Guatemala: Anwältin freilassen!

Viele Menschen demonstrieren auf einem öffentlichen Platz

Demonstration in Guatemala City gegen Korruption (Archivaufnahme)

+++ Update 16. Oktober 2023: Diese Urgent Action wurde aus Sicherheitsgründen vorzeitig geschlossen. +++

Am 19. September findet die nächste Anhörung im Fall der guatemaltekischen Anwältin und Menschenrechtsverteidigerin Claudia González Orellana statt. Sie wurde am 28. August 2023 in ihrer Wohnung festgenommen, nachdem ein*e Richter*in einen fragwürdigen Haftbefehl gegen sie erlassen hatte.
Claudia González ist eine ehemalige Mitarbeiterin der CICIG, einer UN-Antikorruptionsstelle, die bis 2019 in Guatemala tätig war und deren ehemalige Angehörige häufig verfolgt wurden. Claudia González ist auch die Rechtsvertreterin verschiedener ehemaliger Anti-Korruptionsanwält*innen, die als Vergeltung für ihre Arbeit kriminalisiert wurden. Claudias González' Festnahme ist ein klarer Versuch, sie und alle, die für Gerechtigkeit und Menschenrechte in Guatemala eintreten, zum Schweigen zu bringen. Amnesty International fordert die guatemaltekische Staatsanwaltschaft auf, alle Anklagen gegen Claudia González fallen zu lassen und Maßnahmen für ihre sofortige Freilassung zu ergreifen.

Appell an

Generalstaatsanwältin

María Consuelo Porras Argueta

Fiscal General

Ministerio Público de Guatemala

15 avenida 15-16 zona 1, Barrio Gerona

Ciudad de Guatemala, 01001

GUATEMALA

Sende eine Kopie an

Botschaft der Republik Guatemala

S.E. Herrn Jorge Alfredo Lemcke Arevalo

Kaiserdamm 20

14057 Berlin


Fax: (030) 206 436 59

E-Mail: sekretariat@botschaft-guatemala.de

Amnesty fordert:

  • Ich fordere Sie höflich auf, die Anklage gegen Claudia González unverzüglich fallen zu lassen und Maßnahmen zu ergreifen, um ihre sofortige Freilassung sicherzustellen. Ihre Inhaftierung ist der Versuch, sie wegen ihrer Arbeit im Kampf gegen Korruption und Straflosigkeit in Guatemala zum Schweigen zu bringen.

Sachlage

Amnesty International hat die gegen Claudia González erhobenen Vorwürfe eingehend geprüft und ist zu dem Schluss gekommen, dass sie nicht rechtens sind. Zu ihren Aufgaben bei der CICIG gehörte die Verfolgung von Korruptionsvorwürfen, sodass der Antrag auf Aufhebung der Immunität einer Richterin nicht als Verbrechen angesehen werden kann. Außerdem wird sie wegen angeblichen "Amtsmissbrauchs" angeklagt, obwohl sie kein Amt in der guatemaltekischen Verwaltung bekleidet hat. Die CICIG war eine internationale Einrichtung, die nicht in diesen gesetzlichen Geltungsbereich fiel. Das Verfahren gegen sie ist daher unbegründet und stellt eine Vergeltung für ihren Einsatz gegen Korruption und Straflosigkeit in Guatemala dar. Ihr Prozess findet unter Geheimhaltung statt, was die Garantien eines ordnungsgemäßen Verfahrens untergräbt. Claudia González Rechtsbeistände haben sich besorgt über die Wahrung ihres Rechts auf eine*n unparteiische*n und unabhängige*n Richter*in geäußert, da die Gefahr besteht, dass die klagende Richterin ihren Einfluss missbrauchen könnte.

