Wahlbeobachter bedroht

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Am 24. Oktober prangerte der Informatiker Edgar Villegas im öffentlichen Fernsehen Unregelmäßigkeiten bei der vorausgegangenen Präsidentschaftswahl in Bolivien an. Bei einer Analyse deckte er gravierende Unregelmäßigkeiten zwischen den vorläufigen Zählungen und dem Endergebnis auf, das dem amtierenden Präsidenten Evo Morales den Sieg bescheinigte. Nach dem Fernsehinterview wurden er selbst, seine Familie und die Fernsehjournalistin Mónica Ximena Galarza, die ihn interviewt hatte, bedroht. Diese Drohungen sind im Zusammenhang mit den Repressionen zu sehen, mittels derer die Behörden versuchen, die sozialen Proteste seit Bekanntgabe der Wahlergebnisse zu unterdrücken.

Appell an

Minister

Carlos Romero

Av. Arce esq. Belisario Salinas N° 2409

La Paz

BOLIVIEN

Sende eine Kopie an

Botschaft des Plurinationalen Staates Bolivien

Gustavo Ramiro Espinoza Trujillo

Geschäftsträger a.i.


Wichmannstr. 6

10787 Berlin

Fax: 030-2639 1515

E-Mail: berlin@embajada-bolivia.de

Amnesty fordert:

  • Bitte garantieren Sie die Sicherheit von Edgar Villegas, Mónica Ximena Galarza Lora und deren Familien.

Sachlage

Am 24. Oktober interviewte die Journalistin Mónica Ximena Galarza Lorca den Informatiker Edgar Villegas für den Fernsehkanal Televisión Universitaria (TVU, Universitätsfernsehen). Dabei präsentierte Edgar Villegas Indizien, die auf Unregelmäßigkeiten bei der Präsidentschaftswahl hindeuten. Er hatte gemeinsam mit einem Team junger Informatiker_innen die originalen Wahlprotokolle mit denen verglichen und ausgewertet, die durch das Oberste Wahlgericht später offiziell veröffentlicht wurden.

Nach dem Interview erhielt Mónica Ximena Galarza Lorca Hunderte Nachrichten von unbekannten Nummern auf ihr Handy, in einigen wurde ihr gedroht. Edgar Villegas, Mónica Ximena Galarza Lora und ihre Angehörigen berichteten Amnesty International, dass sie beim Verlassen des Fernsehstudios von mehreren Fahrzeugen verfolgt wurden, darunter einige Taxis und dunkle Autos mit getönten Scheiben. Edgar Villegas gab außerdem an, dass einige seiner Freund_innen Anrufe von einem Handy mit seiner Nummer erhalten hatten – obwohl sein Telefon seit dem Interview ausgeschaltet ist. Vor den Wohnungen der Betroffenen tauchten verdächtige Personen und Fahrzeuge auf. Außerdem war am 25. Oktober die Website des Fernsehkanals Televisión Universitaria ohne jegliche Erklärung für mehrere Stunden abgeschaltet. Die Betreiber_innen berichteten, dass währenddessen eine andere Website angezeigt worden sei.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Die Untersuchung von Edgar Villegas wurde am 24. Oktober im Fernsehen vorgestellt. Sie basiert auf öffentlich zugänglichen Informationen, die die große Diskrepanz zwischen den ersten Hochrechnungen und der Endauszählung der Stimmen aus der Präsidentschaftswahl in Bolivien vom 20. Oktober zeigen. Bei der Endauszählung lag der amtierende Präsiden Evo Morales plötzlich wieder vorn.

Nach Bekanntgabe der Wahlergebnisse demonstrierten Tausende gegen einen Wahlbetrug. Die bolivianischen Behörden haben oftmals in repressiver Art und Weise auf Proteste reagiert, daher hat Amnesty International die Befürchtung, dass es dieses Mal wieder so sein könnte. Siehe auch: https://www.amnesty.org/en/latest/news/2019/10/bolivia-autoridades-debe….

Der Informatiker Edgar Villegas machte 2007 seinen Bachelor-Abschluss in Informatik an der Universidad Católica Boliviana San Pablo. Seither arbeitet er in nationalen und internationalen Teams zu den Themen Informationen für die Öffentlichkeit und Transparenz. Er führte schon 2016 eine ähnliche Analyse wie die jetzige durch. Auch dabei nutzte er öffentlich zugängliche Informationen, um auf einen Wahlbetrug aufmerksam zu machen. In der Folge wurde er bedroht und erhielt feindselige Nachrichten. Er hat gegenüber Amnesty International nun jedoch gesagt, dass die aktuelle Reaktion auf seine Arbeit drastischer sei, als die Reaktion auf seine Analyse im Jahr 2016.