Bangladesch: Autor in Haft gestorben

Ein Stuhl steht in einem leeren sonst dunklen Raum direkt unter einer hellen Glühbirne

Der Karikaturist Ahmed Kabir Kishore und der Schriftsteller Mushtaq Ahmed wurden im Mai 2020 wegen der Veröffentlichung satirischer Karikaturen und kritischer Kommentare zum Umgang der bangladeschischen Regierung mit der Corona-Pandemie inhaftiert. Mushtaq Ahmed starb am 25. Februar 2021 im Gefängnis. Ahmed Kabir Kishore, der eine Woche nach dem Tod von Mushtaq Ahmed gegen Kaution freigelassen wurde, erlitt in Haft Verletzungen, die seinen Angaben zufolge durch Folter verursacht wurden.

Appell an

Sheikh Hasina

Prime Minister's Office

Old Sangsad Bhaban

Tejgaon

Dhaka-1215

BANGLADESCH

Sende eine Kopie an

Botschaft der Volksrepublik Bangladesch

S.E. Md Mosharraf Hossain Bhuiyan

Kaiserin-Augusta-Allee 111

10553 Berlin


Fax: 030–39 89 75 10

E-Mail: info.berlin@mofa.gov.bd

 

Amnesty fordert:

  • Sorgen Sie dafür, dass alle Anklagen gegen Ahmed Kabir Kishore unverzüglich und bedingungslos fallengelassen werden. Dies gilt auch für alle anderen Personen, die allein wegen der friedlichen Ausübung ihres Rechts auf freie Meinungsäußerung angeklagt oder inhaftiert sind.
  • Bitte veranlassen Sie unverzüglich eine gründliche, unparteiische, unabhängige und transparente Untersuchung des Todes von Mushtaq Ahmed im Gefängnis und der Foltervorwürfe von Ahmed Kabir Kishore sowie die strafrechtliche Verfolgung der Verantwortlichen.
  • Sorgen Sie bitte auch für die Aufhebung des Gesetzes über digitale Sicherheit (DSA), sofern es nicht in Übereinstimmung mit internationalen Menschenrechtsnormen, darunter auch der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte, dessen Vertragsstaat Bangladesch ist, geändert werden kann.

Sachlage

Amnesty International ist sehr besorgt angesichts der Foltervorwürfe im Fall des Karikaturisten Ahmed Kabir Kishore und des Schriftstellers Mushtaq Ahmed. Sie befanden sich ab Mai 2020 neun Monate in Untersuchungshaft, weil sie satirische Karikaturen und regierungskritische Kommentare in sozialen Medien veröffentlicht hatten.

Mushtaq Ahmed starb am 25. Februar 2021 im Gefängnis. Zuvor war sein Antrag auf Freilassung gegen Kaution sechs Mal abgelehnt worden. Eine Woche darauf, am 4. März, wurde Ahmed Kabir Kishore für die Dauer von nur sechs Monaten gegen Kaution freigelassen. Wie der Karikaturist Amnesty International berichtete, wurden sie beide im Gewahrsam eines oder mehrerer Inlandsgeheimdienste gefoltert, bevor ihre Inhaftierung am 5. Mai 2020 offiziell registriert wurde. Ahmed Kabir Kishore ist seither nicht nur auf dem rechten Ohr ertaubt, sondern kann aufgrund von Schmerzen im linken Knie und Knöchel kaum gehen.

Ahmed Kabir Kishore und neun weiteren Personen, die im selben Fall unter dem repressiven Gesetz über digitale Sicherheit (Digital Security Act – DSA) angeklagt sind, drohen im Falle einer Verurteilung bis zu zehn Jahre Gefängnis, nur weil sie friedlich ihr Recht auf freie Meinungsäußerung wahrgenommen haben.

Karikaturen zu zeichnen und im Internet kritische Kommentare zu veröffentlichen, sind keine Verbrechen. In internationalen Menschenrechtsnormen, einschließlich des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte, zu dessen Vertragsstaaten Bangladesch gehört, wird der freien Meinungsäußerung ein besonders hoher Wert beigemessen. Niemand sollte sterben müssen, nur weil er sein Recht auf freie Meinungsäußerung wahrgenommen hat.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Ahmed Kabir Kishore, ein bekannter Karikaturist, berichtete Amnesty International, dass er vom 2. bis 5. Mai 2020, vor der offiziellen Protokollierung seiner Festnahme, im Gewahrsam eines oder mehrerer Inlandsgeheimdienste gefoltert wurde. Am 5. Mai 2020 wurde seine Inhaftierung zusammen mit der von Mushtaq Ahmed, einem bangladeschischen Schriftsteller, von der Einheit 3 der schnellen Eingreiftruppe Rapid Action Battalion (RAB-3) unter dem repressiven Gesetz über digitale Sicherheit (Digital Security Act – DSA) offiziell registriert. Die beiden Männer hatten auf Facebook satirische Karikaturen und Kommentare gepostet, in denen sie führende Politiker_innen sowie die bangladeschische Regierung für ihr Handeln im Rahmen der Corona-Pandemie kritisierten. Die beiden wurden neun Monate lang in Untersuchungshaft gehalten. Seit Mai 2020 wurde ihre Freilassung auf Kaution mindestens sechs Mal abgelehnt.