Nach guatemaltekischem Recht sollte die erste Anhörung nach der Festnahme, bei der ein*e Richter*in entscheidet, ob eine Person formell angeklagt wird, innerhalb von 24 Stunden stattfinden. In Claudia González' Fall begann diese Anhörung jedoch am 6. September – erst mehrere Tage nach ihrer Festnahme –, wurde am 13. September fortgesetzt und soll nun am 19. September wieder aufgenommen werden. Claudia González wird derweil in Untersuchungshaft gehalten, Berichten zufolge in Einzelhaft. Jüngste, von Amnesty International dokumentierte Fälle zeigen, dass die guatemaltekischen Behörden das Recht auf ein faires Verfahren und andere Menschenrechte von Personen, die unbegründet strafrechtlich verfolgt werden, nicht garantieren.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Claudia González Orellana ist eine ehemalige Mitarbeiterin der CICIG, der UN-Kommission gegen Korruption und Straflosigkeit in Guatemala, die bis 2019 im Land tätig war. Im Jahr 2019 weigerte sich die Regierung, das Mandat dieser Institution zu verlängern, und seitdem sehen sich ihre ehemaligen Angehörigen – einschließlich derjenigen, die für die Sonderstaatsanwaltschaft gegen Korruption und Straflosigkeit (FECI) arbeiten, die eng mit der CICIG zusammenarbeitete – als Vergeltung für ihre Arbeit intensiver Verfolgung und Kriminalisierung gegenüber. Während der Tätigkeit der CICIG wurden zahlreiche Korruptionsskandale aufgedeckt und Fälle von Menschenrechtsverletzungen und Völkerrechtsverbrechen, die von großem öffentlichen Interesse waren, untersucht.

Claudia González ist zudem die rechtliche Vertretung mehrerer ehemaliger CICIG- und FECI-Angehörigen, die als Vergeltungsmaßnahme für ihre Arbeit zu Unrecht strafrechtlich verfolgt werden. Sie vertritt unter anderem die ehemalige FECI-Mitarbeiterin Virginia Laparra, die derzeit eine Haftstrafe verbüßt, weil sie in Ausübung ihres Amtes eine Beschwerde gegen einen Richter eingereicht hat, sowie Juan Francisco Sandoval, den ehemaligen FECI-Chef, der derzeit im Exil lebt. Im Mai 2023 erhielt Claudia González den Lawyers for Lawyers Award, mit dem Jurist*innen ausgezeichnet werden, die bei ihrer Arbeit hohen Risiken ausgesetzt sind.

Seit 2019 sahen sich mehr als 50 Menschenrechtsverteidiger*innen, Staatsanwält*innen, ehemalige CICIG-Mitarbeiter*innen, Richter*innen und Journalist*innen gezwungen, das Land zu verlassen, weil die Staatsanwaltschaft des Landes unbegründete Strafverfahren gegen sie eingeleitet hat und es in Guatemala derzeit keine Unparteilichkeit und keine Garantien für ihre Rechte gibt. Claudia González' Inhaftierung fand in diesem Kontext statt. Internationale Menschenrechtsexpert*innen haben wiederholt ihre Besorgnis über die Kriminalisierung derjenigen geäußert, die an der Bekämpfung der Korruption und der Straflosigkeit in Guatemala beteiligt sind.

Das Strafverfahren gegen Claudia González ist der Versuch, sie sowohl für ihre Arbeit bei der CICIG zu bestrafen als auch für ihr Ansinnen, Gerechtigkeit für diejenigen zu suchen, die in ihrem Beruf zu Unrecht kriminalisiert werden. Darüber hinaus sind Mandant*innen wie Virginia Laparra und Juan Francisco Sandoval in den gegen sie laufenden Prozessen nun ohne Vertretung und das Strafverfahren sendet eine einschüchternde Botschaft an alle, die sich für Gerechtigkeit und Menschenrechte in Guatemala einsetzen.

Vor ihrer Festnahme wandte sich Claudia González wiederholt an die Staatsanwaltschaft, um Informationen über ein mögliches Verfahren gegen sie zu erhalten, was ihr jedoch verweigert wurde. Am 28. August vollstreckten Angehörige der Staatsanwaltschaft mehrere Durchsuchungsbefehle gegen ehemalige Mitarbeiter*innen der CICIG und der FECI, unter anderem in Claudia González' Wohnung. Sie wurde anschließend in Gewahrsam genommen. Die gegen sie erhobenen Vorwürfe beziehen sich auf ihre Zeit als CICIG-Mitarbeiterin, in der sie die Aufhebung der Immunität einer Richterin im Zusammenhang mit Korruptionsvorwürfen beantragt hatte. Die Richterin erstattete daraufhin Strafanzeige gegen die an den Ermittlungen gegen sie beteiligten Personen. Mit Ausnahme von Claudia González verließen daraufhin alle anderen beteiligten CICIG-Mitarbeiter*innen das Land.