Bergleuten droht gewaltsame Vertreibung

Minimalistische Zeichnung einer Explosion

In der Demokratischen Republik Kongo droht etwa 10.000 Bergleuten im Kleinbergbau die gewaltsame Vertreibung aus einem Bergbaugebiet, das von dem Kobaltunternehmen Tenke Fungurume Mining betrieben wird. Am 17. Juni wurden zu diesem Zweck ca. 800 Armeeangehörige in die Gegend entsandt. Wer das Gebiet bis zum 2. Juli nicht freiwillig verlassen hat, muss mit gewaltsamer Vertreibung rechnen.

Appell an

PRÄSIDENT

Félix Tshisekedi

DEMOKRATISCHE REPUBLIK KONGO

E-Mail: cabinet@presidentrdc.cd

Sende eine Kopie an

BOTSCHAFT DER DEMOKRATISCHEN REPUBLIK KONGO

S. E. Herrn Tshoha Letamba

Ulmenallee 42a, 14050 Berlin


Fax: 030-30 11 12 97

E-Mail: ambardc_berlin@yahoo.de

Amnesty fordert:

  • Bitte ziehen Sie die Armee umgehend aus dem Tagebau von Tenke Fungurume Mining und der umliegenden Gegend ab und nehmen Sie die Gewaltandrohung gegenüber denjenigen zurück, die das Gebiet nicht bis zum 2. Juli verlassen.
  • Sorgen Sie dafür, dass alle in die Gegend entsandten Ordnungs- und Sicherheitskräfte angemessen geschult und ausgestattet sind und keine unverhältnismäßige Gewalt anwenden.
  • Beginnen Sie bitte einen Dialog mit Vertreter_innen des Kleinbergbaus, um die strukturellen Probleme zu bewältigen, die zu dem Eindringen dieser Bergleute in größere Bergwerke führen. Mögliche Ansätze sind das Einrichten von neuen, speziell für den Kleinbergbau ausgewiesenen Gebieten, die formale Genehmigung von bislang nicht genehmigten Bergbaugebieten und das Fördern einer Formalisierung von Bergbauaktivitäten.

Sachlage

Die kongolesische Regierung entsandte am 17. Juni 2019 ein etwa 600-800 Personen starkes Armeebataillon zu einem Bergwerk, das mehrheitlich der chinesischen Bergbaugesellschaft China Molybdenum Co. Ltd gehört. Bei diesem von der Firma Tenke Fungurume Mining (TFM) betriebenen Bergwerk in der Provinz Lualaba im Süden des Landes handelt es sich um eine der weltgrößten Kupfer- und Kobaltminen. Medienberichten zufolge sind dort und in dem umliegenden Gebiet etwa 10.000 kleingewerbliche Bergleute tätig.

Der Gouverneur von Lualaba rechtfertigte den Einsatz der Armee mit dem Argument, unter den Bergleuten befänden sich auch bewaffnete Banditen. Seinen Angaben zufolge müsse "Gewalt angewandt werden, um sie von ihren Aktivitäten abzuhalten". Ein Sprecher des Militärs, Oberst Emmanuel Kabamba, sagte, ein Bataillon sei entsandt worden, um die kleingewerblichen Bergleute dazu zu bringen, das Gebiet bis zum 2. Juli freiwillig zu verlassen. Tun sie dies nicht, werde das Militär sie unter Einsatz von Gewalt vertreiben. Amnesty International befürchtet, dass eine derartige Vertreibung mit schweren Menschenrechtsverletzungen einhergehen würde.

Die Bewohner_innen der Ortschaft Fungurume befürchten eine gewaltsame Eskalation der Situation, da es in dem Gebiet bereits in der Vergangenheit zu Zusammenstößen zwischen Arbeiter_innen im Kleinbergbau und polizeilichen Sicherheitskräften gekommen ist. Augenzeugenberichten zufolge sind die dorthin entsandten Truppen mit Kriegswaffen ausgerüstet.

