Autor in Haft

Der australische Autor Yang Hengjun

Der australische Autor Yang Hengjun

Der Schriftsteller und Blogger Yang Hengjun, der über die australische und die chinesische Staatsbürgerschaft verfügt, wurde am 19. Januar 2019 am Flughafen von Guangzhou festgenommen. Nach einjähriger Inhaftierung kündigten die chinesischen Behörden im März 2020 an, den Blogger der Spionage anzuklagen. Aufgrund der COVID-19-Pandemie darf Yang Hengjun seit dem 30. Dezember 2019 keine Besuche mehr empfangen. Er soll in der Hafteinrichtung der Staatssicherheit in Peking inhaftiert sein, und es besteht große Sorge, dass er gefoltert oder anderweitig misshandelt werden könnte.

Appell an

Zhang Yukun

Beijing No 2 People’s Procuratorate

18, Zhifang Lu

Fengtai Qu

Beijing Shi, 100078

VOLKSREPUBLIK CHINA

Sende eine Kopie an

Botschaft der Volksrepublik China

S. E. Herrn Ken Wu

Märkisches Ufer 54

10179 Berlin


Fax: 030-27 58 82 21


E-Mail: presse.botschaftchina@gmail.com

Amnesty fordert:

  • Lassen Sie Yang Hengjun bitte umgehend und bedingungslos frei, es sei denn es existieren glaubwürdige und zulässige Beweise dafür, dass er eine international als Straftat anerkannte Handlung begangen hat, und er erhält ein Verfahren, das den internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren entspricht.
  • Stellen Sie bitte sicher, dass er bis zu seiner Freilassung regelmäßigen und uneingeschränkten Zugang zu Konsulatsvertreter_innen, seiner Familie und Rechtsbeiständen seiner Wahl erhält, und dass er nicht gefoltert oder anderweitig misshandelt wird.
  • Gestatten Sie ihm bitte regelmäßigen und uneingeschränkten Zugang zu medizinischer Versorgung, wenn er darum bittet und wann immer diese nötig ist.

Sachlage

 Der Schriftsteller Yang Hengjun (杨恒均) wurde am 19. Januar 2019 am Flughafen von Guangzhou in Polizeigewahrsam genommen. Er befand sich daraufhin über ein Jahr lang ohne Anklage in Haft. Erst im März 2020 gaben die Behörden offiziell bekannt, dass er der Spionage angeklagt würde. Er soll sich in der Hafteinrichtung der Staatssicherheit in Peking befinden.

Seit 2002 verfügt Yang Hengjun neben der chinesischen auch über die australische Staatsbürgerschaft. Zum Zeitpunkt seiner Festnahme lebte er in den USA und arbeitete als Gastdozent an der Columbia University. In der Haft durfte er bisher keinen Besuch von seiner Familie oder einem Rechtsbeistand seiner Wahl erhalten. Anfangs wurden ihm monatliche halbstündige Besuche von einem australischen Konsulatsvertreter gestattet. Seit dem 30. Dezember 2019 hat jedoch niemand mehr mit Yang Hengjun gesprochen, da die Behörden aufgrund von COVID-19 alle Besuche ausgesetzt haben.

Yang Hengjun weist die Spionagevorwürfe von sich. Es besteht die Sorge, dass er nicht angemessen medizinisch versorgt wird. Der Blogger leidet unter Gedächtnisschwund, Schwindel, blutdruckbezogenen Komplikationen und anderen Erkrankungen. Es ist daher wichtig, dass er umgehend und angemessen ärztlich versorgt wird.

Da er keinen Zugang zu konsularischen Vertreter_innen Australiens, seiner Familie oder einem Rechtsbeistand seiner Wahl hat, befürchtet Amnesty International, dass er in Gefahr ist, gefoltert oder anderweitig misshandelt zu werden. 

