Gefangene freilassen!

Zeichnung einer Figur hinter Gefängnisgittern

Am 14. April wurden die beiden Aktivisten Gautam Navlakha und Anand Teltumbde von Angehörigen des indischen Geheimdienstes festgenommen und wegen ihrer mutmaßlichen Teilnahme an den Unruhen in Bhima Koregaon 2018 unter dem Strafgesetzbuch und dem Antiterrorgesetz angeklagt. Die Festnahmen scheinen politisch motiviert zu sein und mit der Inhaftierung von neun weiteren Menschenrechtsverteidiger_innen im Jahr 2018 zusammenzuhängen, die auch als "Bhima Koregaon 9" bekannt sind.

Appell an

Mr Amit Shah

Ministry of Home Affairs

North Block

New Delhi – 110001

INDIEN

Sende eine Kopie an

Botschaft der Republik Indien

I. E. Frau Mukta Dutta Tomar

Tiergartenstr. 17


10785 Berlin


Fax: 030 26 557 000

E-Mail: hoc.berlin@mea.gov.in

Amnesty fordert:

  • Sorgen Sie bitte dafür, dass Anand Teltumbde, Gautam Navlakha, Sudha Bharadwaj, Shoma Sen, Surendra Gadling, Mahesh Raut, Arun Ferreira, Sudhir Dhawale, Rona Wilson, Vernon Gonsalves und Varavara Rao umgehend und bedingungslos freigelassen und alle Anklagen gegen sie fallengelassen werden.
  • Bitte stellen Sie sicher, dass Aktivist_innen, Menschenrechtler_innen, Journalist_innen, Akademiker_innen und Oppositionsmitglieder in der Lage sind, friedlich ihre Rechte auf Meinungs- und Vereinigungsfreiheit wahrzunehmen.
  • Ich bitte Sie zudem um die Aufhebung oder Abänderung aller Gesetze – einschließlich des UAPA –, die das Menschenrecht auf freie Meinungsäußerung kriminalisieren bzw. willkürlich oder pauschal einschränken, sowie um die Anpassung der Gesetze Indiens an internationale Menschenrechtsstandards.

 

Sachlage

Am 14. April wurden Anand Teltumbde and Gautam Navlakha von Angehörigen des indischen Geheimdienstes NIA festgenommen. Die beiden Aktivisten wurden ins Visier genommen, weil sie sich für marginalisierte und schutzbedürftige Gruppen wie die Adivasi und Dalits einsetzen. Amnesty International befürchtet, dass die Festnahmen politisch motiviert sind und dass in Indien derzeit verstärkt gegen Organisationen und Einzelpersonen vorgegangen wird, die Rechenschaftspflicht fordern und sich für die Menschenrechte einsetzen.

Im Jahr 2018 waren neun bekannte Aktivist_innen – Sudha Bharadwaj, Shoma Sen, Surendra Gadling, Mahesh Raut, Arun Ferreira, Sudhir Dhawale, Rona Wilson, Vernon Gonsalves and Varavara Rao – festgenommen worden, weil ihnen vorgeworfen wurde, an der Gewalt beteiligt gewesen zu sein, die im Januar 2018 in Bhima Koregaon im Bundesstaat Maharashtra zwischen Dalits und hinduistischen Nationalist_innen ausbrach. Am 1. Januar 2018 hatten sich Hunderte Dalits in Bhima Koregaon versammelt, um den 200. Jahrestag einer Schlacht zu begehen, in der Dalits als Soldat_innen der britischen Armee dienten und die Peshwa (Herrscher) besiegten. Gruppen hinduistischer Nationalist_innen und mutmaßliche Unterstützer_innen der regierenden Indischen Volkspartei (Bharatiya Janata Party – BJP) stellten sich gegen die Veranstaltung und bezeichneten sie als "indienfeindlich", weil sie den Sieg einer Kolonialmacht feierte. Die Organisator_innen der Veranstaltung gaben an, gegen die vorherrschende Ideologie ankämpfen zu wollen, die in Indien zu Angriffen auf Dalits und Muslime führt.

Gautam Navlakha und Anand Teltumbde sind beide über 65 Jahre alt und leiden an Herzerkrankungen. Sie befinden sich derzeit im Gewahrsam des Geheimdienstes und werden voraussichtlich bald in überbelegte Gefängnisse überstellt, was in Zeiten der COVID-19-Pandemie besonders besorgniserregend ist. Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte hat am 3. April alle Staaten aufgefordert, Personen freizulassen, die ohne solide Rechtsgrundlage inhaftiert sind, darunter politische Gefangene und Menschen, die nur aufgrund ihrer kritischen oder abweichenden Meinungen in Haft sind.

Alle elf Aktivist_innen wurden auf der Grundlage des Gesetzes zur Verhütung von Straftaten (UAPA) festgenommen, ein Antiterrorgesetz, das Amnesty International in der Vergangenheit kritisiert hat, da es gegen zahlreiche internationale Menschenrechtsstandards verstößt und die im indischen Strafrecht festgeschriebenen Verfahrensrechte umgeht.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Gegen Anand Teltumbde und Gautam Navlakha wurde wegen ihrer Beteiligung an den Unruhen von Bhima Koregaon im Jahr 2018 Anklage unter dem Strafgesetzbuch und dem UAPA erhoben. Ihr Verfahren wird vor einem Spezialgericht des indischen Geheimdienstes stattfinden. Das UAPA wird routinemäßig gegen Personen eingesetzt, die lediglich kritische Meinungen äußern. Oft liegen keine Beweise dafür vor, dass die Angeklagten verbotene Organisationen unterstützt oder zur Gewalt angestiftet bzw. Gewalt angewendet haben, was dazu führt, dass die Betroffenen lange Zeit in Untersuchungshaft verbringen. Nur wenige unter dem UAPA angestrengte Prozesse führen zu einer Verurteilung.

Das UAPA wird immer wieder missbräuchlich angewendet, um Menschen zu inhaftieren, die friedlich von ihren Rechten auf Meinungs- und Vereinigungsfreiheit Gebrauch machen. Teile des UAPA entsprechen nicht den internationalen Menschenrechtsstandards und führen in ihrer Anwendung zu Menschenrechtsverletzungen.

Nach der Festnahme von Sudha Bharadwaj, Shoma Sen, Surendra Gadling, Mahesh Raut, Arun Ferreira, Sudhir Dhawale, Rona Wilson, Vernon Gonsalves und Varavara Rao (auch bekannt als die "Bhima Koregaon 9") wurde eine Verleumdungskampagne gegen die neun Aktivist_innen gestartet. Die Regierung warf ihnen vor, sie seien gegen Indien aktiv. Doch in den Gemeinden, in denen die Aktivist_innen tätig sind, sieht man das völlig anders. Die "Bhima Koregaon 9" sind für viele Menschen Nationalheld_innen, die sich mutig für die Rechte der marginalisiertesten Menschen im Land einsetzen.

Am 25. Janar 2020 übernahm der Geheimdienst die Untersuchung der Vorfälle in Bhima Koregaon von der bundesstaatlichen Polizei in Maharashtra. Zuvor hatte die neue Regierung des Bundesstaates die polizeiliche Untersuchung infrage gestellt und wegen Untersuchungsmängeln Ermittlungen gegen einige Polizist_innen gefordert. Die Übernahme der Untersuchungen durch den Geheimdienst wird von vielen Seiten als Teil des scharfen Vorgehens der Regierung unter Narendra Modi gegen Menschenrechtler_innen in Indien gewertet.