DR Kongo: Menschenrechtsaktivisten freilassen!

Das Foto ist eine Collage aus zwei Porträtfotos von King Mwamisyo und Elias Bizimung.

Die Aktivisten King Mwamisyo (links) und Elias Bizimung aus der Demokratischen Republik Kongo

+++ Update 7. Juli 2023: Das Militärberufungsgericht bestätigte King Mwamisyos fünfjährige Haftstrafe und verdoppelte die Gerichtskosten, zu deren Zahlung er zuvor verurteilt worden war. Seinen Rechtsbeiständen bleiben nun noch drei weitere rechtliche Möglichkeiten, gegen das Urteil vorzugehen, darunter eine Beschwerde vor dem Kassationsgericht und ein Begnadigungsgesuch an den Präsidenten. +++ Update 6. Juni 2023: Elias Bizimungu wurde am 27. Mai vom Obersten Gericht in Goma freigesprochen und am Abend des 29. Mai aus dem Gefängnis freigelassen. +++ Die beiden Aktivisten King Mwamisyo und Elias Bizimungu gehören zu der zivilgesellschaftlichen Bewegung LUCHA in der Demokratischen Republik Kongo. Sie wurden im April bzw. September 2022 wegen konstruierter Anklagen allein deshalb festgenommen, weil sie ihr Recht auf freie Meinungsäußerung und friedliche Versammlung wahrgenommen hatten. Zuvor hatten sie den Militär- und Polizeibehörden in der Provinz Nord-Kivu im Osten des Landes vorgeworfen, die Menschen unter ihrer Zuständigkeit nicht angemessen zu schützen und an Menschenrechtsverletzungen im Rahmen des seit Mai bestehenden "Belagerungszustands" beteiligt gewesen zu sein. King Mwamisyo und Elias Bizimungu sind gewaltlose politische Gefangene und müssen umgehend und bedingungslos freigelassen werden.

Appell an

Governor of Nord-Kivu Province

Lieutenant-General Constant Ndima

Avenue du Lac, quartier Himbi

Goma

DR KONGO

Sende eine Kopie an

Botschaft der Demokratischen Republik Kongo

S.E. Herrn Tshoha Letamba

Ulmenallee 42a

14050 Berlin


Fax: 030-3011 1297

E-Mail: berlinmissionrdc@gmail.com

Amnesty fordert:

  • Bitte sorgen Sie dafür, dass King Mwamisyo und Elias Bizimungu umgehend und bedingungslos freigelassen, alle Anklagen gegen sie fallengelassen und ihre Verurteilungen aufgehoben werden.
  • Ich fordere Sie außerdem nachdrücklich auf, die nötigen Schritte einzuleiten, um die Haftbedingungen im Gefängnis von Goma dadurch zu verbessern, dass die Rechte der Inhaftierten auf angemessene Unterkunft, Nahrung, sauberes Wasser, medizinische Versorgung und eine sichere Umgebung gewährleistet werden. Sorgen Sie außerdem dafür, dass Rechtsbeistände und Familienangehörige die Inhaftierten ungehindert besuchen können. Dazu gehört, dass die Erhebung illegaler Gebühren, unverzüglich und dauerhaft unterbunden wird.

Sachlage

Die beiden Menschenrechtsaktivisten King Mwamisyo und Elias Bizimungu werden im Zusammenhang mit der friedlichen Ausübung ihres Rechts auf freie Meinungsäußerung und friedliche Versammlung willkürlich festgehalten.

