Dänemark muss Syrer_innen weiter Schutz gewähren!

Gruppe von Menschen draußen an einem öffentlichen Platz halten rote Schilder in Herzform hoch mit Solidaritätsbotschaften für Syrer_innen in Dänemark. Links auf dem Bild sind drei Balkemn mit der Aufschrift: "syrien ist nicht sicher!"

Zwischen 2020 und dem 1. April 2021 hat Dänemark die Aufenthaltstitel von 380 Syrer_innen widerrufen oder nicht verlängert und erklärt, Damaskus und die Rif-Region seien wieder "sicher". Viele der Geflüchteten warten aktuell noch auf eine endgültige Entscheidung in ihren Berufungsverfahren, doch bei 39 ist die Entscheidung bereits gefallen: Ihnen droht die Abschiebung nach Syrien. Amnesty International ist der Ansicht, dass jede Rückführung nach Syrien gegen das völkerrechtliche Non-Refoulement-Prinzip verstoßen würde, da Staaten niemanden in ein Land abschieben dürfen, in dem dieser Person schwere Menschenrechtsverletzungen drohen.

Appell an

Danish Minister of Immigration and Integration

Mr. Mattias Tesfaye

Slotsholmsgade 10,

1216 København

DÄNEMARK

Sende eine Kopie an

Botschaft des Königreichs Dänemark

I.E. Frau Susanne Christina Hyldelund

Rauchstraße 1

10787 Berlin


Fax: 030-5050 2050

E-Mail: beramb@um.dk

Amnesty fordert:

Sachlage

Die dänische Regierung prüft derzeit die Aufenthaltserlaubnis syrischer Geflüchteter, die auf der Flucht vor dem bewaffneten Konflikt in Syrien Zuflucht in Dänemark gesucht haben.

Die dänische Einwanderungsbehörde hat bis zum 1. April 2021 bereits 380 Syrer_innen die Aufenthaltserlaubnis entzogen oder nicht verlängert. Sie alle warten jetzt entweder auf die endgültige Entscheidung der höherinstanzlichen dänischen Behörde für Berufungsverfahren von Geflüchteten oder haben diese bereits erhalten. Bis April 2021 haben mindestens 39 Syrer_innen, die vor dem bewaffneten Konflikt in Syrien nach Dänemark geflohen waren, einen endgültigen Ablehnungsbescheid ihres Asylantrags erhalten und haben dort nun den sogenannten 'Ausreisestatus'. Das heißt, dass ihnen bei der Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen mit der syrischen Regierung die Abschiebung nach Syrien droht.

Amnesty International befürchtet, dass von dieser Entscheidung betroffene Syrer_innen in "Ausreisezentren" gebracht werden, wo sie weder Arbeits- noch Bildungsmöglichkeiten hätten, obwohl die Abschiebung nicht unmittelbar bevorsteht. Amnesty befürchtet auch, dass Syrer_innen sich unter diesen Bedingungen unter Druck gesetzt fühlen, nach Syrien zurückzukehren, wo ihnen schwere Menschenrechtsverletzungen drohen könnten.

Die Einstellung der Kampfhandlungen in bestimmten Teilen Syriens bedeutet nicht, dass Menschen sicher dorthin zurückgehen können. Amnesty International hat die anhaltenden Menschenrechtsverletzungen in Syrien umfassend dokumentiert. Der Zivilbevölkerung, einschließlich zurückkehrender Geflüchteter, drohen in Syrien schwere Menschenrechtsverletzungen wie willkürliche Inhaftierung, Folter und andere Misshandlungen oder Verschwindenlassen. Allen syrischen Asylsuchenden sollte in Dänemark Schutz gewährt werden.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Vor dem Hintergrund umstrittener Herkunftslandberichte über die Lage in Syrien betrachten die dänische Migrationsbehörde und die dänische Behörde für Berufungsverfahren von Geflüchteten Damaskus  und seit Februar 2021 auch den ländlichen Regierungsbezirk Rif-Damaskus – die Rif-Region –, als "sicher" für Rückführungen.

Bis April 2021 haben mindestens 39 Syrer_innen, die vor dem bewaffneten Konflikt in Syrien nach Dänemark geflohen waren, einen endgültigen Ablehnungsbescheid erhalten und haben dort nun den sogenannten 'Ausreisestatus'. Das heißt, dass ihnen bei der Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen mit dem syrischen Regime die Abschiebung nach Syrien droht. 30 Tage nach Ablehnung eines Asylantrags, Entzug eines bestehenden Schutztitels oder Nicht-Verlängerung des Schutztitels werden die syrischen Geflüchteten in sogenante "Ausreisezentren" gebracht, wo sie weder arbeiten noch lernen dürfen. Dänemark unterhält zurzeit keine diplomatischen Beziehungen mit Syrien und kann daher keine Abschiebungen durchführen. Laut dem dänischen Ausländergesetz könnten die dänischen Behörden "motivierende" Maßnahmen ­ einschließlich einer Inhaftierung ­ergreifen, um ausländische Staatsangehörige ohne regulären Aufenthaltstitel zu "motivieren", "freiwillig" in ihr Herkunftsland zurückzugehen.

