bericht über mutmaßliche Verbindungen zwischen Militäroperationen und Bergbauaktivitäten im Bezirk Intan Jaya in Papua diskutieren. Haris Azhar und Fatia Maulidiyanti werden strafrechtlich verfolgt, nur weil sie ihr Recht auf freie Meinungsäußerung wahrgenommen haben – ein Menschenrecht, das sowohl nach internationalem als auch nach nationalem Recht garantiert ist.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Haris Azhar und Fatia Maulidiyanti sind bekannte indonesische Menschenrechtsverteidiger_innen. Haris Azhar ist Dozent, Anwalt und Geschäftsführer der Lokataru Foundation, einer zivilgesellschaftlichen Menschenrechtsorganisation. Fatia Maulidiyanti ist Koordinatorin von KontraS, einer Organisation, die seit der Suharto-Ära in Indonesien dafür bekannt ist, Menschenrechtsverletzungen aufzudecken und sich für die Betroffenen einzusetzen.

Am 20. August 2021 stellte Haris Azhar ein Video eines Gespräches zwischen ihm und Fatia Maulidiyanti auf seinen YouTube-Kanal. Sie sprachen über einige Unternehmen, die an Bergbauaktivitäten in der Goldmine Wabu Block in Intan Jaya, Papua, beteiligt sein sollen. Am 29. August erklärte Haris Azhar, dass die in dem Gespräch genannten Daten aus einem Bericht mit dem Titel "Political Economy Study of Military Placement in Papua: The Case of Intan Jaya" stammten. Darin wird ein Zusammenhang zwischen den von der indonesischen Regierung an einige Unternehmen vergebenen Konzessionen und dem Einsatz des Militärs in Papua hergestellt. Der Bericht war am 12. August 2021 von neun zivilgesellschaftlichen Organisationen veröffentlicht worden, darunter KontraS.

Nach der Veröffentlichung des Videos hat der Minister für Meeres- und Investitionsfragen, Luhut Binsar Pandjaitan, Haris Azhar und Fatia Maulidiyanti am 26. August und 2. September zwei Vorladungen geschickt. Nach Angaben seines Sprechers sollten die beiden ihm das Motiv, die Absicht und den Zweck des Videodialogs erklären. Der Minister war der Ansicht, dass das Video unwahre Aussagen, Rufmord und Fake News beinhaltet.

Am 21. Oktober wurden Haris Azhar und Fatia Maulidiyanti von der Polizei in Jakarta zu einem Vermittlungsgespräch vorgeladen. Haris Azhar und Fatia Maulidiyanti waren an dem Datum anwesend, der Minister Pandjaitan fehlte jedoch. Deshalb wurde das Gespräch auf unbestimmte Zeit verschoben.

Am 17. März 2022 wurden Haris Azhar und Fatia Maulidiyanti der Verleumdung beschuldigt und gemäß Paragraf 27 des ITE-Gesetzes angeklagt. Am 21. März wurden beide von der Polizei in Jakarta zu einem Verhör vorgeladen.

Amnesty International Indonesien hat von Januar bis Dezember 2021 mindestens 367 Fälle von Strafverfolgungen, Festnahmen, Angriffen und Einschüchterungen von Menschenrechtsverteidiger_innen durch verschiedene Akteure registriert. Währenddessen wurden mehr als 100 Personen unter dem ITE-Gesetz angeklagt, die meisten von ihnen wegen Verleumdung.