King Mwamisyo, Jurastudent und Aktivist der zivilgesellschaftlichen Organisation LUCHA (Lutte pour le Changement, deutsch: Kampf für den Wandel), wurde am 2. April 2022 vom Polizeichef von Goma, der Hauptstadt der Provinz Nord-Kivu in der Demokratischen Republik Kongo, festgenommen und sieben Tage lang ohne Anklage inhaftiert. Am 9. April 2022 wurde er in das Büro der Militärstaatsanwaltschaft von Goma gebracht und zu seinen Beiträgen in den Sozialen Medien befragt. Darin hatte er den Provinz- und Stadtbehörden (bei denen es sich angesichts des "Belagerungszustands" um Angehörige von Militär und Polizei handelt) vorgeworfen, dass sie die Sicherheit nicht gewährleisten und ihre Befugnisse stattdessen dazu nutzen würden, die Bevölkerung zu erpressen und zahlreiche Menschenrechtsverletzungen zu begehen. Er wurde noch am gleichen Tag wegen "Beleidigung der Armee" (outrage à l'armée) angeklagt und ins Gefängnis von Goma gebracht, wo er sich seither befindet. Am 9. Dezember 2022 befand das Militärgericht von Goma ihn für schuldig und verurteilte ihn zu fünf Jahren Gefängnis und weiteren fünf Jahren Entzug der bürgerlichen und politischen Rechte. Dies beinhaltet das Verbot, ein öffentliches Amt zu bekleiden, und den Entzug des Wahlrechts. King Mwamisyo hat gegen die Strafe Rechtsmittel eingelegt. Das Berufungsvorfahren vor dem obersten Militärgericht in Goma ist eingeleitet und die erste Anhörung für den 5. April anberaumt.

Elias Bizimungu ist ein Journalist aus Kiwanja, etwa 75 km nördlich von Goma, und ebenfalls LUCHA-Aktivist. Er wurde am 26. September 2022, dem ersten Tag zweitägiger friedlicher Proteste gegen die ruandische Unterstützung der "M23-Rebellion", an einem Kontrollpunkt des Militärs festgenommen. Am 29. September 2022 brachte man ihn ins Gefängnis nach Goma, wo er nach wie vor festgehalten wird. Seine Inhaftierung erfolgte ohne Anklage, und er hatte erst zu Prozessbeginn am 22. Dezember 2022 Zugang zu einem Rechtsbeistand. Außerdem wurde er erst während des Prozesses über die Anklagepunkte informiert, zu denen unter anderem die "Beteiligung an einer aufständischen Bewegung" gehört. Am 29. Dezember 2022 stellte das Militärgericht fest, dass die Verfolgung dieser Straftat nicht in seine Zuständigkeit fällt. Drei Monate später, am 6. März 2023, wurde der Fall an das Zivilgericht in Goma übergeben. Die erste Anhörung fand am 16. März statt.

Hintergrundinformation

Hintergrund

King Mwamisyo (28) aus Goma in der Provinz Nord-Kivu im Osten der Demokratischen Volksrepublik Kongo wurde erstmals am 16. September 2022, mehr als fünf Monate nach seiner Festnahme, einem Gericht vorgeführt. Elias Bizimungu (33) ist ein Journalist und Aktivist der zivilgesellschaftlichen Bewegung LUCHA und stammt aus Kiwanja, etwa 75 km nördlich von Goma, der Hauptstadt von Nord-Kivu. Der Militärangehörige, der Elias Bizimungu festgenommen hatte, führte an, er habe die öffentliche Ordnung gestört und wirtschaftliche Verluste für Volk und Staat verursacht. Beide Aktivisten sind im Gefängnis von Goma inhaftiert, nachdem ihre Anträge auf vorläufige Freilassung abgelehnt wurden.

Im Gefängnis von Goma herrschen entsetzliche Haftbedingungen. Das ursprünglich für 300 Personen gebaute Gefängnis beherbergt aktuell fast 4.000 Insassen in überfüllten, dreckigen Zellen ohne fließendes Wasser, Strom, Betten, medizinische Versorgung oder angemessene Nahrung. Wer Insassen besuchen möchte, muss an die vier Sicherheitskontrollen im Gefängnis bis zu 2 US-Dollar (etwa 1,83 Euro) Schmiergeld zahlen.