Die Armee der Demokratischen Republik Kongo hat in der Vergangenheit häufig unverhältnismäßige Gewalt angewendet. Die Soldat_innen sind nicht angemessen für Polizeiaufgaben geschult und ausgestattet, was dem Völkerrecht und internationalen Standards zuwiderläuft. Es ist daher wahrscheinlich, dass bei einer Vertreibung der kleingewerblichen Bergleute schwere Menschenrechtsverletzungen begangen werden. Es gab bereits Berichte, dass Armeeangehörige Häuser und Unterkünfte zerstört haben sollen.

Menschen, die in der DR Kongo auf eigene Faust kleingewerblich Bergbau betreiben (sogenannte creuseurs), tun dies häufig in Bergwerken, deren Schürfrechte an Privatunternehmen wie z. B. TFM vergeben wurden. Es fehlen regulierte Bergbaugebiete, die für den Kleinbergbau ausgewiesen sind. Amnesty International hat dies 2016 in einem Bericht über lebensgefährliche Arbeitsbedingungen in Kobaltminen dokumentiert. Auch hat Amnesty International in der Vergangenheit bereits Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit Einsätzen zur Vertreibung kleingewerblicher Bergleute dokumentiert. Im Jahr 2009 wurden in der Ortschaft Kawama Hunderte Wohnhäuser und Geschäfte zerstört, als Polizeikräfte dort einen Einsatz zur Vertreibung von Bergleuten aus der Luiswishi Mine durchführten. Hier handelt es sich um strukturelle Probleme, die von der Regierung gemeinsam mit allen Beteiligten angegangen werden müssen. Auch die Arbeiter_innen im Kleinbergbau müssen dabei einbezogen werden.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Die Provinz Lualaba liegt im Süden der DR Kongo im sogenannten Kupfergürtel, einer Region an der Grenze zu Sambia, die schon immer eine der wichtigsten Bergbauregionen des Landes war. Die Art des Bergbaus hat sich dort jedoch über die Jahre stark verändert. Nach Erschließung der Minen Anfang des 20. Jahrhunderts standen sie zunächst in großem industriellem Stil unter der Aufsicht einer einzigen staatlichen Firma. Die heutigen Kupfer- und Kobaltminen werden von vielen verschiedenen nationalen und internationalen Konzernen betrieben. Daneben gibt es noch zahlreiche kleingewerbliche und nichtindustrielle Bergbauprojekte, die maßgeblich zur Rohstoffförderung beitragen.

Die Regierung der DR Kongo schätzt, dass 20 Prozent der Kobaltexporte auf kleingewerblichen Bergbau im Süden des Landes zurückgehen. In diesem Kupfergürtel gibt es laut einer staatlichen Studie etwa 110.000 Bergleute, die kontinuierlich Kleinbergbau betreiben. Diese Zahl schwillt saisonal auf 150.000 an. Allerdings herrscht ein Mangel an für den Kleinbergbau ausgewiesenen Gebieten, was dazu führt, dass viele kleingewerbliche Bergleute in Minen von Privatkonzernen nach Rohstoffen graben, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen.

Es gibt viele Länder, in denen die Behörden das Militär für Belange der öffentlichen Ordnung einsetzen, wenn sie der Ansicht sind, dass die Polizei bestimmten Aufgaben nicht gewachsen ist. Angehörige des Militärs werden jedoch dazu ausgebildet, einen Feind zu bekämpfen. Ihr Modus Operandi ist die Kriegsführung, und dabei wird standardmäßig Gewalt, auch tödliche Gewalt, angewendet. Ihre Ausrüstung zielt darauf ab, den Feind zu neutralisieren, und nicht darauf, Schaden und Verletzungen zu minimieren bzw. Menschenleben zu schützen. Wenn Militärangehörige für Belange der öffentlichen Ordnung eingesetzt werden, ohne dass sie gemäß internationaler Menschenrechtsstandards speziell für Polizeiaufgaben ausgebildet und ausgerüstet wurden, so geht dies mit erheblichen Risiken einher. Beispielsweise besteht die Gefahr, dass unverhältnismäßige und tödliche Gewalt angewendet wird.