Brasilien: Umweltschützer verschwunden

Luftaufnahme eines teilweise abgeholzten Waldes

Bruno Pereira und Dom Phillips, die sich in Brasilien für den Umweltschutz und die Rechte indigener Bevölkerungsgruppen einsetzen, wurden am Morgen des 5. Juni als vermisst gemeldet. Sie waren im Javarí-Tal im brasilianischen Amazonasgebiet nahe der Grenze zu Kolumbien und Peru unterwegs. Laut der lokalen Indigenenorganisation UNIVAJA hatten die Männer in den Tagen zuvor Morddrohungen erhalten. Die Regierungen Brasiliens, Kolumbiens und Perus müssen dringend zusammenarbeiten und alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um den Verbleib der beiden Männer so schnell wie möglich aufzuklären.

Appell an

Präsident von Brasilien

Jair Messias Bolsonaro

Pálacio do Planalto, Praça dos Três Poderes

Brasilia-Distrito Federal, 70150-900


BRASILIEN

Sende eine Kopie an

Botschaft der Föderativen Republik Brasilien

S. E. Herrn Roberto Jaguaribe Gomes De Mattos

Wallstraße 57

10179 Berlin


Fax: 030-726 283 20


E-Mail: brasemb.berlim@itamaraty.gov.br

Amnesty fordert:

  • Bitte ergreifen Sie dringend alle nötigen Maßnahmen, um den Verbleib von Bruno Pereira und Dom Phillips aufzuklären, und arbeiten Sie dabei auch mit den Regierungen Kolumbiens und Perus zusammen. Für die Suche nach den Männern sollten Sicherheitskräfte aller Dienstebenen Kontingente und Ausrüstung bereitstellen.
  • Die Staatsanwaltschaft muss umgehend eine gründliche, unabhängige und unparteiische Untersuchung einleiten, um den Verbleib der Männer so schnell wie möglich aufzuklären und die Verantwortlichen vor Gericht zu stellen.

An die Präsidenten von Peru und Kolumbien:

  • Starten Sie bitte umgehend Such- und Rettungseinsätze in der Grenzregion, in der Bruno Pereira und Dom Phillips verschwunden sind.

 

Sachlage

Am Morgen des 5. Juni verschwanden in Brasilien der Aktivist für Indigenenrechte Bruno Pereira, der für die staatliche Indigenenbehörde FUNAI (Fundação Nacional do Índio) arbeitet, und der britische Journalist Dom Phillips, der für die Zeitung The Guardian berichtet. Von den beiden Männern fehlt jede Spur, seit sie im Grenzgebiet zu Kolumbien und Peru im nördlichen Bundesstaat Amazonas zwischen der Flussgemeinde São Rafael und der Kleinstadt Atalaia do Norte unterwegs waren. Sie hielten sich im Javarí-Tal auf, um verschiedene von indigenen Gemeinschaften organisierte Überwachungsposten zu besuchen, die den Schutz und Erhalt der Umwelt in den Reservatsgebieten sicherstellen sollen.

Die Vereinigung der Völker des Javarí-Tals (UNIVAJA) leitet vor Ort die Suche nach Bruno Pereira und Dom Phillips und hat berichtet, dass eine Woche vor dem Verschwinden der Männer ein anonymer Drohbrief gegen die beiden eingegangen sei. Medienberichten zufolge gab UNIVAJA zudem an, Bruno Pereira, Dom Phillips und Angehörige eines indigenen Überwachungspostens seien am Tag vor ihrem Verschwinden in einem Boot von drei bewaffneten Männern bedroht worden, die als illegale Fischer bekannt sind. In den Medien wurde außerdem berichtet, dass ein Fischer aus der Region derzeit von der Militärpolizei als Verdächtiger festgehalten wird.

Bisher ist es den Behörden nicht gelungen, den Verbleib der Männer zu ermitteln, und es fehlt an grenzüberschreitender Zusammenarbeit, um Such- und Rettungseinsätze im Grenzgebiet von Brasilien, Kolumbien und Peru durchzuführen, in dem Bruno Pereira und Dom Phillips verschwunden sind.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Das Javarí-Tal liegt im Amazonas-Grenzgebiet zu Peru und Kolumbien und umfasst 8,5 Mio. Hektar Land, das als indigenes Territorium ausgewiesen ist. Damit ist es das zweitgrößte offizielle indigene Territorium Brasiliens. Die Region beheimatet weltweit die meisten indigenen Menschen, die in freiwilliger Isolation leben, und ist nur über Land und per Boot zugänglich. Ähnlich wie viele andere Regionen im brasilianischen Amazonasgebiet ist das Javarí-Tal Schauplatz heftiger Konflikte im Zusammenhang mit illegaler Landnahme für Bergbau und Holzeinschlag. Auch Drogenschmuggel ist ein Konfliktherd, da die schlecht überwachten Grenzen der Region genutzt werden, um Schmuggelrouten zwischen Brasilien, Kolumbien und Brasilien zu etablieren und kontrollieren.

Angestellte der staatlichen Indigenenbehörde FUNAI, Menschenrechtler*innen sowie Mitarbeiter*innen von NGOs werden in der Region seit Langem bedroht und angegriffen. Im Jahr 2019 wurde der FUNAI-Mitarbeiter Maxciel Pereira dos Santos in Tabatinga durch zwei Kopfschüsse getötet. Die Tat wurde bis heute nicht aufgeklärt.

Die brasilianische Regierung unter Jair Bolsonaro macht systematisch Umweltgesetze rückgängig und schränkt die Rechte indigener Bevölkerungsgruppen und anderer traditioneller Gemeinschaften ein. Im August 2021 reichte die Vereinigung der indigenen Völker Brasiliens (Articulação dos Povos Indígenas do Brasil – APIB) Klage gegen Präsident Bolsonaro vor dem Internationalen Strafgerichtshof ein. Die APIB warf ihm vor, die Ausbeutung indigener Ländereien für den Bergbau angeheizt zu haben und somit für Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord verantwortlich zu sein.

Der brasilianische Staat ist verpflichtet dafür zu sorgen, dass Menschenrechtler*innen, Journalist*innen und Staatsbedienstete ihrer Arbeit uneingeschränkt und gefahrlos nachgehen können. Dom Phillips und Bruno Pereira sind bekannt für ihre Berichterstattung aus dem Amazonasgebiet und ihren Einsatz für die Rechte indigener Bevölkerungsgruppen.