Amnesty International ist tief besorgt, dass Syrer_innen ohne Aufenthaltstitel starke Einschränkungen auferlegt werden und sie möglicherweise sogar in Haft kommen, um einen "Anreiz" für ihre "freiwillige" Rückkehr nach Syrien zu schaffen. Da die Betroffenen in "Ausreisezentren" ohne Zugang zu Arbeit und Bildung bzw. Ausbildung kommen, lässt ihnen die dänische Regierung kaum Alternativen und könnte sie so zur Rückkehr nötigen. Amnesty International ist der Ansicht, dass das Verwehren eines regulären Aufenthaltsstatus' sowie von Arbeit und Ausbildung die betroffenen Syrer_innen in eine Lage bringt, in der sie dazu genötigt sind, nach Syrien zurückzukehren. Dies ist ein Verstoß gegen das völkerrechtliche Non-Refoulement-Prinzip, demzufolge Staaten niemanden direkt oder indirekt in ein Land abschieben dürfen, in dem dieser Person schwere Menschenrechtsverletzungen drohen.

Die dänischen Behörden nutzen das derzeitige Ausbleiben von Kampfhandlungen in Damaskus und der Rif-Region als Rechtfertigung, um Syrer_innen die Aufenthaltserlaubnis entweder zu entziehen oder diese nicht zu verlängern. Laut Dokumentationen von Amnesty International drohen Bewohner_innen der Stadt Damaskus und der Rif-Region trotz des Ausbleibens von Kampfhandlungen bei einer Rückkehr nach wie vor Verfolgung und andere schwere Menschenrechtsverletzungen, und sie benötigen daher weiterhin internationalen Schutz.

Amnesty International recherchiert aktuell zu Menschenrechtsverletzungen gegen syrische Geflüchtete, die in Gebiete zurückgekehrt sind, die von der syrischen Regierung kontrolliert werden – darunter auch Damaskus. Die bisherigen Recherchen von Amnesty International belegen, dass Zivilpersonen, die nach Syrien zurückkehren, sich einer "Sicherheitsüberprüfung" unterziehen müssen. Hierzu werden sie von syrischen Sicherheitskräften verhört, die für weitreichende und systematische Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind. Sie stellen Verbrechen gegen die Menschlichkeit dar und umfassen unter anderem Folter, außergerichtliche Hinrichtungen und Verschwindenlassen.

2019 nahm die dänische Regierung einen sogenannten "Paradigmenwechsel" in ihrer Migrations- und Flüchtlingspolitik vor. Der Fokus verschob sich von einer Politik der Unterstützung mit dem Ziel der Integration zu einem Hoffen auf kurzen Schutzbedarf und den Einsatz aller möglichen Maßnahmen, um eine Rückführung zum frühestmöglichen Zeitpunkt durchsetzen zu können. Dabei wurde der bis dahin gewährte dauerhafte Aufenthaltsstatus für Geflüchtete mit Schutzbedarf abgeschafft und durch eine zeitlich befristete Aufenthaltserlaubnis ersetzt. Im Dezember 2019 lehnte die dänische Behörde für Berufungsverfahren von Geflüchteten den Antrag auf Asyl von drei syrischen Staatsangehörigen aus Damaskus mit der Begründung ab, dass ihnen aufgrund der "allgemeinen Lage" dort keine Verfolgung drohe. Die Behörde stützte ihre Entscheidung zum Teil auf einen Bericht der dänischen Migrationsbehörde vom 21. Februar 2019, demzufolge Syrer_innen aus Damaskus nicht durch "ständige Gewalt in Damaskus" gefährdet seien. Vor diesem Hintergrund beschloss das Ministerium für Einwanderung und Integration im Juni 2020, die Prüfung von Aufenthaltstiteln von rund 900 Geflüchteten aus Damaskus zu beschleunigen, denen aufgrund der ständigen Gewalt in Syrien ein zeitlich befristeter Schutzstatus eingeräumt worden war. Seit Februar 2021 gilt diese Entscheidung auch für Menschen aus dem Regierungsbezirk Rif-Damaskus.