Vier Männern droht die Hinrichtung

Ein Poster zeigt verschiedene Menschen, darüber der Schriftzug "India's Heroes Jailed"Poster für die Freilassung der Bhima Koregaon 11 mit deren gezeichneten Portraits

Poster für die Freilassung von Mitgliedern der indischen Menschenrechtsgruppe Bhima Koregaon 11

Vier Männern droht unmittelbar die Hinrichtung durch Erhängen. Sie wurden 2012 der Vergewaltigung und Ermordung der 23-jährigen Studentin Nirbhaya in Neu Delhi schuldig gesprochen und zum Tode verurteilt. Zwei von ihnen, Mukesh Singh und Vinay Kumar Sharma, hatten ein Gnadengesuch eingereicht – das der Präsident von Indien jetzt ablehnte.

Appell an

Präsident

Ram Nath Kovind

Rashtrapati Bhavan

New Delhi, 110004

INDIEN

Sende eine Kopie an

Botschaft der Republik Indien

I.E. Frau Mukta Dutta Tomar

Tiergartenstr. 17

10785 Berlin

Fax:
030 26 557 000

E-Mail: hoc.berlin@mea.gov.in

Amnesty fordert:

  • Überdenken Sie bitte die Ablehnung der Gnadengesuche von Mukesh Singh und Vinay Kumar Sharma.
  • Bitte geben Sie den zu erwartenden Gnadengesuchen von Pawan Gupta und Akshay Thakur statt.
  • Führen Sie bitte als ersten Schritt hin zur Abschaffung der Todesstrafe ein offizielles Hinrichtungsmoratorium ein.

Sachlage

Mukesh Singh, Pawan Gupta, Vinay Kumar Sharma und Akshay Thakur droht unmittelbar der Tod durch Erhängen, nachdem sie der Gruppenvergewaltigung und Ermordung der 23 Jahre alten Nirbhaya in Neu Delhi im Jahr 2012 schuldig gesprochen wurden. Das von ihnen verübte Verbrechen war extrem gewalttätig und schockierte Menschen überall auf der Welt. Amnesty International möchte der Familie von Nirbhaya in keiner Weise zusätzliches Leid zufügen, appelliert aber dennoch an den Staatspräsidenten von Indien, den Kreislauf der Gewalt zu durchbrechen und die Vollstreckung der Todesurteile zu verhindern. Amnesty International lehnt die Todesstrafe ausnahmslos ab, unabhängig von der Art oder den Umständen der Straftat, der Schuld, Unschuld oder anderen Eigenschaften der Straftäter_innen und der angewendeten Hinrichtungsart.

Durch Hinrichtungen wird die Gewalt gegen Frauen nicht beendet. Es gibt keine Beweise dafür, dass die Todesstrafe eine abschreckende Wirkung hat. Amnesty International fordert den Präsidenten vielmehr auf, Druck auf die indische Regierung auszuüben, damit sie angemessene Mittel für die wirksame Umsetzung der Gesetze bereitstellt, so dass Täter_innen und Verantwortliche nicht straffrei ausgehen. Dabei muss die Rechtssicherheit in allen Fällen durch faire Verfahren und ohne Anwendung der Todesstrafe gewährleistet sein.

In Indien wurde 2015 zuletzt eine Person hingerichtet. Dieses Moratorium sollte fortgesetzt und die Todesurteile gegen die vier verurteilten Männer in Haftstrafen umgewandelt werden.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Am 16. Dezember 2012 wurde eine 23-jährige Frau in Neu Delhi von einer Gruppe Männer in einem privaten Kleinbus, der sie und ihren Freund mitgenommen hatte, geschlagen, vergewaltigt und gefoltert. Die junge Frau, bekannt als Nirbhaya, starb kurz darauf an den Folgen des extrem brutalen Angriffs.

Über diese Geschehnisse wurde in Indien und international viel berichtet. Das indische Recht untersagt es der Presse, den Namen einer von Vergewaltigung betroffenen Person zu veröffentlichen. Die junge Frau wird deshalb in der Berichterstattung mit dem Namen Nirbhaya (Hindi für furchtlos) bezeichnet.

Infolge massiver Proteste, bei denen mehr Sicherheit für Frauen gefordert wurde, wurde noch im Dezember 2012 ein Rechtsausschuss eingesetzt: Das "Justice Verma Commitee" unter Vorsitz von Richter Jagdish Sharan Verma sollte erarbeiten, wie die Rechtslage dahingehend verbessert werden kann, dass die Ermittlungen gegen Personen, die einer sexualisierten Straftat verdächtigt werden, schneller vorankommen und die Strafverfolgung effizienter wird. In diesem Prozess sollten auch Vorschläge aus der Öffentlichkeit berücksichtigt werden. Der Ausschuss prüfte 80.000 eingegangene Vorschläge und weist in seinem Untersuchungsbericht darauf hin, dass Versagen auf Seiten der Regierung und der Polizei die Hauptursache für die Verbrechen an Frauen sind. Außerdem enthält der Bericht Empfehlungen für eine Vielzahl von Problemen, die die Sicherheit von Frauen und geschlechtsspezifische Diskriminierung negativ beeinflussen, angefangen bei Gesetzen zur Gewalt gegen Frauen, sexualisiertem Missbrauch von Kindern sowie Ehrenmorden bis hin zu Grundsätzen der Strafzumessung, der Entwicklung von angemessenen Schutzmaßnahmen für Frauen sowie Polizei- und Wahlrechtsreformen. Die Empfehlungen des Ausschusses bildeten die Grundlage für die Gesetzesreformen zu sexualisierter Gewalt und Vergewaltigung nach den Verbrechen an Nirbhaya.

Sechs Männer wurden festgenommen und im Zusammenhang mit diesem Verbrechen angeklagt. Einer der sechs starb in Haft und ein anderer, der zum Zeitpunkt der Tat unter 18 Jahre alt war, wurde vor einem Jugendgericht schuldig gesprochen. Am 13. März 2014 befand das Hohe Gericht in Neu Delhi die Angeklagten der Vergewaltigung, des Mordes, unnatürlicher Straftaten und der Zerstörung von Beweismitteln für schuldig und verurteilte die vier Männer zum Tode. Das Gericht führte an, dass dieses Verbrechen so speziell sei und in die juristische Kategorie der "seltensten der seltenen" Taten falle, dass die Einschränkungen bei der Verhängung der Todesstrafe hier keine Anwendung finden solle.

Amnesty International wendet sich in allen Fällen und ausnahmslos gegen die Todesstrafe. Der Präsident von Indien kann eine zum Tode verurteilte Person begnadigen. Am 3. Februar 2020 lehnte dieser das Gnadengesuch von Mukesh Singh und Vinay Kumar Sharma ab. Die beiden anderen Täter befinden sich zurzeit in verschiedenen Rechtsmittelverfahren gegen ihr Todesurteil.