Die strafrechtliche Verfolgung bei einer "Verleumdung" der Armee, des Staatsoberhaupts oder anderer staatlicher Einrichtungen ist ein Verstoß gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung und deshalb mit den Verpflichtungen der Demokratischen Republik Kongo aus Artikel 19 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (IPBPR) unvereinbar. Der UN-Menschenrechtsausschuss, der die Umsetzung des Pakts überwacht, hat die besondere Verpflichtung hervorgehoben, nach der die Staaten die Kritik an Institutionen wie der Armee oder Verwaltung zulassen müssen. Die strafrechtliche Verfolgung von Zivilpersonen vor einem Militärgericht verstößt auch gegen das Recht auf ein faires Verfahren. Die Afrikanische Kommission für Menschenrechte und Rechte der Völker hat in ihrer Resolution über das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren und Rechtshilfe in Afrika festgehalten, dass der Zweck der Militärgerichte darin besteht, über rein militärische Vergehen durch Militärpersonal zu entscheiden. Somit stellt die strafrechtliche Verfolgung von King Mwamisyo vor einem Militärgericht einen Verstoß gegen die Verpflichtungen der Demokratischen Volksrepublik Kongo nach regionalen und internationalen Menschenrechtsnormen dar.

Das Wiedererstarken der Rebellengruppe Bewegung 23. März (M23) in der Provinz Nord-Kivu hat die Sicherheits- und humanitäre Krise im Osten der Demokratischen Republik Kongo verschärft und gleichzeitig die militärischen und politischen Spannungen zwischen der Demokratischen Republik Kongo und Ruanda neu entfacht. Die Spannungen zwischen den beiden Ländern führten zu einer neuen Welle von Protesten gegen Ruanda und die Vereinten Nationen in der Demokratischen Republik Kongo.

2022 verschärften die Behörden der Demokratischen Republik Kongo ihr Vorgehen gegen die Rechte auf freie Meinungsäußerung, friedliche Versammlung und Vereinigungsfreiheit weiter. Nach wie vor nutzten sie die Corona-Pandemie und den verlängerten "Belagerungszustand" (eine Form des Kriegsrechts, die im Mai 2021 ausgerufen und seitdem über 40 Mal verlängert wurde) in Ituri und Nord-Kivu als Vorwand, um öffentliche Versammlungen und Demonstrationen von einzelnen Personen und Gruppen, die als regierungskritisch gelten, zu verbieten oder zu unterdrücken. Die im Rahmen des "Belagerungszustands" berufenen Militärbehörden nahmen Kritiker*innen auch weiterhin willkürlich fest und inhaftierten sie. Auch Demonstrationen wurden von ihnen ohne strafrechtliche Konsequenzen verboten und unterdrückt, wenn sie als kritisch angesehen wurden, während Demonstrationen, die als positiv für die Behörden angesehen wurden, stattfinden durften. Zivilgesellschaftliche Organisationen und oppositionelle Aktivist*innen wurden willkürlich inhaftiert, häufig ohne Verfahren, weil sie den "Belagerungszustand" oder die Regierung kritisiert oder ihre Menschenrechte in anderer Form wahrgenommen hatten. Im April 2022 verurteilte ein Militärgericht in Beni 12 Aktivisten der zivilgesellschaftlichen Bewegung LUCHA (Lutte pour le Changement) wegen der "Anstiftung der Öffentlichkeit zur Missachtung von Gesetzen" zu je 2 Jahren Gefängnis. Die Aktivisten waren im November 2021 festgenommen worden, weil sie einen friedlichen Sitzstreik im Rathaus organisiert hatten, um gegen die Verlängerung des "Belagerungszustands" ohne angemessene Prüfung von dessen Auswirkungen auf die Sicherheitslage protestiert hatten. Sie wurden schließlich im August 2022 freigelassen, nachdem das Berufungsgericht von Nord-Kivu das Urteil des Militärgerichts aufgehoben hatte. Weitere Informationen zum "Belagerungszustand" finden sich in folgendem Briefing von Amnesty International aus dem Jahr 2022: "DRC: One year on, 'State of Siege’ used as a tool to crush dissent’.