Mushtaq Ahmed starb am 25. Februar 2021 im Gefängnis. In Dhaka kam es nach seinem Tod zu Protesten, in denen neben Gerechtigkeit für Mushtaq Ahmed und der Freilassung von Ahmed Kabir Kishore auch die Abschaffung des repressiven Gesetzes über digitale Sicherheit gefordert wurde. Am 3. März 2021 gewährte das Hohe Gericht von Bangladesch Ahmed Kabir Kishore für nur sechs Monate die Freilassung auf Kaution. Er kam damit eine Woche nach dem Tod von Mushtaq Ahmed frei.

Der Karikaturist berichtete, dass auch Mushtaq Ahmed im Gewahrsam der Sicherheitsbehörden gefoltert wurde, wie er feststellen musste, als Mushtaq Ahmed und er zur RAB-3-Wache in Khilgaon in Dhaka gebracht wurden. Der Sprecher der Einheit, Oberstleutnant Ashiq Billah, wies die Anschuldigungen zurück und sagte gegenüber lokalen Medien, dass "eine verbitterte Person alles Mögliche sagen" kann.

Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, hat die Regierung von Bangladesch aufgefordert, für die sofortige, transparente und unabhängige Untersuchung des Todes von Mushtaq Ahmed im Gewahrsam zu sorgen.

Ahmed Kabir Kishore ist Diabetiker und benötigt Insulin. Während seiner Inhaftierung litt er unter stark erhöhten Blutzuckerwerten zwischen 18 und 30 Millimol pro Liter. Während der Folter trat Blut aus seinem rechten Ohr, und er ist seither auf dem rechten Ohr taub. Außerdem leidet er unter starken Schmerzen im linken Knie und Knöchel und kann kaum noch gehen. Er hätte sofort angemessen medizinisch versorgt werden müssen und benötigt weiterhin dringend medizinische Versorgung.

Nach Auffassung von Amnesty International ist der Tod von Mushtaq Ahmed im Gefängnis eine "Folge der grausamen Haftverlängerungspraxis der Behörden". Wie der Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen konstatierte, stellt die Schikanierung, Einschüchterung oder Stigmatisierung einer Person, einschließlich der Festnahme, Inhaftierung, eines gerichtlichen Verfahrens oder einer Gefängnisstrafe, aufgrund der von ihr vertretenen Meinungen, eine Verletzung von Artikel 19, Absatz 1 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte dar.

Des Weiteren stellte der Ausschuss fest, "dass die bloße Tatsache, dass Ausdrucksformen als Beleidigung einer öffentlichen Person angesehen werden, nicht ausreicht, um die Verhängung von Strafen zu rechtfertigen". Der Ausschuss äußerte Bedenken in Bezug auf "Gesetze zu Themen wie Missachtung der Autorität, Missachtung von Flaggen und Symbolen, Verleumdung des Staatsoberhaupts und Schutz der Ehre von Amtsträger_innen. Gesetze sollten keine strengeren Strafen allein auf der Grundlage der vorsehen, wer die Person ist, die vermeintlich angegriffen wurde. Die Vertragsstaaten dürfen Kritik an Institutionen, wie z. B. der Armee oder der Verwaltung, nicht verbieten."

Neun weitere Personen wurden im gleichen Fall wegen der Verbreitung von "Falschinformationen" und "Propaganda gegen den Befreiungskrieg, den Geist des Befreiungskrieges, Vater der Nation" beschuldigt, was zur "Beeinträchtigung von Recht und Ordnung" durch die "Förderung oder Organisation von Verbrechen" nach Paragraf 21, 25, 31 und 35 des Gesetzes über digitale Sicherheit führen könne. Im Falle einer Verurteilung drohen ihnen bis zu zehn Jahre Gefängnis und Geldstrafen in Höhe von bis zu 10 Millionen bangladeschischen Taka (rund 99.500 Euro).

Gower Rizvi, Berater für internationale Angelegenheiten der Premierministerin von Bangladesch, Sheikh Hasina Wazed, sagte in einem Interview mit der Deutschen Welle am 11. Februar 2021, das Gesetz über digitale Sicherheit biete Spielraum für Missbrauch. "Leider mussten wir feststellen, dass einige der Formulierungen sehr locker und vage sind, was Missbrauch Tür und Tor öffnet", sagte er.

Amnesty International hat die Regierung von Bangladesch wiederholt aufgefordert, das Gesetz über digitale Sicherheit aufzuheben, sofern es nicht reformiert und in Einklang mit internationalen Menschenrechtsnormen, darunter auch der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte, gebracht wird.