Hintergrundinformation

Hintergrund

Yang Hengjun ist ein bekannter Schriftsteller und Blogger, der Romane veröffentlicht hat und sich häufig sehr direkt über öffentliche Angelegenheiten in China äußert. Er ist ein ehemaliger chinesischer Diplomat und hat zudem in Hongkong in der Privatwirtschaft gearbeitet, bevor er 1999 nach Australien zog. Dort erwarb er einen Doktortitel an der Technikuniversität von Sydney. Im Jahr 2002 erhielt er die australische Staatsbürgerschaft. Vor seiner Festnahme lebte er in den USA, wo er als Gastdozent an der Columbia University tätig war.

Im Januar 2019 kam Yang Hengjun mit seiner Familie am Flughafen von Guangzhou an, wo er von der Polizei festgenommen wurde. Er wurde zunächst "an einem dafür vorgesehenen Ort unter Überwachung gestellt" – eine Maßnahme, mit der strafrechtliche Ermittler_innen Personen unter bestimmten Umständen für bis zu sechs Monate außerhalb des formellen Haftsystems festhalten können. Dies kann unter bestimmten Umständen einer Form der geheimen Haft ohne Kontakt zur Außenwelt gleichkommen. Wenn Inhaftierte unter dieser Form der "Überwachung" keinen Zugang zu einem Rechtsbeistand ihrer Wahl, ihren Familien und allen anderen Menschen außerhalb der Haft haben, sind sie erhöhter Gefahr ausgesetzt, gefoltert oder anderweitig misshandelt zu werden. Diese Art der Haft wird benutzt, um die Aktivitäten von Menschenrechtsverteidiger_innen, darunter Rechtsbeistände, Aktivist_innen und Religionsausübende, zu unterdrücken. Menschenrechtsverteidiger_innen und andere Aktivist_innen sind weiterhin systematischer Überwachung, Schikane, Einschüchterung, Festnahme und Inhaftierung ausgesetzt. Im August 2019 wurde offiziell Haftbefehl gegen Yang Hengjun erlassen. Er befindet sich derzeit in einer Hafteinrichtung in Peking und hat seit dem 30. Dezember 2019 keinen konsularischen Besuch mehr erhalten dürfen. Er weist die Spionagevorwürfe von sich.

Yuan Xiaoliang, die Ehefrau von Yang Hengjun, die dauerhaft in Australien lebt, und ihr Sohn durften nach China einreisen, doch wird ihnen nun die Ausreise verweigert. Im Juli 2019 wurde Yuan Xiaoliang bei dem Versuch, nach Australien zu fliegen, von einem Grenzbeamten an der Ausreise gehindert. Wenige Tage später wurde sie von Beamt_innen mitgenommen und zwei Stunden lang verhört. Laut Angaben einer engen Freundin ist Yuan Xiaoliang der Ansicht, dass sie nicht mit internationalen Medien sprechen kann, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen.

Bereits im Jahr 2011 "verschwand" Yang Hengjun eine Woche lang, nachdem er zuvor von drei Männern beschattet worden war. Weltweit wurde spekuliert, dass er in Gewahrsam genommen worden sei. Eine Woche später tauchte er jedoch wieder auf und gab in den Medien an, es habe sich um ein "Missverständnis" gehandelt und er sei krank gewesen. Yang Hengjun hat diese Aussage mittlerweile zurückgenommen.

Im chinesischen Strafrecht wird Spionage als eine Straftat eingestuft, die die nationale Sicherheit gefährdet. Wer der Spionage für schuldig befunden wird, muss mit mindestens drei Jahren Haft rechnen. Wenn das Gericht der Ansicht ist, dass der oder die Angeklagte die nationale Sicherheit "auf besonders schädigende Weise für das Land oder die Landsleute" gefährdet hat, kann es ein Todesurteil aussprechen. Personen, die wegen Gefährdung der nationalen Sicherheit angeklagt sind, dürfen häufig ihre Verfahrensrechte nicht wahrnehmen – zum Beispiel erhalten sie oft kein öffentliches Verfahren und keinen Zugang zu rechtlicher Vertretung ihrer Wahl. Amnesty International hat in einem 2017 veröffentlichten Bericht die Verwendung der Begriffe "Informationen von nationalem Belang" und "nationale Sicherheit" in der chinesischen Gesetzgebung als übermäßig vage bezeichnet.